Wenn es den Film »Independence Day« als Buch gibt, dann ist
es wohl »Orbs« von Nicholas Sansbury Smith. Und ich hätte darauf verzichten
können.
»Es ist das Jahr 2061, und die Erde ist langsam, aber sicher
unbewohnbar geworden. Die letzte Chance der Menschheit ist der Mars. In
Vorbereitung auf die Mission lässt sich Dr. Sophie Winston mit ihrem Team in
einem Biosphären-Habitat in den Rocky Mountains einschließen. Doch schon wenige
Tage später sind die Wissenschaftler gezwungen, den Einschluss abzubrechen. Als
sich die Türen des Habitats öffnen, stehen Dr. Winston und ihre Leute vor dem
Nichts: die Menschen sind spurlos verschwunden, ebenso die Wasserreserven des
gesamten Planeten. Stattdessen tauchen plötzlich überall mysteriöse, blau
leuchtende Kugeln auf. Kugeln, die ein tödliches Geheimnis bergen ...«
(Quelle: Verlag)
Der Roman ist definitiv sehr amerikanisch und der Vergleich
mit »Independence Day« kommt ebenfalls nicht von ungefähr. Es gibt eine Menge
Geballer und toughe, coole Sprüche. (An »Yipie yah yei, Schweinebacke!« kommt
aber keiner heran.) Eben genau das, was man aus einem amerikanischen Hollywood Action-Blockbuster
so kennt. Hinzu kommt eine sehr U.S.-amerikanische Einstellung zum Militär und
zu Waffen. Für eine Alieninvasion besteht die Erde nun mal grundsätzlich nur
aus Nordamerika.
Kurzum: Das ist Popcornkino in Buchform. So etwas schaue ich
mir nicht wegen der tiefgründigen Storys an, sondern wegen der coolen
Actionszenen. In diesem Fall also wegen der Aliens.
Leider waren die mal so gar nicht cool. Oder zumindest nicht
genug, um diesen Roman in irgendeiner Weise über die fehlende Story hinweg zu
tragen.
Die Hauptfrage, die sich mir stellte, lautet: Wie stellen
die sich vor, das zu überleben? Das sind ne Handvoll Marines und
Wissenschaftler und zwei nervige Kinder obendrauf! Wie?! Die Invasion umfasst
die gesamte Erde, es gibt so gut wie keine Überlebenden schon wenige Tage nach
dem Angriff. Das ganze Setting wirkt für mich ehrlich gesagt ziemlich
lächerlich.
Der erste Band, um den es sich hier handelt, ist eher ein
Setup, der zur eigentlichen Handlung hinzuführen scheint. Mir wird hier aber
nichts gegeben, anhand dessen ich sehen kann, dass die Protagonisten auch nur
einen Hauch von Chance haben, auch nur noch eine weitere Woche zu überleben.
Früher oder später werden sie überrannt, zumal immer wieder angedeutet wurde,
dass sie bisher nur die Vorhut der Alienarmee gesehen haben. Und schon gegen
die waren sie hoffnungslos unterlegen.
Hinzu kommen einzelne Szenen, von denen ich vermute, dass
sie Horrorelemente und billige Jumpscares sein sollen. Nur dass Jumpscares auf
literarischer Ebene nicht so funktionieren können wie in einem Film. Allerdings
ist hier sehr vieles eher filmisch aufgezogen. Hat sich da jemand im Medium
geirrt? Jedenfalls konnte ich bei diesen Szenen nur müde gähnen.
Augenfällig sind des Weiteren die häufigen Erzählerwechsel,
teilweise noch auf derselben Seite und kurz hintereinander. Wir haben keinen
wirklichen allwissenden Erzähler, sondern durchaus einen personellen, der
jedoch sehr schnell zwischen den Figuren hin und her springt. Mich hat das
häufig sehr irritiert, wenn ich plötzlich die Szenerie schon wieder aus einem
anderen Blickwinkel betrachtete. Etwas mehr Konsistenz und damit Ruhe hätte der
Erzählung hier gut getan.
Die Aliens selbst hätten noch einmal einen spannenden Aspekt
hinzufügen können. Allerdings hat mich das Setting, dass sie auf die Erde
kommen und alles Wasser auf dem Planeten aufsaugen, überhaupt nicht gepackt.
Wenn schon Erstkontakt-Geschichten, dann doch eher Cixin Lius »Remembrance of Earth’s
Past«-Reihe, das ist wesentlich faszinierender aufgezogen.
Des Weiteren fand ich bereits den Ausgangspunkt der
Erzählung unlogisch. Den Forschern wurde erzählt, dass sie sich in den völlig
autarken Untergrund-Bunker begeben, um dort die isolierten Bedingungen auf der
Reise zum Mars zu simulieren. Was ich mich jedoch frage: Macht das überhaupt
Sinn? Stehen Raummissionen nicht grundsätzlich im Kontakt zur Erde? Klar, der
Übertragungsweg von Mars zu Erde ist weit und nicht unmittelbar. Somit wäre
eine völlige Isolation von der Erde aber dennoch nur ein Extremfall. Wäre
gesagt worden, dass hier ein solcher Extremfall geprobt werden sollte, hätte
ich es glaubhafter gefunden. Am Ende steckt eh mehr dahinter, aber die
Erklärung für den Bunker erscheint mir dennoch ungenügend.
Der Vergleich mit dem Film »Independence Day« liegt bei
»Orbs« sehr nahe. Wer den Film mochte, findet vielleicht seine Popcorn-Freuden
an diesem Buch. Für mich schwächelt der Roman jedoch inhaltlich zu sehr und
bietet mir auch auf der Action-Seite zu wenig, als das ich mich unterhalten
gefühlt hätte.
Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des
Rezensionsexemplares.
Mögliche Trigger
- Gewalt gegen Menschen
- Blut und Wunden
- Tod und Leichen
Werbung nach §6 TMG
Reiheninformation
Autor*in: Nicholas Sansbury Smith
Titel: Orbs
Sprache: Deutsch
Übersetzung: Marcel Häußler
Reihe: Band 1
Seiten: 398
Originalpreis: 8,99€
Verlag: Heyne
Genre: Science Fiction
ASIN: B077C41F5R
Erscheinungsjahr: 2018
Oh, das klassische "Erde angreifen, um Wasser zu klauen"... DAs schwachsinnigster aller Alieninvasions-Motive.
AntwortenLöschenWarum sollten sich Aliens in den Schwerkrafttrichter eines Planeten begeben, dabei riskieren weggenuked zu werden und dann das gesamte Wasser dann aus dem Schwerkraftfeld schaffen, WENN MAN AUCH EINFACH EIN PAAR ASTEROIDEN ANBOHREN ODER KOMETEN SCHMELZEN KÖNNTE?!