Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Samstag, 2. April 2022

Rezension: Wings of Fire #1-10 von Tui T. Sutherland

Die Pandemie hat es mir schwer gemacht, überhaupt noch etwas zu lesen. Bei längeren Texten am Ball zu bleiben, ist anstrengend geworden, auch nur der Story zu folgen, ist eine Herausforderung. Etwas leichtes musste her, etwas leicht verträgliches, das sich fix weglesen lässt. Etwas, wie die Wings of Fire Reihe von Tui T. Sutherland, einer der Autorinnen des Warrior Cats Kollektivs. Und weil ich tatsächlich die ersten zehn Bände fast hintereinander weg gelesen habe, bevor ich dazu kam, meine Rezension zu schreiben, stelle ich hier gleich alle mit einem Mal vor.

Die Welt von Pyrrhia ist dominiert von Drachen, die in Clans leben, jeder in seiner eigenen Ecke des Kontinents mit seiner eigenen Königin. Menschen sind für viele Drachen nur ein Nachmittagssnack. Üblicherweise bleiben die Clans untereinander, doch ein Erbschaftskrieg unter den SandWings wächst sich zu einem Konflikt aus, der den ganzen Kontinent umspannt. Die drei SandWing-Prinzessinnen bekriegen sich gegenseitig um den Thron ihrer getöteten Mutter und ziehen all die anderen Clans mit hinein. Eine Prophezeiung soll den Krieg nach 20 Jahren beenden, und diese Prophezeiung spricht von fünf Dragonets, den Helden der ersten fünf Bände.

Dies sind Clay der MudWing, Tsunami die SeaWing, Glory die RainWing, Starflight der NightWing und Sunny die SandWing. Jeder von ihnen bekommt seinen eigenen POV in den ersten fünf Büchern. Im ersten Band ist Clay der Fokuscharakter, im zweiten Tsunami und so weiter. Gemeinsam arbeiten sie daran, die Prophezeiung zu erfüllen, haben in jedem Band aber auch ihre eigene persönliche Reise zu bestreiten.

Auch Band 6 bis 10 folgen demselben Grundschema. Es gibt nun eine neue Prophezeiung und wieder machen sich fünf Dragonets auf die Suche, um Frieden nach Pyrrhia zu bringen und eine tödliche Gefahr abzuwenden.

Jeder einzelne Drache hat seinen eigenen Storyschwerpunkt. Glory beispielsweise kämpft damit, dass alle auf RainWings herabblicken und sie für faule, nichtsnutzige Kreaturen halten, die den lieben langen Tag nur in der Sonne liegen und Früchte futtern. Glory, die nicht einmal in der ursprünglichen Prophezeiung erwähnt wird, will allen beweisen, dass es auch keiner Prophezeiung bedarf, damit sie ihren Wert zeigen kann. Sunny wiederum hält felsenfest an der Prophezeiung fest, weil sie ihr einen Sinn im Leben gibt. Sie ist ein SandWing ohne tödlichen Stachel, womit ihr eines der distinktiven Merkmale ihres Clans fehlt. Sie hat sich deswegen schon immer ausgeschlossen gefühlt, weil sie anders war.

Alle fünf Dragonets sind noch als Ei von ihren Familien entführt worden und wuchsen abseits der Welt auf unter den Fittichen von einigen nicht unbedingt liebevollen Fürsorgern. Sie sehnen sich nach ihren Familien und danach herauszufinden, wo sie herkommen und wer sie sind. Immer wieder müssen sie dabei lernen, dass es die perfekte Familie, die sie sich all die Jahre ausgemalt haben, eigentlich gar nicht gibt. Tsunami ist überglücklich, als sie erfährt, dass ihre Mutter Queen Coral ist, aber dann muss sie erfahren, dass Coral ihre Töchter sprichwörtlich an der Leine hält und ihnen keine Freiheiten lässt aus Angst, sie zu verlieren. Nach und nach lernen sie so, dass Familie weit mehr ist als nur Blutsbande, Familie sind auch ihre Freunde, alte wie neue, die sie auf ihrem Weg treffen.

Ähnlich ergeht es auch den Protagonisten der zweiten Prophezeiung. Moon stellt sich ihren Ängsten und wagt es, sie selbst zu sein, als sie sich offen zu ihren magischen Kräften bekennt. Denn sie als einziger NightWing kann tatsächlich Gedanken lesen und die Zukunft sehen. Viele fürchten die NightWings wegen genau dieser Fähigkeiten, die eigentlich nur eine Lüge waren. Umso ängstlicher ist Moon, sollten ihre Freunde davon erfahren. Peril ist in der Vergangenheit viel Schlimmes erfahren. Queen Scarlet von den SkyWings hat sie wegen ihrer Feuerschuppen als gefährliche Waffe missbraucht, da alles verbrennt, was sie anfasst. Peril kennt nur Gewalt, doch nicht nur Clay hat an das Gute in ihr geglaubt. Nach und nach lernt Peril gewaltfreieres Verhalten, das nicht (nur) darauf beruht, andere Drachen zu töten, ohne dabei jedoch ihre Persönlichkeit zu verlieren. Auch muss sie die Erfahrung machen, dass, nur weil ein Drache ihr Vater ist, er auch nicht automatisch gut zu ihr ist, sondern sie ohne ihn besser dran ist.

Augenfällig, dass es in der Reihe oft die Väter sind, die ihre Kinder enttäuschen, während die Mütter für sie da sind. Etwas, das leider auch viel zu oft in unserer Welt so vorkommt. All diese jungen Drachen haben Ängste, Sorgen und Nöte, die insbesondere Kinder und Jugendliche auch haben, aber auch Erwachsene nachvollziehen können. Von anderen gemocht werden, die eigene Wut unter Kontrolle zu halten, Familie und Freunde zu finden, das und noch viele mehr sind die Hauptthemen dieser Reihe. Es geht darum, sich selbst zu finden und für sich selbst einzustehen. Die Dragonets suchen und finden ihren Platz in der Welt und finden dadurch Akzeptanz bei anderen, weil sie so sind, wie sie sind: jeder für sich ein einmaliges, kostbares Juwel.

Zu bemerken ist außerdem, dass das generische Maskulinum umgekehrt wurde. Die Drachen Pyrrihas leben in einer matriarchalischen Gesellschaft, in der nur weibliche Drachen Königinnen werden können. Es wird mehrfach explizit betont, das männliche Drachen nicht König werden können. Viele hohe Posten, wie zum Beispiel Generälinnen, werden von weiblichen Drachen bekleidet, männliche Drachen sind davon jedoch nicht ausgenommen und können es ebenfalls weit bringen (mit der einzigen Ausnahme des Postens als König).

Die Bücher sind für Kinder von 8 bis 12 Jahren geschrieben und die Geschichte demnach in einem lockerflockigen Ton erzählt, der viele Witze macht und flotte Sprüche reißt. Die Handlung ist sehr dicht, hat aber auch ihre Momente der Ruhe, ohne dass sich dabei etwas in die Länge zieht. Damit waren sie zumindest für mich genau die richtige Mischung aus leichter Sprache und unterhaltsamer Geschichte, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat in einer Zeit, in der ich mich sonst kaum noch auf etwas länger als fünf Minuten fokussieren kann.

Die Geschichte wird in einer neuen Staffel fortgesetzt, die wieder aus fünf Bänden besteht, deren letzter demnächst erscheint. Auch gibt es bisher zwei Legends genannte Prequels, einmal die Vorgeschichte zu Darkstalker und wie er zu dem gefürchteten Tyrannen wurde und einmal die Scavenger- also Menschenseite der Ereignisse in Dragonslayer. Außerdem gibt es mittlerweile vier Kurzgeschichten und mehrere Graphic Novels. Es gibt also noch viel zu entdecken.

Ich bespreche selten bis nie die Cover von Büchern, weil ein Buch ja nicht anhand seines Covers bewertet werden sollte, aber in diesem Falle mache ich eine Ausnahme. Denn die Artworks von Joy Ang haben für mich einen nicht unerheblichen Anteil am Zauber, den die Bücher haben. Jedes Cover zeigt die oder den Protagonist*in des jeweiligen Romans, und Joy Ang hat einen fabelhaften Job getan, um die Drachen von Pyrriha lebendig werden zu lassen. Ihre Designs haben Wiedererkennungswert und jeder Clan hat klar erkennbare Merkmale, die die einzelnen Clans voneinander abtrennen. Die Künstlerin hat eine Menge Liebe fürs Detail investiert, um die Beschreibungen Sutherlands textgetreu darzustellen.

Einziger kleiner Wermutstropfen ist die starke Fokussierung auf heteronormative, monogame Beziehungen. Wenn Drachen einmal füreinander schwärmen, ist es immer einer des anderen Geschlechts (von dem es auch nur zwei gibt in der Reihe). Lediglich im zehnten Band wird gegen Ende eine romantische Beziehung zwischen zwei weiblichen Drachen kurz angerissen. Für die Zukunft wünsche ich mir mehr davon.

Die Wings of Fire Reihe ist vom Verlag für Kinder von 8 bis 12 Jahren empfohlen. Sie erzählt kurzweilige und spannende Geschichten aus einer bunten und vielfältigen Welt, die mit jedem Band neue Aspekte dazugewinnt ohne völlig überladen zu wirken. Es geht zwar auch um die Rettung der Welt, aber vor allem um Freundschaft und darum, sich selbst und seinen Platz in der Welt zu finden. Dabei durchlaufen die Protagonist*innen charakterliche Entwicklungen, die bei vielen Anklang finden dürften. Sie suchen Anerkennung, Familie, Anschluss, Gleichgesinnte und zuletzt auch ihren Sinn in der Welt.


 

Die ersten zehn Bände in chronologischer Reihenfolge

  1. The Dragonet Prophecy

  2. The Lost Heir

  3. The Hidden Kingdom

  4. The Dark Secret

  5. The Brightest Night

  6. Moon Rising

  7. Winter Turning

  8. Escaping Peril

  9. Talons of Power

  10. Darkness of Dragons


Mögliche Trigger

- nicht graphische Gewalt gegen Mensch/Drache und Tier

- nicht grafisches Blut und Wunden

- nicht graphische Enthauptung und Tötung

- Verlust von Angehörigen


Reiheninformation

Autor*in: Tui T. Sutherland

Titel: Wings of Fire

Sprache: Englisch

Umschlagsillustration: Joy Ang

Reihe: Band 1-10

Verlag: Scholastic Press

Genre: High Fantasy

Erscheinungsjahr: 2012-2017

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