Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Mittwoch, 30. November 2022

Rezension: Iron Widow (Iron Widow #1) von Xiran Jay Zhao

Wuxia und actiongeladene Mecha Kämpfe in einem? Da bin ich dabei! Mit „Iron Widow“ legt Xiran Jay Zhao ein Debüt hin, das sich sehen lässt, eine beeindruckende Reimagination der chinesischen Zhou Dynastie.

In Hualia werden junge Mädchen auf ihre geistige Stärke hin getestet, und ist diese hoch genug, werden sie als Konkubine mit einem männlichen Piloten zusammen in einen Chrysalis genannten Mecha gesetzt, gigantische Kampfmaschinen, die das Kaiserreich von den Aliens jenseits der Großen Mauer beschützen sollen. Sie sind die einzige Waffe der Menschheit gegen die Invasoren aus dem All. In den allermeisten Fällen überleben die Mädchen diese Einsätze nicht.
Wu Zetian ist ein solches Mädchen. Ihre ältere Schwester wurde von einem der angesehensten Piloten der Gegenwart getötet, und Wu Zetian schwört nun blutige Rache. Sie schreibt sich als Konkubine ein und kann den Mörder ihrer Schwester stellen. Sie tötet in ihn seiner Chrysalis und wird so zur gefürchteten Iron Widow, eine Pilotin, die männliche Piloten tötet, um den Mecha zu steuern, statt umgekehrt. Doch damit fängt ihr Kampf erst an. Wu Zetian hat Geschmack an Macht gefunden und will sie nun nicht mehr so schnell hergeben.

Oh mein Gott! Das war meine Reaktion, als ich die letzten Seiten des Romans auslas und völlig überwältigt gewesen war von der Geschichte. Was für ein Wahnsinnsritt! Die gesamte Geschichte ist ein einziger wütender Aufschrei gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung aufgrund von Gender. Was Wu Zetian will, bekommt Wu Zetian auch und ist dafür auch bereit, über Leichen zu gehen.

Xiran Jay Zhao ist selbst nonbinary und Genderfragen spielen in their Roman eine große Rolle. Die Geschichte ist in der ersten Person erzählt, und auch wenn Wu Zetian sich gelegentlich selbst als Mädchen bezeichnet, sagt Wu Zetian selbst, dass das Label Frau in ihrem Leben eigentlich nur für Unterdrückung gesorgt hat. Ihre Füße wurden dem Schönheitsideal der Lotusfüße gemäß verstümmelt. Ihr ganzes Leben ist darauf ausgerichtet, einen Mann zu heiraten oder sich als Konkubine eines Piloten zu opfern. Wu Zetian ist wütend und begehrt gegen ein System auf, das kleine Mädchen als Ressource in einem erbarmungslosen Krieg sieht. Diese Wut ist quasi auf jeder Seite spürbar, der Wunsch, aus einem beengenden Korsett aus Gendererwartungen auszubrechen. Ich verwende hier daher noch das Pronomen sie für Wu Zetian, kann mir aber vorstellen, dass Wu Zetian in kommenden Bänden das Label Frau ablegt.

Der Roman ist zwar als Reimagination der historischen Person Wu Zetians anzusehen, der einigen Kaiserin Chinas, ist aber keine historische Fiktion, sondern actiongeladene Science Fiction a lá Pacific Rim. Wenn auch, wenn ich das so sagen darf, mit einer wesentlich tieferen Geschichte. Fans des Pacific Rim Franchises werden hier auf alle Fälle auf ihre Kosten kommen, denn die Kämpfe zwischen den Chrysalises und den Hundus lassen sich sehen. Sie sind bombastisch, episch und bildgewaltig. Zhao versteht es, große Bilder zu zeichnen.

Dabei geht es allerdings nicht übertrieben gewaltvoll zu. Zhao erwähnt im Nachwort, dass die ursprüngliche Fassung wesentlich graphischere Gewalt beinhaltet hatte, diese wurde aber im Editierprozess abgeschwächt. Wie ich finde, eine gute Entscheidung. Die Geschichte ist auch so fesselnd genug, ohne auf das Schockmoment krasser Gewalt setzen zu müssen, welche sonst von zentraleren Themen abgelenkt hätte.

Obendrauf gibt es noch eine queere Liebesgeschichte und realistische Polyamorie. Wu Zetian ist hin und her gerissen zwischen zwei Männern, doch was normalerweise in einer Liebesecke enden würde, wird hier zu einem tatsächlichen Liebesdreieck (hetero Menschen verstehen Geometrie einfach nicht). Alle drei sind sie bi/pan und ihre Beziehung wird auch entsprechend aufgebaut. Die Charaktere sprechen offen über ihre Gefühle und handeln ihre Beziehung zu einer offenen Beziehung aus. Das war definitiv eine sehr positive Überraschung, einmal gut dargestellte Polyamorie ohne Eifersucht dargestellt zu sehen!

Der einzige Kritikpunkt, den ich habe, und da muss ich Swantje von Literatopia Recht geben, ist der Umstand, dass Wu Zetian von Anfang an das System hinterfragt, in dem sie aufgewachsen war und sozialisiert wurde. Ihr wird ihr ganzes Leben lang vorgeführt, dass es in Ordnung ist, ihre Füße zu verstümmeln, und dass eine Frau ihrem Mann immer hörig sein muss. Ihr wird kein Anreiz von außen gegeben, das misogyne System zu hinterfragen, dennoch tut Wu Zetian es von Anfang an. Dabei passieren solche Umdenkprozesse nicht von allein, sie bedürfen eines externen Anreizes.

„Iron Widow“ ist ein lauter, wütender Aufschrei gegen Unterdrückung und missbräuchliche Systeme, die Teile der Bevölkerung als bequeme Ressource verheizen, ohne sie als Menschen zu sehen. Gewürzt wird das ganze mit queeren Charakteren und bombastischen Kämpfen zwischen Mechas und Aliens in einer kreativen Reimagination Chinas.



Mögliche Trigger

- Verstümmelung (off page)

- Folter (off page)

- Blut

- Tod, Mord, Gewalt an Menschen

- Misogynie


Werbung nach §6 TMG

Reiheninformation

Autor*in: Xiran Jay Zhao

Titel: Iron Widow

Sprache: Englisch

Umschlagsillustration: Ashley MacKenzie

Reihe: Band 1

Seiten: 394

Originalpreis: CAN $21.99

Verlag: Penguin Random House

Genre: Science Fiction

ISBN: 978-0-7352-6993-4

Erscheinungsjahr: 2021

 

Weitere Rezensionen

 - Swantje von Literatopia

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