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Dienstag, 19. April 2022

Rezension: What's the T? von Juno Dawson

What‘s the T? von Juno Dawson will Jugendliche über das Thema trans aufklären. Die Autorin selbst ist trans, und das Buch wird als „Your non-nonsense guide to all things trans and/or non-binary“ angepriesen. Klingt doch schon einmal gut, dachte ich mir. Ein Buch aus der Community für die Community und gleich zu Beginn wird sogar darauf geachtet dass nb-Identitäten zwar unter den trans-Umbrella fallen können, aber nicht müssen. Also beschloss ich, mir das Buch einmal näher anzusehen.

„What‘s the t?“, ist ein Slang, der vor allem unter queeren Leuten gebraucht wird und so viel bedeutete „What‘s up?“, also „Was gibt es zu erzählen?“ In diesem Falle bezieht sich das T natürlich auch auf das T in LGBTQIA+, denn darum soll es in diesem Buch gehen.

Das Buch richtet sich explizit an Jugendliche und jene, die am Anfang ihrer Pubertät stehen. Entsprechend ist die Sprache stellenweise sehr salopp und im Ton der Zielgruppe angepasst, dabei bleibt der Inhalt zumindest faktisch korrekt. Stellenweise hätte es dennoch noch einiger Quellen mehr bedurft, denn die dürfen auch hier natürlich nicht fehlen und nicht immer wird differenziert genug mit den Quellen umgegangen. Der Ton verfehlt mitunter bei mir seinen Zweck, aber ich bin eben alterstechnisch nicht mehr die Zielgruppe.

In dem, was das Buch erreichen will, nämlich grundlegend über das Thema trans aufklären, macht es einen guten Job. Ich persönlich konnte jetzt nicht viel Neues daraus mitnehmen, aber für Jugendliche, die einen ersten Kontakt mit dem Thema suchen, ist es eine gute Anlaufstelle. Das Buch klärt über grundlegende Dinge auf wie Genderidentität, medizinische Maßnahmen, trans Geschichte und bedeutende Persönlichkeiten sowie eben auch die gesetzliche Lage und typische transfeindliche Argumente.

Das Buch beschränkt sich auf den anglophonen Raum, besonders die UK, da die Autorin selbst aus der UK kommt. Die weltweite Lage umfassend abzudecken, wäre für so ein Buch auch am Thema vorbei, dementsprechend bezieht sich vor allem bei den Gesetzen und medizinischen Maßnahmen vieles auf die UK und mitunter noch die USA.

Der Teil, in dem Juno über typische transfeindliche Argumente spricht, steht sehr weit am Anfang und kam ohne jegliche Vorwarnung. Das hätte definitiv besser gelöst werden müssen, denn so werden die Lesenden mitten hinein geworfen und mit denselben Argumenten konfrontiert, mit denen viele sicher schon in der Vergangenheit zu tun bekommen hatten, geht eins davon aus, dass das Buch vor allem von trans Personen gelesen wird.

Eins merkt, dass das Buch von einer binär trans Person geschrieben wurde. Es gibt ein Kapitel, das sich nichtbinären Identitäten widmet und die Autorin ist taktvoll genug, hier vor allem nb Personen zu Wort kommen zu lassen. Ein Satz, der mir jedoch besonders negativ aufstieß war dieser hier auf Seite 87 der Print Ausgabe: „Don‘t get me wrong, anyone challenging the gender they were assigned at birth is astonishingly brave, but it takes real courage to live as a non-binary person in our very binary world.“ Uff. Ganz dickes uff, weil das schon wieder danach klingt, als wäre das eine Wahl. Ich hab mir das nicht ausgesucht, ich bin so. Ist es also besonders tapfer, einfach zu existieren? Ich glaube nicht.

Besonders negativ fiel mir jedoch noch eine weitere Aussage der Autorin auf. Eins merkt eben auch, dass das Buch sehr allonormativ ist, sich also auf Menschen und Beziehungskonzepte konzentriert, die romantischer und/oder sexueller Natur sind. Und dabei fiel auch die sehr ableistische Aussage, man könne erst dann eine funktionierende Beziehung führen, wenn man sich selbst akzeptiert und liebt. „I‘d go so far as to say that the reason I couldn‘t make a relationship work before I transitioned was because falling in love means getting to know someone at their very core, and I was hiding my true self from everyone, even myself.“ (Seite 195) Das ist Quark, ganz einfach, denn es postuliert, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer sich nicht selbst wertschätzen (können), beispielsweise durch psychische Krankheiten, nicht beziehungsfähig sind. Außerdem gibt es genug Leute, die erst später im Leben entdecken, dass sie trans sind, und lange vorher schon funktionierende Beziehungen führen.

Des weiteren werden aromantische und asexuelle Beziehungen nur einmal kurz in einem Nebensatz erwähnt, es wird also kaum anerkannt, dass auch das valide Identitäten sind. Nach dem Motto: „Ach ja, kann natürlich sein, dass das alles nichts für dich ist. Und jetzt erzähle ich euch über ganze Kapitel hinweg, wie Beziehungen funktionieren.“

Ich persönlich bin auch einfach das Narrativ leid, die Person habe schon immer irgendwie gewusst, sie sei trans, nur lange dafür keine Worte gefunden. Das mag stimmen und trifft ganz sicher auch auf viele Personen zu. Aber dieses Narrativ ist so dominant, dass es als Norm angesehen wird. Gebt mir die *confused in enby for 25 years* Stories! Die Stories, wo die Leute drei Jahrzehnte lang super damit zufrieden waren, als cis Person zu leben und dann merkten, dass ein trans Label besser zu ihnen passte! Solche gibt es nämlich auch mehr als genug.

What‘s the T? ist eine gute erste Anlaufstelle für trans Jugendliche, um sich über die Thematik zu informieren und einen ersten Einblick darin zu bekommen. Das Buch behandelt viele Themen, die für trans Jugendliche von Bedeutung sind, wie eben das alltägliche Leben als trans Person, das Coming Out, aber auch medizinische Möglichkeiten. Dabei ist das Buch jedoch nicht der Heilsbringer, sondern streckenweise sehr binär fokussiert und allonormativ. Hinzu kommen einige sehr kritisch zu bewertende Aussagen. So „non-nonsense“ ist es also doch nicht, wie es angepriesen wird.

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Reiheninformation

Autor*in: Juno Dawson

Titel: What‘s the T?

Sprache: Englisch

Umschlagsgestaltung: Soofiya

Reihe: Nein

Seiten: 283

Originalpreis: 8,99£

Verlag: Wren & Rook

Genre: Nonfiction

ISBN: 978-1-5263-6282-7

Erscheinungsjahr: 2021

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