Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Sonntag, 20. März 2022

Lasst das Harry Potter Franchise sterben

Progress Pride Flag, die Regenbogenflagge mit den Farben für die trans und BIPoC Community
Kein LGB ohne das T

Ich bin wütend, und ich will das auch gar nicht schönreden oder runterspielen. Erst hatte ich überlegt, das einfach als einen Twitterthread zu schreiben, aber es ist einfach so viel, das es dazu zu sagen gibt, und dann versumpft das doch eh nur wieder nach einem Tag in den Untiefen von Twitter. Denn was gerade wieder mit genderqueeren Menschen gemacht wird, ist ungeheuerlich, und das muss angesprochen werden. Es wird die, um die es sich hier handelt, nicht erreichen, sie werden nicht einlenken. Aber schweigen kann auch nicht die Lösung sein.

Sie, die nicht genannt werden soll, soll nun doch einmal auf diesem Blog thematisiert werden, denn mit dem kommenden Release von Hogwarts: Legacy wurde Social Media einmal mehr zu einem Minenfeld für genderqueere Leute und sie hat leider wieder einmal den Mund geöffnet. Ich will gar nicht im Detail wiedergeben, was genau sie sagte, weil es einfach immer wieder auf‘s Neue abscheulich ist, aber ich bin stark für eine „Rowling, shut the fuck up“-Challenge. Ich bin dafür, dass wir dieses Franchise kollektiv sterben lassen und ihm keinerlei Reichweite mehr geben. Erst dann nehmen wir einer der einflussreichsten TERFs der Gegenwart ihre Waffe, mit der sie trans Personen dämonisiert.

Ja, es ist moralisch nicht vertretbar mit diesem Fandom zu interagieren. Kauft eins offiziellen Merch, geht ein Teil dieses Geldes direkt an sie, was sie dazu nutzt, um trans Personen zu schaden. Wir wissen, dass sie mit Organisationen wie der LGB Alliance zusammenarbeitet, die aktiv gegen trans Personen Lobbyarbeit betreibt, um nur ein Beispiel von vielen zu nennen. Kauft eines ein Kinoticket, geht ein Teil des Geldes an sie. Kauft eins dieses Spiel, geht ein Teil des Geldes an sie. Die Lizenzen wurden für teuer Geld gekauft und sie verdient sich eine goldene Nase daran, um ungehindert weiter trans Personen vor den Karren zu werfen.

Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass es nicht einmal moralisch ist, mit Fancontent zu interagieren, wenn man gleichzeitig ein trans ally sein will. Kauft eins Merch von unabhängigen Kunstschaffenden auf etsy, mag das Geld vielleicht allein deren kleinen Shop unterstützen, was an und für sich eine gute Sache ist, da Rowling keinen Pfennig davon sieht. Aber der Punkt ist, dass selbst Fanfictions auf ao3 (archive of our own, eine unabhängiges Archiv für Fanfictions) das Fandom am Leben halten, und so lange es lebt, wird das Franchise weiter Geld generieren. Geld, das trans Leben gefährdet. Ja, das gilt auch, wenn eins noch immer das Hogwartshaus in der Bio auf Twitter hat, das ist schon lange kein harmloser kleiner Spaß mehr.

Jetzt erscheint also erneut ein Spiel aus diesem Franchise und die Werbetrommel läuft eifrig. Der Trailer wird gestreamt und geteilt, bald schon werden die ersten Let‘s Plays auf Youtube und Streams auf Twitch folgen. Wir schreiben das Jahr 2022, die Haltung der Autorin ist schon lange kein Geheimnis mehr. Selbst die letzten Dudebros geben zu, dass sie davon wissen. Und sie stellen sich dennoch ignorant.

Jeder Click auf den Trailer und erst recht jedes Video, das dazu erstellt wird, jeder Post auf Social Media trägt seinen kleinen Teil dazu bei, dass ultimativ trans Leben gefährdet werden. Die Gründe dafür habe ich genannt. Damit machen sich all jene Menschen ultimativ zu transfeindlichen Mittätern.

Hört, wenn ihr unbedingt das Spiel spielen müsst, dann piratet es. Wenn ihr die Filme sehen müsst, dann zieht sie euch von movie4k und Konsorten. Aber zahlt um Himmels willen auch nicht einen Pfennig dafür. Bei so großen Marken schadet ihr damit vor allem die, die es wirklich treffen soll, nämlich die Rechteinhaber, die sonst noch und nöcher daran verdienen. Die Mitarbeiter, die nun wirklich nichts dafür können, betrifft das nicht, die bekommen ihren (unterbezahlten) Lohn ohnehin.

Lasst es floppen, glorios und mit wehenden Fahnen untergehen, denn das setzt ein Zeichen. Das setzt ein Zeichen, dass aus diesem Franchise kein Geld mehr gemolken werden kann. Lasst uns die Waffen des Kapitalismus gegen ihn einsetzen, denn wenn etwas kein Geld mehr abwirft, dann wird es fallen gelassen. Genau das muss mit diesem Franchise passieren.

Hört, es ist mir vollkommen gleich, ob ihr schlechte Bücher lest oder schlechte Spiele spielt. Ob etwas handwerklich gut gemacht wurde oder nicht, liegt ja immer noch im Auge des Betrachters und manchmal kann so etwas auch einfach ein völlig legitimes guilty pleasure sein. Darüber will, kann und darf ich nicht urteilen. Es geht mir hier nicht um die Qualität der Bücher, Spiele und Filme. Und dabei rede ich hier noch nicht einmal von all dem Albeismus, dem Kolonialismus, der Sklaverei und all den anderen Ismen dieses Werkes. Es geht mir um den sehr realen Schaden, den Rowling mit ihrem Geld, das sie daraus generiert, anrichtet.

Was aktuell passiert, ist folgendes. Genderqueere Leute und Allies plädieren dafür, dieses Spiel floppen zu lassen und argumentieren, warum es moralisch verwerflich ist und sogar aktiv Schaden anrichtet, mit diesem Fandom zu interagieren. Und man kann die Minuten zählen, bis die Dudebros aus ihren Löchern kommen und diese Personen niederschreien mit ihrer Ignoranz. Eins redet sich den Mund fusselig und redet doch gegen eine Mauer an, weil diese Personen es nicht wahrhaben wollen. Sie wollen ignorant und egoistisch bleiben. Harry Potter war doch ihre Kindheit, wer hat nicht mit 11 auf den Brief aus Hogwarts gewartet? Es gibt so viele, die von dieser Reihe durch ihre Kindheit und Jugend begleitet wurden, oftmals durch schwere Zeiten und denen es dann ein Trost war, in einer gewissen Zaubererschule abzutauchen.

Ich verstehe, dass es schwer ist, all das jetzt loszulassen. Ich verstehe das wirklich. Wir leben in echt beschissenen Zeiten und vielen geht es mal wieder richtig mies. Da freut sich eins über jedes bisschen Serotonin, das das Hirn flutet. Aber die Frage hier ist doch: Ist mir mein persönliches Vergnügen wirklich wichtiger als reale trans Leben? Oder gibt es da draußen nicht vielleicht auch andere Franchises, die diesen Platz füllen können?

Es muss den Leuten bewusst werden, dass mit jedem Klick auf den Trailer, mit jedem lizensierten kleinen Merch-Schlüsselanhänger, den sie kaufen, eine TERF unterstützt wird, die einen gigantischen Einfluss hat. Dass sie damit beitragen, dass trans Leben gefährdet werden. Und das nur aus kleinlichen, egoistischen Gründen. Ich sage es ganz offen: Diese Ignoranz ekelt mich an.

Derzeit werden Betroffene und Allies massiv angegriffen für dieses Mindset, es wird enorme Gewalt gegen sie ausgeübt. Da stellen sich Dudebros hin und tönen, sie seien nicht transfeindlich und missgendern mich noch im selben Atemzug. Ich muss ganz ehrlich sagen: Diese kognitive Dissonanz ist schon bemerkenswert /s

Denn ja, das ist Gewalt. Jeder Mensch hat ein Recht auf freie geschlechtliche Entfaltung, das steht sogar im Grundgesetz. Diese wird aber mit solchen Aussagen in Frage gestellt, angefechtet und sogar ins Lächerliche gezogen. Trans Menschen wird damit ihre Menschlichkeit abgesprochen, sie werden damit objektifiziert und zu einer „politischen Agenda“ gemacht. Gender sei nun ein politisches Statement, das es zu argumentieren und zu hinterfragen gelte.

Dudebros, die so etwas sagen, schrammen damit ganz gefährlich nahe an TERF Ideologien entlang. Nein, eigentlich betreten sie damit sogar schon TERF-Territorium. TERFs behaupten, trans sei ein Kult, der kritisch hinterfragt werden müsse (weshalb sie sich häufig selbst Gender Criticals nennen). Was wir hier erleben, ist ein massiver Zulauf zur TERF-Bewegung und ein gewaltiger Anstieg an Gewalt gegen genderqueere Menschen, und das alles unter dem Deckmantel des „Ist doch nur ein Spiel.“

Nein, ist es eben nicht. Es ist ein weiteres Instrument, das sie dazu nutzt, um Menschen, die eigentlich nur in Ruhe gelassen und existieren werden wollen, zu dämonisieren. Wir wissen längst, dass sie damit nicht aufhören wird. Nach ihren ersten Anfängen und dem heftigen Gegenwind, den sie dafür kassierte, versumpfte sie nur immer weiter in ihrer Hasskampagne.

Viele werden jetzt sagen: „Aber der Tod des Autors! Man muss doch Autorin und Werk trennen!“ Und ihnen allen kann ich sagen: Ihr habt nicht verstanden, was Roland Barthes damit eigentlich aussagte. Der Tod des Autors besagt, dass in dem Moment, in dem ein Werk die Hände seines Schöpfers verlässt, die Deutungshoheit darüber nicht mehr nur bei einer einzigen Person liegt, sondern bei all jenen, die dieses Werk konsumieren. Der Tod des Autors sagt ganz bestimmt nicht, dass hirnloser Medienkonsum niemals reale Konsequenzen nach sich ziehen könnte und Absolution erteilt für jeden Mist, der daraufhin verzapft wird.

Die Autorin kann nicht getrennt von ihrem Werk betrachtet werden, denn wie mittlerweile ausführlich erläutert macht sie damit reales Geld, mit dem sie sehr realen Hass auf trans Personen schürt. „Aber was ist denn mit Lovecraft? Der war Antisemit!“, werden jetzt Leute rufen. „Oder Tolkien! Der war erzkonservativer Katholik und hatte auch rassistische Tropes in seinen Werken!“ Der Unterschied ist schlicht und ergreifend, dass Rowling noch lebt, hier, jetzt und zu diesem Zeitpunkt. Sie macht heute Politik gegen unschuldige Menschen. Sie schadet heute lebenden Menschen. Menschen, die ihr vielleicht eure Familie, Freunde und Kollegen nennt.

Lasst das Franchise sterben, wenn ihr euch wirklich trans Allies nennen wollt. Lasst es sterben und hört Betroffenen zu.

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