Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Sonntag, 7. Mai 2023

Wir sind keine women lite! - Meine Gedanken zur Feminisitischen Buchwoche 2023

Die BücherFrauen rufen zur Feministischen Buchwoche vom 6. Bis 14. Mai 2023 auf. „Cool!“, denke ich. „Perfekte Gelegenheit, mal ein bisschen Aufmerksamkeit auf trans Literaturschaffende zu lenken.“

Falsch gedacht. Die Freude verpufft beinahe schon im ersten Satz des Posts der BücherFrauen. Darin wird die Aktion Frauen zählen referiert und auch sonst ist in dem Post ausschließlich die Rede von Autorinnen (nein, kein Gendersternchen). Und auch ein Blick auf die von den Organisatorinnen empfohlenen Bücher enthüllt eine ernüchternde Bilanz: Bei einer schnellen Recherche der Autorinnen habe ich genau eine trans Person, Felicia Ewert, gefunden, und das auch nur als Co-Autorin. Immerhin muss ich der Liste zugutehalten, dass sie einige PoC Personen beinhaltet. Dann hört es eigentlich auch schon auf.

Im Rahmen der Aktion gibt es mehrere Veranstaltungen, in denen es über Frauen in der Literatur und Literatur von Frauen geht sowie um Frauen im Genre. Frauen, Frauen, Frauen, Frauen. Durch die Bank weg alle cis.

Feminismus muss intersektional sein. Das heißt nicht nur, dass wir weißen auch mal Schwarzen die Bühne überlassen, weil wir ja gute Feminist*innen sein wollen /s Randnotiz: Intersektionaler Feminismus wurde von einer Schwarzen Frau, Kimberlé Crenshaw, ins Leben gerufen.

Intersektionaler Feminismus ist für alle da. Und liebe cis Frauen, das heißt auch, dass ihr manchmal auch zurücktreten sollet, ja sogar müsst. Ihr seid nicht die einzigen da draußen, die vom Patriarchat unsichtbar gemacht werden. Mit Aktionen wie diesen seid ihr selbst diejenigen, die weitaus marginalisierte Gruppen ebenfalls unsichtbar macht. Gratulation dazu, dass ihr selbst die Waffen des Patriarchats gegen andere richtet.

Eigentlich hätte ich gedacht, dass wir schon längst auf den Trichter gekommen sind, wie fehlgeleitet Aktionen wie Frauen zählen sind. Wir zählen also Leute und sortieren sie in binäre Gender anhand von Namen ein? Wo lande ich dann? Ich heiße immerhin Robin. Bei den ganzen cis Männern, zu denen ich ja nun gar nicht gehöre? Bei den cis Frauen? Wagt es ja nicht!

Trans und nichtbinäre Menschen stehen nahezu allein da in diesem Kampf um Sichtbarkeit. Wir werden durch Aktionen wie diese aktiv unsichtbar gemacht. Wie sollen wir wenigen da allein dagegen ankommen? Noch während ich diese Zeilen tippe, krieg ich den „gut gemeinten Ratschlag“, doch einfach selbst Empfehlungen zu posten. Die aber keine Sau interessieren wird, weil niemensch gewillt ist, trans und nichtbinären Literaturschaffenden Reichweite zu verschaffen.

Merkt ihr selbst, oder? Nicht? Schade.

Ich bin massiv enttäuscht von der Buchbubble, dass wir im Jahre 2023 noch immer diese ermüdende Diskussion führen müssen. Und dann heißt es gern einmal, dass trans und nichtbinäre Autor*innen mitgemeint seien. Ihr lieben cis Frauen seid dann auch beim generischen Maskulinum mitgemeint, oder wie? Und nichtbinäre Menschen sind women lite?

Holy fuck, geht mir weg damit.

„Feministisch lesen“ heißt also wieder einmal nur „wir lesen Zeug von cis Frauen. Aber he, wir sind immerhin intersektional, weil wir gaaaanz viele PoCs dabei haben!“ Indes stehen all die nichtbinären Menschen und trans Männer daneben und fragen sich, ob sie jemals eine Bühne erhalten dürfen und sich ebenso feiern lassen können, wie all diese cis Frauen, die sich für ganz toll halten. Oder ob wir doch lieber in den sauren Apfel beißen und uns misgendern lassen, indem wir uns leise, still und heimlich zu ihnen stellen.

“LBG with the T” und “Smash the cistem!” ins Twitterprofil zu schreiben, reicht eben nicht, so lange ihr es zu ein paar leeren Worthülsen verkommen lasst. Was ihr tut, wenn ihr trans und nichtbinäre Literaturschaffende wieder einmal so erfolgreich und konsequent unsichtbar macht. Wir haben ein Recht darauf, gesehen zu werden! Und wir haben ein Recht darauf, als das Gender gesehen zu werden, das wir haben. Das Patriarchat ist unser gemeinsamer Feind, ihr tut niemandem einen Gefallen, wenn wir dessen gewaltvolle Zweigenderillusion aufrecht erhaltet, trans Männer kategorisch ausschließt und nichtbinäre Menschen gar nicht erst wahrnehmt.

Nun gut, stimmt nicht ganz, dass ihr damit niemandem einen Gefallen tut. Das Patriarchat reibt sich nämlich genüsslich die Hände dabei. Glückwunsch.

Wisst ihr was? Lest lieber das hier (nur eine kleine Auswahl):

  • „Blutbuch“ von Kim de l’Horizon (dey, keine Pronomen)
  • „Die Zukunft ist nichtbinär“ von Lydia Meyer (keine Pronomen)
  • „Plastikefeu hält sich gut“ von Tristan Lánstad (er/ihn)
  • „Exit gender“ von Lann Hornscheidt (ex) & Lio Oppenländer (ex)
  • „Felix Ever After“ von Kacen Callender (they/them)
  • „Ich bin Linus” von Linus Griese (er/ihn)
  • „She Who Became The Sun“ von Shelley Parker-Chan (she/they)
  • „Undoing Gender” von Judith Butler (she/they)
  • So ziemlich jede Queer*Welten Ausgabe
Fals euch meine Arbeit gefällt, würde ich mich über einen kleinen Obolus bei BMC freuen :)

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