Die Autorin Gesa Schwartz ist bisher für ihre Chroniken der
Schattenwelt und die Grim-Reihe bekannt. Nun begibt sie sich mit »Schattenreiter«,
dem ersten Band der Ära der Drachen, in eine postapokalyptische Zukunft, in der
die Menschheit nur noch wie Ratten in den Untergrundsystemen der großen Städte
von einst leben kann. Denn die Oberfläche wird nun von Drachen regiert.
Sira ist eine Diebin aus den U-Bahn-Tunneln des einstigen
New York. Von dort aus unternimmt sie immer wieder Streifzüge an die
Oberfläche, um aus den Ruinen alles von Wert zu stehlen, dessen sie habhaft
werden kann. Dabei muss sie immer wieder den Drachen des Königs trotzen, die
sich über jeden Menschen her machen, den sie finden. Eines Tages wird ihre
U-Bahn-Station von den Drachen angegriffen und ihr Bruder getötet. Beinahe wäre
es auch um sie geschehen, als plötzlich die Reiter des Schattens, Drachenreiter
mit magischen Fähigkeiten und Rebellen gegen den König, kommen und sie retten.
Denn auch sie ist ein Drachenblut und hat damit die magischen Fähigkeiten, die
sie zur Drachenreiterin prädestinieren. Trotz ihres Hasses auf Drachen schließt
sie sich den Reitern des Schattens an, um Rache zu nehmen für den Tod ihres
Bruders.
Das Buch hat auf jeden Fall seine Schwächen, es hat aber
auch absolut tolle Drachen, die vieles wieder rausreißen. Zudem ist das Buch
optisch eine Augenweide. Das Cover ziert ein wunderschönes Bild von Sira und
einem Drachen vor der Kulisse des zerstörten New York. Auch auf der Innenseite
des Covers findet sich ein tolles Bild eines Drachenreiters und seines Drachens.
Im Buch selbst findet man immer wieder klasse anzusehende Portraitzeichnungen von
verschiedenen Drachen. Also Drachen, Drachen und noch mal Drachen! Ist das
nicht toll?!
Der Klappentext verspricht eine Mischung aus Dystopie und
Fantasy, was an und für sich eine sehr bemerkenswerte Kombination ist, die auf
jeden Fall neugierig macht. Es erinnert zunächst ein wenig an den Film »Reign
of Fire«. Liest man dann, stellt man jedoch sehr schnell fest, dass mit
Dystopie hier eher wenig ist. Wir haben zwar zerstörte Großstädte, die uns sehr
vertraut vorkommen, dann hört es jedoch auf. Schwartz sagt nichts dazu und
macht nur Andeutungen, wie es dazu kam, dass die Welt zerstört wurde und für Menschen
ohne magische Fähigkeiten die Oberfläche unbewohnbar wurde. Das ist sehr
schade, denn das »Wie kam es dazu?« ist bei Dystopien meist ein sehr spannender
Aspekt. Liest man das Buch also als ganz normale High Fantasy, hat man
allerdings ein gutes Buch, das einiges Lesevergnügen bereitet.
Kurz: Das Setting passt nicht zur Handlung. Bleibt man in
der Analogie des Buches, müsste die Handlung irgendwann sehr weit in unserer Zukunft spielen. Betrachtet man Namen wie Nhor’garoth
in Hinblick auf unsere Sprachen der Welt, fragt man sich: Wie in drei Teufels
Namen soll dieser Name sprachgeschichtlich realistisch erklärbar und in einem
nicht völlig übertriebenen Zeitrahmen entstanden sein?! Auch das ist ein Indiz
dafür, dass das Buch vor allem als nette High Fantasy zu behandeln ist und
weniger als Mischung aus Fantasy und Dystopie.
Auch der Stil spricht dafür. Er erinnert sehr an den
getragenen Stil der üblichen Fantasy. Man hat zwar verschiedene Sprachebenen,
die vor allem die Drachenreiter (das Fantasy-Element mit ihrer gehobenen
Sprache) von den einfachen Menschen (der Dystopie-Teil mit der uns vertrauteren
Sprache) abgrenzen, letztere kommen aber vor allem am Anfang des Buches zu
Wort. Gerade da fällt der Kontrast auch besonders auf: Der gehobene Stil wirkt
eher wie gewollt als gekonnt und zu erzwungen. Vor allem die furchtbar lästige
Genitiv-Attribuierung fällt da ins Auge: Reiter der Schatten, Diebin der
Schatten, Reiter des Sturms und so weiter. Irgendwann gewöhnt man sich zwar ein
wenig daran, aber gerade zu Beginn ist das sehr störend.
Das Buch charakterisiert sich jedoch vor allem durch ein
Merkmal: Es ist Eragon 2.0. Nun war Eragon nicht die schlechteste Reihe, was
auch dieses Buch nicht unbedingt schlechter macht. Gelegentlich wäre ein wenig
mehr eigene Kreativität jedoch wünschenswert. Gerade in Bezug auf die Beziehung
von Reiter und Drache haben wir hier inhaltlich nahezu eins zu eins Eragon. Die
Magie des Reiters wird durch seinen Drachen verstärkt, und stirbt der eine,
geht auch der andere zugrunde. Kommt sehr bekannt vor, oder? Wie gesagt: Das
macht das Buch nicht zwingend schlechter, weil Paolini einige wirklich tolle
Ideen hatte. Wer jedoch auf mehr Eigenleistung plädiert, wird daran nicht
unbedingt seine Freude finden.
Nebst dem Stil ist das größte störende Element die fehlende
Erklärung einiger Dinge. Es ist immer wieder von »Schatten« die Rede, nach
denen sich die Drachenreiter sogar benennen. Aber es wird nie so wirklich klar,
was diese Schatten nun sind. Auch ist immer wieder die Rede von einem bösen
König, den es zu bekämpfen gilt. Erst am Ende wird er in einem Nebensatz als
»König der Welt« bezeichnet, wobei selbst hier fraglich ist, ob das nur wieder
eine weitere stilistische Floskel ist oder ob es wörtlich zu nehmen ist. Also:
Wer ist dieser König und welche Rolle spielt er in der Geschichte der Welt,
dass sie so wurde, wie sie ist? Gerade das spielt doch auch eine große Rolle,
weil die Motive der Charaktere aus ihrer Vergangenheit resultieren. Und gerade
die wird mitunter sträflich vernachlässigt, besonders wenn es um die globale
Historie statt um die Einzelschicksale geht.
Als kleines Bonbon nebst den schönen Zeichnungen gibt es
allerdings immer mal wieder Zitate von Goethe, Shakespeare und Rousseau.
»Schattenreiter« ist ein ambivalenter Auftakt der Reihe.
Optisch eine Augenweide, keine Frage, und wer Drachen mag, wird hier auf jeden
Fall auf seine Kosten kommen. Jedoch wird die Freude von so manch einem Mängel
gemindert. Die versprochene Dystopie gibt es nicht, dafür aber umso mehr solide
Fantasy. Einiges jedoch bleibt wortwörtlich im Schatten und entlässt den Leser
mit etlichen Fragezeichen nach über 700 Seiten feuriger Drachenaction.
Autor: Gesa Schwartz
Titel: Ära der Drachen: Schattenreiter
Original: Ära der Drachen: Schattenreiter
Sprache: Deutsch
Reihe: Band 1
Seiten: 734
Originalpreis: 19,99€
Verlag: Egmont Lyx
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3-7363-0186-3
Erscheinungsjahr: 2016
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Die Kommentarfunktion auf dem Blog ist abgestellt, um Spam zu vermeiden, aber auch, weil ich all der relativierenden "Ja, aber ...!"-Kommentare müde wurde, die sich mehr und mehr häuften, besonders bei Posts, die keine reinen Rezensionen waren. Ihr könnt mich immer noch über Twitter erreichen.
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.