Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Sonntag, 15. Januar 2023

Rezension: Identitti von Mithu Sanyal

»Identität bestimmt nicht die Dinge, die wir tun, wohl aber die Dinge, die andere Menschen uns antun.« (S. 410)

Es gibt sie noch, die Romane, die das eigene Weltbild völlig auf den Kopf stellen. »Identitti« von Mithu Sanyal ist ein solcher. Gleich, nachdem ich den Roman ausgelesen hatte, was ich zum PC gehechtet, um diese Zeilen hier zu tippen, um das Gefühl, das der Roman in mir erzeugt hat, nicht zu verlieren. Er arbeitet in mir, seit Tagen schon. Die Geschichte hat ein Themenfeld für mich geöffnet, das völlig konträr zu dem steht, was ich bis dato annahm.

Skandal! Die berühmte Professorin Saraswati ist in Wahrheit weiß und hat allen ihre indische Identität nur vorgelogen. Ist es überhaupt eine Lüge? Ihre Studentin Nivedita jedenfalls ist schockiert über die Enthüllung, sie fühlt sich betrogen und hintergangen. Sofort begibt sie sich zu ihrer Professorin, um Antworten zu erlangen. Antworten auf die Frage, warum Saraswati getan hat, was sie getan hat, aber auch, um sich selbst und ihre verworrene Identität zu finden.

Dienstag, 10. Januar 2023

Interview mit Tristan Lánstad, Autor von "Plastikefeu hält sich gut"

 

Hi Tristan, vielen Dank, dass du bereit bist, ein paar Fragen zu beantworten. Wie wäre es, wenn du zu Anfang dich und deinen Roman “Plastikefeu hält sich gut” kurz vorstellst? Worum geht es in dem Roman?

Hallo, ich bin Tristan Lánstad, Autor und Sensitivity Reader. Ich schreibe seit 2015 Romane und Kurzgeschichten. Außerdem sammle ich als 'Desasterotik' auf Twitter lustige Zitate aus Erotikromanen.

"Plastikefeu hält sich gut" ist zuallererst eine klassische Romanze zur Zeit der Coronapandemie. Der Protagonist Kay arbeitet freiberuflich als Personenschützer. Er wird vom Virologen Marian Engel eingestellt, um ihn vor einem mutmaßlichen Stalker zu beschützen, der ihm Drohbriefe schreibt. Dabei kommen sich die beiden unerwartet näher. Gleichzeitig ist der Roman auch eine Detektivgeschichte: Wer verfolgt Marian und warum? Da Marian als Virologe gerade im Fokus des öffentlichen Interesses steht und sich die Briefe direkt auf seinen Job beziehen, liegt die Vermutung nahe, dass Coronaleugner*innen ihn aus dem Weg haben wollen. Kay wird eher zufällig in diese Frage involviert, macht es sich aber dann zur Aufgabe, der Sache auf den Grund zu gehen.


Was brachte dich auf die Idee zu dem Roman?

Ich fand es faszinierend, wie Virolog*innen plötzlich zu Beginn der Pandemie zu regelrechten Stars wurden. Es ging nicht nur um die faktischen Inhalte, sondern auch das Auftreten, die Attraktivität, das Privatleben. Es kommt eher selten vor, dass ein Haufen Menschen plötzlich davon schwärmt, wie gut ein männlicher Wissenschaftler aussieht. Das wollte ich aufgreifen. 

Gleichzeitig hat mich das Genre von Romanzen zwischen Personenschutz und Stars schon immer gereizt. Ich mag komplexe zwischenmenschliche Situationen, in denen es keine klaren Machtverhältnisse gibt. Einerseits sind die Auftraggeber*innen von Personenschützer*innen ganz direkt in einer Machtposition, weil sie ja die Arbeitsleistung bezahlen. Andererseits nimmt man Personenschutz ja in Anspruch, weil man vor etwas geschützt werden muss. So sind also die Auftraggeber*innen gleichzeitig in einem Abhängigkeitsverhältnis, sie brauchen die Dienstleistung. Das zu beleuchten, fand ich spannend. Dass Marian BDSM praktiziert und Kay dann quasi eine dritte Ebene von Machtverhältnissen entdeckt, war aus dem Konstrukt heraus eine weitere spannende Ebene.