Da auf den Büchern
»Brandon Sanderson« steht, sollte das eigentlich genug Grund sein, das
Stormlight Archive zu lesen. Nun ist nicht jeder wie ich ein Leser, der bei
manchen Autoren blind zugreift und sich absolut sicher ist, dass das eine der
besten Entscheidungen wird. Falls euch also meine vorige Rezension (oder eher
mein Ausbruch von Fangirling) zum ersten Teil der Reihe »The Way of Kings« noch
nicht überzeugte, zuzugreifen, gibt es hier noch einmal 10 Gründe, warum ihr
das unbedingt und auf jeden Fall tun müsst.
- 1. Grund: Apocalypse NOW!
Ihr steht auf Tod und
Zerstörung in euren Büchern? Wenn alles mit mächtigem Tamtam und Fanfaren den
Bach hinuntergeht? Ihr wart frustriert, dass das im Endeffekt doch immer nur
ein Reich in der entsprechenden Fantasywelt betraf und der Rest der Welt dann
doch irgendwie weiter existierte? Nun, dann seid ihr hier richtig. Spätestens
am Ende von Band 2 »Words of Radiance« gibt es nämlich genau das: globale
Zerstörung.
Ganz Roshar steht am
Rande des Abgrunds. Eine tödliche Kombination von extremen Stürmen und
mythischen, längst vergessenen Feinden bedroht die Welt und ihre gesamte
Population. Die sogenannten Großstürme sind in Roshar keine Seltenheit, sondern
Gang und Gäbe. Sie kommen mit großer Regelmäßigkeit und wehen dabei immer
konstant aus derselben Richtung. Ganz Roshar ist an sie angepasst und kann sie
überdauern, auch wenn aller paar Tage ein Hurrikane der Kategorie 5 (der
höchsten) über den Kontinent fegt. Doch was ist, wenn ein solcher Sturm
plötzlich aus der entgegengesetzten Richtung herannaht? Und was ist, wenn
gleichzeitig und völlig unerwartet mit ihm mitten unter den Menschen ihre
ärgsten Feinde erwachen? Nun, das Ergebnis kann nur eine Katastrophe biblischen
Ausmaßes sein.
Übrigens: Odium ist
der Hauptantagonist des Cosmere und befindet sich momentan im Rosharan-System …
- 2. Grund: Awesome Worldbuildung (an dieser Stelle umschweb mich ein Awespren)
Jetzt fange ich
ausgerechnet mit der totalen Weltzerstörung an. Also dann, Nr. 2: Die Welt ist
einfach unglaublich genial und ebenso genial auch rübergebracht. Einer der
Hauptgründe, warum Tolkien für mich so faszinierend ist, ist, dass man bei ihm
wirklich das Gefühl hat, dass hinter dem nächsten Hügel eine alte, längst
vergessene Geschichte lauert. Man muss nur danach greifen, aber sie dann auch
zu packen, erscheint ungleich schwerer.
Bis jetzt ist Brandon
Sanderson der einzige Autor, den ich kenne, dem das ebenfalls gelingt, bei
Stormlight noch viel mehr als bei seinen anderen Romanen. Man merkt ihnen an,
dass Roshar eine lange Geschichte besitzt, deren zahlreiche Geheimnisse und
auch Wunder in den Wogen der Zeit, den 4500 Jahren seit dem Verschwinden der
Herolde, vergessen wurden und nun darauf warten, wieder entdeckt zu werden.
Teilweise verstecken sich diese Geheimnisse direkt unter der Nase der Leser und
Protagonisten, was dann natürlich einen noch viel größeren »Ach, sag
bloß!«-Ausruf verursacht.
- 3. Grund: Inspirierende Charaktere
Brandons Charaktere
sind absolut inspirierend und ermutigen einen, stets weiter zu gehen und aus
sich selbst heraus die Kraft zu nehmen, auch scheinbar unüberwindliche Hürden
zu meistern. Viele der Charaktere, sowohl Haupt- als auch Nebenrollen, haben
ihre eigenen Dämonen zu tragen (als Shallans Dämon am Ende des zweiten Bandes
offenbart wird, war das wahrscheinlich einer der verblüffendsten Aspekte eines
Charakters, die man so finden kann, denn das hätte ihr mit Sicherheit niemand
zugetraut). Sie kämpfen mit ihnen, glauben selbst daran, dass sie daran
zugrunde gehen, und nehmen doch wieder irgendwoher die Kraft, sie zu überwinden
und daran zu wachsen. In diesem Falle heißt das oft, einen Nahel bond (so wird
die symbiotische Beziehung zwischen spren und Knight Radiant genannt) einzugehen
und die Ideale der Knights Radiant zu sprechen. Wenn man sich als Leser dann
vorstellt, dass man das, was Kaladin, Dalinar und Shallan vollbringen, auch
kann, und dann eine epische Shardblade besitzen, das ist schon cool :D
- 4. Grund: Jedem seine inneren Dämonen
Gelegentlich hat man
das Gefühl, dass man verrückt wird beim Lesen, weil man einfach nicht mehr
aufhören kann! Aber dazu gleich, denn hier soll es eher um geistige Gesundheit
oder eher Krankheit gehen. Für Sanderson ist das oft ein Thema seiner
Charaktere, dass diese mit solchen zu kämpfen haben. Posttraumatische
Störungen, Depressionen und dergleichen mehr sind die inneren Dämonen seiner
Charaktere, die sie zugrunde zu richten drohen, die sie aber überwinden (oder
auch nicht …).
Wie bereits gesagt
beeindruckt da vor allem Shallan und die Darstellung ihrer posttraumatischen
Störung. Ich werde hier keine Details verraten, also keine Angst vor Spoilern.
Nur so viel: Man hätte es ihr wirklich nie zugetraut, dass DAS am Ende das
tatsächliche Ereignis gewesen war. Einige Jahre vor den Ereignissen in den
Büchern erlebte sie mit, wie ihr Vater ihre Mutter und ihren Liebhaber
ermordete und danach ihre »Seele« wegsperrte, wie Shallan es beschrieb, wenn
sie an das hell strahlende Gräuel dachte, das sich im Haus ihres Vaters
verbarg. Immer wenn sie an diese Momente zurückdenkt, hat sie ein Blackout,
kann nicht darüber sprechen, nicht einmal daran denken. Ihr Geist weigert sich
mit allem, was er hat, daran zurückzudenken, und verdrängt die tatsächlichen
Ereignisse vollkommen.
- 5. Grund: Erlebe das Abenteuer selbst!
Ich hatte einen
kleinen Leerlauf zwischen »Words of Radiance« und »Edgedancer«, als ich die
Bücher neulich noch einmal las in Vorbereitung auf »Oathbringer«, den dritten
Teil der Reihe. Da ich gerade einen eReader zur Hand hatte, las ich in »Iskari
– Der Sturm naht« hinein, und das machte mir durch den Kontrast eines mehr denn
je deutlich: Brandon Sanderson kann eine Geschichte erzählen. Er lässt den
Leser die Geschichte selbst erleben. Kein Charakter, der dem Leser in der
Narration ewig vorkaut, was es denn nun mit dieser oder jener Gottheit auf sich
hat oder wie dieser oder jener Brauch aussieht. Die Charaktere machen es
einfach. Sie leben in ihrer Welt. Der Leser folgt ihnen, macht eigene
Beobachtungen und erkundet so auf eigene Faust Roshar. Das macht es zwar
mitunter nötig, auf kleine Details zu achten, um eins und eins zusammenzuzählen,
aber gerade da macht das Lesen zu einem echten Abenteuer.
- 6. Grund: Cosmere!
Dieser Mann hat eine
Vision und dieser Mann setzt sie Stück für Stück um. Und was für eine Vision
das ist! Alle High Fantasy Bücher Brandons sind Teil eines übergreifenden Konstruktes,
dem sogenannten Cosmere. Oftmals sind es nur winzig kleine Details, die
offenbaren, dass die Bücher der verschiedenen Serien in ein und demselben
Universum spielen. Der Bettler am Wegesrand in Elantris, der sich als Hoid
vorstellt, trollt plötzlich als Wit (Schelm) die Großprinzen von Althekar. Mal
hier die Erwähnung einer Shard Adolasiums, mal dort die Erwähnung einer
anderen. Man muss nicht die anderen Cosmere-Bände kennen, um eine einzelne
Reihe zu verstehen, aber es fügt unglaublich faszinierende Aspekte dazu. Ich
liebe es, wenn Fantasyautoren ihre Welt nicht nur in drei Büchern ausarbeiten
und sie dann liegen lassen. Brandon geht hier eine unglaublich kreative
Hybridlösung ein. Jede Reihe kann für sich gelesen werden, ist aber
gleichzeitig doch ein Teil eines großen Ganzen. Von dem ich unbedingt wissen
will, wie es ausgeht!
- 7. Grund: Creativityspren!
Brandon Sanderson ist
vor allem für seine ausgesprochen kreativen Magiesysteme bekannt, was
eigentlich ein Grund ist, auch zu seinen anderen Romanen zu greifen, nicht nur
zum Stormlight. Magie funktioniert im Cosmere auf eine ganz eigene Art und
Weise. Oder eher: auf viele verschiedene Arten und Weisen, und jede davon hat
Wiedererkennungswert. In den meisten Fantasyromanen ist es doch meist damit verbunden,
dass man einen Zauberstab schwingen oder fancy Worte aufsagen muss. In Roshar
hingegen ist es beispielsweise das Sturmlicht, das die Magie ermöglicht.
Einige, die Knights Radiant, um genau zu sein, können dieses Licht nämlich
nutzen und damit mittels der spren aus dem Cognitive Realm die Gesetze der
Physik beugen. Sie können so der Gravitation wiederstehen und fliegen, mittels
Sturmlicht Illusionen erzeugen und ihr Aussehen verändern oder eine Substanz in
eine andere verwandeln (seelengießen) und vieles mehr.
Roshar ist ein
Kontinent, dem man seine Fremdartigkeit anmerkt, ohne dass er dabei zu
fremdartig wirkt. Hier leben viele verschiedene Kulturen zusammen, die jede für
sich ihre Eigenheiten hat, die auf uns ein wenig ungewöhnlich wirken, doch, je
länger man liest, ausgesprochen vertraut werden. Dem Vorinismus folgend
erscheint es auf einmal ganz natürlich, dass Alethi Damen ihre linke Hand als
Schutzhand verbergen, da eine entblößte Schutzhand als anstößig gilt.
- 8. Grund: Buchkunst
Ich liebe es, wenn
Bücher hübsch aufgemacht werden, auch über ein cooles Cover hinaus. Karten,
Illustrationen ect. Und davon gibt es hier mehr als genug! Nicht nur sind die
Cover der Bücher einfach atemberaubend, auch innen drinnen findet man duzende
Illustrationen. Einige der Charaktere sind Wissenschaftler, so auch Shallan,
welche zusätzlich ein außergewöhnliches Talent für die Kunst hat. In den
Büchern sind zahlreiche ihrer Bilder abgedruckt, welche sie mit Anmerkungen zu
den Beobachtungen versehen hat, die sie gemacht hat. Das gibt dem Leser noch
einmal viele weitere zusätzliche Details, die die Welt von Roshar beleben.
Auch die
Vorsatzpapiere sind bei den Hardcover Ausgaben einfach bezaubernd gestaltet und
bisher hat jedes Buch seine Vorgänger übertroffen. Im dritten Band gibt’s die
Heralds, wie cool ist das denn?! Hier habe ich ein paar Bilder vom zweiten Band
(ich liebe das Bild von Shallan!):
- 9. Grund: Doppelt hält besser
Oder dreifach. Oder
zehnfach. Oder hundertfach. Man kann die Bücher einfach immer wieder lesen und
lacht trotzdem über den ‘armless
Herdazian (Lopen, der tat weh!) oder schlägt die Hände über den Kopf
zusammen und ruft laut aus: »Almighty above! OMG!« wenn Kaladin im Eifer des
Gefechts ausgerechnet Brighlord Amaram zum Duell herausfordert und König
Elhokar ihn dafür hinrichten lassen will. Kurz: Die Bücher halten den Leser gefangen,
fesseln ihn förmlich an die Seiten und lassen ihn erst los, wenn man
notgedrungen auf der letzten Seite des zuletzt veröffentlichten Buches
angekommen ist, egal, ob man die Bücher das erste Mal liest oder zum zehnten
Mal.
- 10. Grund: Beste Unterhaltung
Die Bücher sind wahre
Totschläger mit ihren je über 1000 Seiten. Und dann soll es insgesamt 10 davon
geben! Normalerweise werden solch dicken Wälzer zwischenzeitlich immer mal
etwas langatmig und zäh. Hier nicht. In Roshar geschieht immer etwas, das für
stets kurzweilige Unterhaltung sorgt. Die Seiten fliegen förmlich dahin und man
wundert sich schnell, wo die drei Stunden hin sind (und dass man vor zwei
Stunden ja einen Termin hatte, oh …).
- Ein 11. Grund, die englischen Hardcover von Tor zu lesen
Hin und wieder wird
mir gesagt, dass es toll ist, dass ich Bücher auf Englisch lesen kann. Ich
möchte dazu anmerken, dass Englisch mit Abstand eines meiner schlechtesten
Schulfächer war, was nichts ist, worauf ich stolz bin. Irgendwann fing ich aber
doch mal auf Englisch an zu lesen, und mittlerweile lese ich lieber in der
Sprache als auf Deutsch, weshalb ich sagen kann, dass ich wohl doch ganz gut
einschätzen kann, ob sich ein Buch für Nicht-Muttersprachler leichter oder
schwerer liest. Und zu Brandon lässt sich sagen: Er liest sich wirklich sehr
verständlich.
Des Weiteren wird das
Stormlight Archive eine sehr umfangreiche Reihe: Insgesamt 10 Bände von jeweils
um die 1000 Seiten. Der deutsche Verlag (derzeit Heyne) hat jeden Band auf 2
Bände aufgesplittet. 20 Vollpreis Hardcover sind, so sehe zumindest ist das,
unverschämt teuer, vor allem, wenn man es auch in ein Buch hätte packen können,
ohne dass es zu dick wird.
Und warum dann das
englische Hardcover? Die Taschenbuch
Ausgaben haben nicht die tollen Endpapers, ganz einfach.
Na, wenn das nicht
genug Gründe sind! Wenn ihr die Reihe kennt, was sind eure Gründe, Stormlight
zu lesen?
Autor: Brandon
Sanderson
Titel: The Stormlight
Archive: Words of Radiance
Sprache: Englisch
Umschlag- und
Innenillustration: Michael Whelan, Isaac Steward, Ben McSweeney, Greg Call, Dan
dos Santos
Reihe: Band 2
Seiten: 1258
Originalpreis: $8.99
Verlag: Tor Books
Genre: Fantasy
ISBN:
978-0-7653-2636-2
Erscheinungsjahr: 2014
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