Irgendwann einmal in grauer Vorzeit, ich weiß schon gar nicht mehr, wie lang es her ist, fiel mir „Storm of Wings“ von Chris Bunch in die Hände, der erste Teil der Dragonmaster Trilogie, eine Fantasy-Reihe aus den frühen 2000ern. Mit Drachen kriegt mensch mich immer, egal wie wenig reizvoll die Prämisse erst einmal klingt. Was das angeht, bin ich wohl recht vorhersehbar, ahem. Dann bleibt nur die Frage, ob das Buch auch wirklich etwas taugt.
Hal Kailas ist der Sohn von armen Bergarbeitern irgendwo im Nirgendwo. Was seine Gegend neben Erzen jedoch auch hat, sind Drachen, die Kal schon von Kindheit an faszinieren. Er weiß: Sein Schicksal liegt nicht unter der Erde, sondern hoch in den Himmeln. Als Krieg über das Land hereinbricht, wird Hal eingezogen und schafft es irgendwie, die Infanterie zu überleben. Eine neue Waffe soll die Kriegstreiberei endgültig verändern, denn erstmals werden Drachen von Menschen geritten und in die Schlacht geführt. Hal ist fest entschlossen, einer von jenen Drachenreitern zu werden.
So weit so standardmäßig. Der Roman hat mit Sicherheit das Rad nicht neu erfunden, war nicht in allen Aspekten der schlechteste, hätte aber vieles auch besser machen können. Der Roman zeigt ganz gut, wie das Leben eines armen Schluckers aus sehr einfachen Verhältnissen in einer pseudo-mittelalterlichen Welt aussehen kann, vor allem, als Hal quasi von der Straße weg in die Armee eingezogen wird, während er sich noch von Job zu Job zu hangeln versucht. Gerade zu Beginn ist sein Leben ziemlich elend, plötzlich wird er in die brutale Realität des Krieges geworfen und sieht seine Kameraden wie die Fliegen sterben.
Das Ganze hätte sicher noch einen viel eindringlicheren Eindruck hinterlassen, wäre der gesamte Roman nicht so fürchterlich nüchtern erzählt. Vielleicht ist es einfach Hals Art, mit den Dingen so emotionslos umzugehen, seine Situation kann ihn durchaus abstumpfen. Aber gerade gegen Ende schwört er blutige Rache für den Tod eines Menschen, der ihm viel bedeutet hat, und nichts davon kommt auch beim Leser an. Alles ist so trocken und episodenhaft erzählt, gerade zu Beginn springt der Roman von Szene zu Szene und verweilt selten länger bei den Charakteren, die in Hals Leben treten und es dann ebenso schnell wieder verlassen. Sie mögen damit vielleicht bei Hal einen Eindruck hinterlassen haben, nicht aber bei den Lesenden, die damit lediglich die Rolle der passiv Zuschauenden einnehmen können.
Hauptattraktion des Romans sind freilich die Drachen. Die Geschichte eines Jungen und seines Drachen ist keineswegs neu (ungefähr zur selben Zeit wie dieser Roman war auch Eragon erschienen), jedoch sind hier die Drachen nichts weiter als Pferde mit Flügen. Zu Anfang des Romans kann ich noch Hals Faszination für Drachen nachfühlen, diese tritt jedoch völlig in den Hintergrund, sobald Hal in die Armee eingezogen wird und auch später, als Hal dann tatsächlich die Ausbildung zum Drachenreiter beginnt. Drachen sind hier nichts weiter als ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck und es passiert im Grunde nichts weiter, als dass das Reiten neu erfunden wird. Hal gehört zu den ersten, die lernen, einen Drachen zu reiten, und ist somit einer der Pioniere auf diesem Gebiet. Ich hätte erwartet, dass wir deutlich mehr über die Drachen erfahren als nur Tiere, die zufällig Flügel haben und die zuvor noch nicht von Menschen geritten worden sind.
Drachen sind der Inbegriff von Fantasy! Sie sind mächtig und beeindruckend und furchterregend und niemand ist ihnen gewachsen. Immerhin sind sie die mittelalterliche Nuke; Aegon Targaryen hat mit nur drei Drachen (und ein paar lausigen Armeen) ganz Westeros eingenommen und unter sich vereint. Hier sind die Drachen einfach nur ein fancy Transportmittel und überhaupt nicht faszinierend. Alles ziemlich ernüchternd und enttäuschend.
Der erste Roman dreht sich ausschließlich um den Krieg zwischen zwei Nationen. Ebenjene bleiben nichts weiter als bedeutungslose Namen. Es hätte auch Horst gegen Peter antreten können, das wäre ebenso aussagekräftig gewesen. Es wird zwar angedeutet, dass die Drachen vielleicht vor etwas in ihrer ursprünglichen Heimat fliehen in die Region, aus der Hal stammt, aber der Roman hat mir einfach nicht genug Anreize gegeben, das weiter zu verfolgen. Erschwerend kommt auch der Dialekt hinzu, der stellenweise ausgeschrieben wird. Ich weiß nicht, ob es ein bestimmter englischer Dialekt ist, aber grundsätzlich ist es immer schwer, ausgeschriebenen Dialekt lesen zu müssen, mehr noch als Nicht-Muttersprachler*in.
Alles in allem bleibt der Roman weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das Worldbuilding ist gerade einmal mäßig und die Drachen sind lediglich müde Echsen, die nicht mit ihren Genrevertretern mithalten können.
Mögliche Trigger
- Tod von Tieren
- Blut
- Tod, Mord, Gewalt an Menschen
- Krieg
Werbung nach §6 TMG
Reiheninformation
Autor*in: Chris Bunch
Titel: Dragonmaster: Storm of Wings
Sprache: Englisch
Umschlagsillustration: Les Edwards
Reihe: Band 1
Seiten: 407
Originalpreis: £ 6.99
Verlag: Orbit
Genre: Fantasy
ISBN: 1-84149-192-6
Erscheinungsjahr: 2003
Falls euch meine Arbeit gefällt, würde ich mich über einen kleinen Obolus bei BMC freuen :)
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