Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Donnerstag, 31. März 2022

Ein Wort zum Trans Day of Visibility

Hallo, ich bin Robin, nicht cis und habe zum heutigen Trans Day Of Visibility einige Worte zu sagen. Da gibt es nämlich ein paar Dinge, die ich mir von Herzen wünsche.

Erstens und ganz wichtig: Euer Feminismus ist scheiße, wenn er trans ausschließt.

Zweitens: Ich wünsche mir, solche Beiträge posten zu können, ohne sofort eine Herde Terfs an der Backe zu haben. Ich meine, schaut euch mal meine Reichweite an. Die ist nicht groß. Jeder andere Post von mir geht nicht über diese winzig kleine Bubble hinaus, in der ich sitze. Aber sobald ich es mal wage, Cissen (und in diesem Falle wähle ich das bewusst, wenn du dich angesprochen fühlst, dann bist du es wahrscheinlich auch) zu kritisieren oder gar, Schreck lass nach, den Potterheads ihr olles Spiel madig zu reden, kommen diese Arschlöcher aus ihren Löchern gekrochen, und ich stehe dann allein da und muss mich ihrer erwehren.

Drittens, und das geht mit Zweitens Hand in Hand: Ich wünsche mir mehr Unterstützung von allies. Viel mehr. Bisher sehe ich kaum jemanden von den cis Leuten, die mehr tun als nur danebenzustehen, zu applaudieren und den ganzen genderqueeren Leuten zu sagen, wie toll und tapfer sie sind. Wow. Hohle Worte. Ich will Taten sehen. Ich will sehen, wie ihr euch für die Rechte genderqueerer Leute einsetzt. Ich will von euch nicht validiert werden, denn ich bin valide, auch ganz ohne den Zuspruch einer cis Person. Ich will von euch nicht allein gelassen werden.

Vor ein paar Tagen hat das Robert-Koch-Institut eine sehr gute Umfrage zum Thema HIV-Versorgung für die genderqueere Community gepostet. Die Umfrage richtete sich gezielt an Leute aus dieser Community und verwendet ihre Sprache. Da fallen dann eben auch Begriffe wie fronthole, weil einige transmasc Leute es vorziehen, ihr Körperteil nun einmal so zu nennen.

Die Umfrage wurde sofort von Terfs gekapert, die sie mit falschen Antworten fluteten im Versuch, die Ergebnisse zu verfälschen. Das ist pervers, das ist gewalttätig, das ist entlarvend. Solch eine Studie kommt nicht nur der genderqueeren Studie zugunsten, sondern eben auch cis Personen, denn das Gesundheitssystem weist nun einmal massive Mängel auf. Die Hürden für genderqueere Personen zu senken, kommt auch cis Personen zugunsten, aber die werden willentlich von Terfs mit unter den Bus geworfen, damit die mit aller Macht verhindern können, dass es genderqueeren Personen auch nur ein winziges bisschen besser geht. Sie gehen damit sprichwörtlich über Leichen.

Den Cissen bricht es natürlich einen Zacken aus der Krone, wenn sie einmal nicht Mittelpunkt des Universums sind. Das habe ich getweetet. Mal wieder wurde ich daraufhin gewaltsam missgendert, es wurde sich über meine Pronomen lustig gemacht und ich wurde als „Kollateralschaden“ abgetan. Letzteres kam sogar aus der eigenen Community. Weil ich nicht binär trans bin, weil ich damit nicht vom System der Krankenkassen erfasst werde und die mit für cis halten, weshalb ich aus dem Raster falle.

Viertens: Binarität ist scheiße. Die Idee, dass es nur zwei Geschlechter, Mann und Frau, gäbe, ist ein westlich-christliches Konstrukt, das sich mit keiner Wissenschaft belegen lässt. Zu behaupten, es gäbe nur zwei Chromosomensätze XX und XY, ist nichts weiter als Biologismus. Schon immer gab es in der Menschheitsgeschichte Kulturen, die mehr als nur zwei Geschlechterrollen kannten. Das ist nichts Neues, kein fancy Tumblr Trend aus den frühen 2010ern. Wir waren schon immer da, nur ist uns durch das Internet jetzt ein Medium gegeben worden, mit dem wir sichtbar werden können.

Leider heißt das auch, dass wir fast täglich Spott und Hohn ausgesetzt sind. Ich werde immer wieder auf meine Organe reduziert, ich werde wegen meiner geschlechtlichen Identität als hässlich bezeichnet, ich werde ableistisch beleidigt und mir werden psychische Krankheiten unterstellt, und ich muss ertragen, wie meine Pronomen lächerlich gemacht werden. Das ist gelebter Alltag von Personen, die aus einem binären System ausbrechen.

Es ist schon ein wenig ironisch. Terfs wollen sich gegen das Patriarch wehren, das Frauen auf bestimmte körperliche Merkmale reduziert, aber dann bekomme ich immer wieder gesagt, ich solle meinen Mikropenis aus Frauenräumen fernhalten. Was fürchten Terfs am meisten? Cis Männer, die sich als Frauen ausgeben, um in geschützte Räume zu gelangen. Was tun Terfs hier? Gewaltsam in Räume eindringen, die nicht für sie bestimmt sind, und Gewalt ausüben. Hasst man etwas nur lange und intensiv genug, wird man zu dem, was man hasst. Genau das ist hier geschehen.

Lustigerweise war es erst gestern, wo ich einen Termin mit dem Gleichstellungsbeauftragen meiner Uni hatte. Ich bat, dass mein Name von nun an offiziell von der Uni für mich verwendet wird. Alles, was es dazu bedurfte, war meiner Aussage, von nun an Robin genannt werden zu wollen, und meiner Unterschrift unter einem kurzen Aufklärungsbogen, der die Uni absichert, dass ich es auch ernst meine damit. Mehr nicht. Für die Uni bin ich jetzt Robin. Und ganz ehrlich: Das ist großartig. Unbürokratisch (jedenfalls für mich), einfach und niedrigschwellig. Das zeigt: Es geht. Die Leute müssen nur wollen.

Aber schon so ein simpler Akt gegenseitigen Respekts ist für Terfs zu viel. Die Nummer mit der Umfrage des RKI zeigt: Terfs sind eine radikale Gruppierung, ein Kult gar, der sich unter dem Deckmantel des Feminismus verbirgt, aber doch eigentlich nichts in queeren Räumen zu suchen hat. Sie greifen mit brutaler Gewalt Leute an, die einfach nur ihr Leben leben wollen. Dieser Kult ist längst aus seinen dunklen Ecken im Internet ins reale Leben getreten und betreibt dort massiv Lobbyarbeit gegen genderqueere Leute. Terfs können ungehindert wichtige Umfragen zur Gesundheitsversorgung einer Bevölkerungsgruppe sabotieren oder sind mit Tories Busenfreunde und spenden transfeindlichen Organisationen wie der LGB Alliance Unmengen an Geld.

Derzeit kämpfen genderqueere Leute diesen Kampf quasi allein, und sie kämpfen sprichwörtlich um ihr Leben. Aber wir können das nicht allein ausfechten, wir brauchen die Hilfe unserer allies.

Es fängt ganz simpel damit an, sich einfach immer mit den eigenen Pronomen vorzustellen, selbst wenn man cis ist. Besonders dann, denn das schafft einen sicheren Raum für trans Personen, die eventuell noch nicht out sind, denn das signalisiert eventuell anwesenden trans Personen, dass sie hier offen sein können, ohne Verspottungen und Hohn fürchten zu müssen.

Ebenso einfach ist es, auf social media Beiträge von trans Personen zu teilen und ihnen zuzuhören, ihre Nöte und Sorgen ernst zu nehmen. Gerade jetzt ist es eine immer gefährlichere Zeit, um trans zu sein. Wir haben uns das nicht ausgesucht, wir sind trans, das ist keine Wahl. Aber gerade in den USA und der UK sind Anti-Trans-Gesetzte derzeit massiv auf dem Vormarsch. Konservative versuchen mit aller Gewalt, uns aus der Öffentlichkeit zu drängen und uns an der Teilhabe an der Gesellschaft zu hindern. Auch der Versuch der Terfs, die Umfrage des RKI zu kapern, schlägt in genau dieselbe Kerbe, den sie versuchen, uns den Zugang zum Gesundheitswesen zu nehmen.

Ich wünsche mir, dass genderqueere Leute nicht mehr nur mitgedacht sind. Immer noch erinnere ich mich mit Groll an den letzten Versuch der deutschen Phantastik letzten November, Frauen sichtbar zu machen, indem Schreibende rein anhand von Namen in binäre Kategorien und eine Kategorie „Sonstige“ gepackt werden; in letztere kamen die, bei denen es nicht eindeutig war. Da frage ich mich, wo ich als Robin auftauchen würde. Würde man mich für cis männlich halten? Denn da fängt das Problem schon an.

Die Diskriminierungserfahrungen von trans Männern unterscheidet sich von denen von cis Männern, die von trans Frauen von denen von cis Frauen und auch unter genderqueeren Leuten unterscheiden sich die Marginalisierungserfahrungen. Eine Person, die nicht ins binäre System passt, erlebt das alles noch einmal gänzlich anders. Vor dem Gesetz existieren wir ja noch nicht einmal, das TSG geht nur von binärer Transition aus. Wir müssen uns also selbst missgendern, um die notwendige medizinische Behandlung zu bekommen, die uns hilft. Nur, um ein einziges Beispiel von vielen zu nennen.

Das alles in einen Topf zu werfen, und zu sagen, wir zählen trans Frauen zu den Frauen allein anhand ihres Namens, verkennt die gelebte Realität von trans Personen, es macht sie vollkommen unsichtbar. Und was ist mit jenen, die noch ihren Geburtsnamen führen, obwohl der Binarität impliziert, aber auf social media offen nonbinary sind? Sie werden als Frauen beziehungsweise Männer missgendert und damit wieder einmal ihrer Stimme beraubt.

Genderqueere Leute sind nicht nur ein „mitgedacht“, ein Nebensatz: „Ach ja, natürlich wissen wir, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gibt, aber war so pragmatischer für uns.“ Wir sind keine Fußnote der Geschichte. Wir leben hier und jetzt neben euch und wir wollen gehört und gesehen werden. Wir kämpfen mit allem, was wir haben, jeden Tag unseres Lebens. Das ist ermüdend und zehrt an den Kräften. Dabei wollen wir doch auch bloß einfach nur unser Leben leben, ohne von Radikalen bedroht zu werden, weil wir sind, wie wir sind.

Also brauchen wir Hilfe von unseren cis allies. Hört uns zu und stellt euch entschieden gegen jede Transfeindlichkeit, die euch begegnet, egal wie klein oder groß. Ihr wisst nie, ob euch eine nicht geoutete trans Person mithört.

Wisst ihr, niemand erwartet von euch Perfektion. Natürlich ist es schwer, ein Leben lang erlernte Binarität abzulegen und umzudenken. Euch passieren Fehler, das passiert selbst mir noch manchmal. Wenn ihr bemerkt, dass ihr oder jemand anderes aus Versehen ein falsches Pronomen benutzt, dann korrigiert euch oder die andere Person kurz und macht dann einfach weiter. Macht auf keinen Fall ein riesen Fass auf und drängt euch in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Und zuletzt: Gebt uns endlich ein Selbstbestimmungsgesetz! Das TSG ist erniedrigend und transfeindlich!

Um das mit etwas Schönem abzuschließen: Habt ihr mitbekommen, dass Elliot Pages Charakter in Umbrella Academy in Staffel 3 ebenfalls sein trans Coming Out haben wird? Das ist großartig! Das ist phantastisch! Nicht nur hat Elliot Page selbst sein öffentliches Coming Out gehabt, jetzt wird das sogar in die Geschichte seines Charakters hineingeschrieben, obwohl das ein Detail ist, das nicht in der Comicvorlage vorkommt. Das ist eine wirklich wunderbare Geschichte, die Hoffnung auf mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz von genderqueeren Personen gibt.

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