Ich bin, wie wahrscheinlich sehr viele meiner Generation, mit Eragon aufgewachsen. Die Romane sind nicht so gut gealtert, das gebe ich zu (die Nostalgie bleibt), daher war ich umso gespannter, wie Paolini in all der Zeit sein Schreiben weiterentwickelt hat, als er „To Sleep In A Sea Of Stars“ herausbrachte. Und dabei hat er sowohl die Zielgruppe (der Roman richtet sich an Erwachsene) als auch das Genre (hard science fiction) gewechselt!
Neue Welten zu untersuchen ist alles, wovon die junge Forscherin Kira Navarez jemals geträumt hat. Doch ein harmloser Auftrag auf einem fernen Planeten lässt Kiras Traum zum größten Albtraum der Menschheit werden:
Bei der abschließenden Untersuchung des Planeten, der in Kürze kolonialisiert werden soll, stürzt Kira in eine Felsspalte – und entdeckt etwas, das kein menschliches Auge zuvor erblickt hat. Es wird sie vollständig und für immer verwandeln.
Kira ist allein. Wir sind es nicht. Und wir müssen einen Weg finden, um zu überleben.
(Quelle: Verlagstext)
Der erste Band des Fractalverse liest sich in der Tat völlig anders als Eragon und ist damit nicht zu vergleichen, nur weil derselbe Autor draufsteht. Viel erwachsener und gereifter geht es dieses Mal in die tiefen Weiten des Weltalls. Wenn ich Science-Fiction lese, dann bevorzuge ich Erstkontaktgeschichten mit einer guten Basis auf Wissenschaft (und einer Prise Fiktion), und genau das liefert Paolini in seinem Roman.
Paolini macht sich Gedanken darum, wie FTL funktionieren kann und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Ich vermute mit meinem beschränkten physikalischen Wissen zwar, dass er sich dabei ein paar künstlerische Freiheiten herausgenommen hat, es fühlt sich jedoch stimmig an, und das ist es, worauf es für mich ankommt.
Das hat natürlich auch Auswirkungen darauf, wie ein interplanetarer Krieg aussehen kann und wie dann die Taktiken aussehen könnten, sodass es nicht nur stupides Laserfeuern ist wie bei Star Wars oder Star Trek (wobei das pew pew pew schon sehr ikonisch ist). Viel geht es aber auch darum, mehrere fremde Lebensformen zu verstehen und mit ihnen zu kommunizieren, damit sie sich gemeinsam gegen ihren Feind stellen und miteinander Frieden schließen können. Die Menschen in bester menschlicher Manier wollen natürlich mit Waffengewalt obsiegen, die Jellies hingehen sind von einem imperialistischen xenophobischen Gedanken getrieben unter der Knute ihres gottgleichen Herrschers, also gibt es weiterhin genügend Action.
Wobei ich sagen muss, dass Paolini es manchmal übertreibt. Es gibt ein paar sehr große, zentrale Kämpfe, in denen die Chancen für die Protas so schlecht aussehen, dass es mir unglaubwürdig erschien, dass sie es da irgendwie heil herausgeschafft haben.
Auf beiden Seiten gibt es Fraktionen, die verstehen, dass beiden Rassen ein Miteinander viel mehr nützt und der Krieg nur für beide zur Auslöschung führen würde. Besonders gegen Ende wird klar, dass der Knot of Mind, die mit den Menschen verbündeten Rebellen der Jellies, weitaus mehr ist als „nur“ Rebellen, die gegen ein autoritäres Regime aufbegehren, und für sie noch so viel mehr auf dem Spiel steht. Spätestens da hatten sie meine volle Sympathie (Itari einfach bestes Jelly!).
Der Roman hat so einige Seiten, braucht aber nicht lang, um spannend zu werden. Schon ziemlich früh findet Kira den Xenoorganismus, der später den Namen Soft Blade erhalten wird. Natürlich wollen alle erst einmal wissen, was das für ein Ding ist, da die Menschheit bisher nur einfaches extraterrestrisches Leben gefunden hat. Es wird aber gleichzeitig früh im Roman angedeutet, dass die Menschen vor einigen Jahren durchaus auf einem ihrer Planeten Ruinen einer alten, hochzivilisierten Gesellschaft gefunden haben. Sie wissen also, dass es noch andere hochintelligente Spezies gibt oder zumindest gab. Während Kira lernt, mit der Soft Blade umzugehen, und dabei mehr über deren Vergangenheit erfährt, beginnt eine interplanetare Schnitzeljagd nach uralten Relikten fremder Zivilisationen. Und genau so etwas liebe ich! Zu überlegen, ob es dort draußen noch andere wie uns gibt. Und wenn ja, wie sehen sie aus? Wie leben sie? Sind sie uns freundlich gesonnen oder nicht? Was können wir von ihnen lernen? Oder sie von uns?
Paolini beantwortet all diese Fragen und noch mehr. Ich persönlich halte Gerüche jetzt nicht für die sinnvollste Methode, komplexe Gedanken zu teilen als eine Form der Sprache, aber hey. Es ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, es gibt Tiere auf der Welt, die tatsächlich Gerüche benutzen, um Informationen zu teilen.
To Sleep in a Sea of Stars ist solide Science Fiction mit galaktischer Schnitzeljagd, vielen Geheimnissen in den Weiten des Weltalls und dem guten alten pew pew pew. Paolini hat sich damit definitiv von seinen Jugendromanen weiterentwickelt und gezeigt, dass er auch anders kann. Der erste Roman des Fractalverse ist in sich geschlossen, bietet aber definitiv noch Raum für mehr Geschichten.
Potenzielle Trigger:
- Gewalt gegen Menschen
- body horror
- Verlust von Angehörigen
- Krieg
- Verletzungen und Verstümmelungen
Werbung nach §6 TMG
Reiheninformation
Autor*in: Christopher Paolini
Titel: To Sleep In A Sea Of Stars
Sprache: Englisch
Umschlagsillustration: Lindy Martin
Reihe: Band 1
Seiten: 878
Originalpreis: $18.50
Verlag: Tor
Genre: Science-Fiction
ISBN: 978-1-250-79050-7
Erscheinungsjahr: 2020
Wenn euch meine Arbeit gefällt, würde ich mich über einen kleinen Obolus bei ko-fi freuen :)
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