Mittlerweile ist Mitternacht schon lange vorbei, ich las
soeben »Age of War« von Michael J. Sullivan aus und … ich vergoss eine Menge
Tränen dabei. Nicht nur metaphorische wohlgemerkt. Ich habe Rotz und Wasser
geheult. Und jetzt habe ich eine Menge Redebedarf. Denn normalerweise weine ich
nie beim Lesen. Überhaupt lasse ich mich nur sehr selten zu irgendeinem äußeren
Äquivalent einer Emotion beim Lesen hinreißen. Aber das hier muss jetzt einfach
raus. (Spoiler: Lest alles von diesem Autor!)
Persephone weiß, dass der Fane hinter ihr her ist. Nun ist
die Festung Alon Rhist die einzige Überlebenschance der Rhune, die sich selbst
Menschen nennen, doch die Festung ist noch immer Fest in der Hand der Fhrey.
Zum Glück sind Nyphron und seine Galantianer bei ihnen und Nyphron ist nach dem
Tod seines Vaters der rechtmäßige Fürst von Alon Rhist. Dieser weiß die schiere
Masse der Rhune geschickt einzusetzen, um die Besatzung von Alon Rhist davon zu
überzeugen, ihrem bisherigen, recht ungeliebten Anführer den Rücken zu kehren
und zu Nyphron überzulaufen – der die Festung in die Hände des Keenig der Rhune
übergibt, Persephone. Innerhalb der schützenden Mauern der Fhrey-Festung können
sie mit Unterstützung der dortigen Schmieden dringend benötigte Waffen und
Rüstungen schmieden, um gegen die Armee des Königs der Fhrey, die die Menschen
Elben nennen, zu bestehen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Und ob Waffen,
selbst wenn sie aus Eisen sind, gegen die Kunst genannte Magie der Fhrey
bestehen können? Persephone weiß, dass das Überleben der gesamten menschlichen
Rasse auf dem Spiel steht.
Dieser Roman hat mir das Herz aus der Brust gerissen und es
vor meinen Augen in Stücke zerfetzt. Wie kann eine Geschichte gleichzeitig so
wunderbar erzählt und so grausam sein? Was ich bisher so sehr an den Legends
schätzte, findet sich auch hier und wird noch einmal getoppt.
Sullivan hat ein Händchen für starke und komplexe
Frauenfiguren. In seiner ersten Riyria Reihe gab es diese ebenso, aber noch in
etwas geringer Zahl. Hier jedoch sind es vor allem die Frauen, die mit
gemeinsamer Kraft das Unmögliche möglich machen. Weniger mit reiner
Körperkraft, als vielmehr mit Köpfchen. Roan zum Beispiel ist solch ein
wunderbarer Mensch. Sie ist so unglaublich kreativ und begabt und schafft so
viele wundervolle Dinge allein aus der Kraft ihrer Imagination heraus. (Wenn
sie in den Folgebänden kein Cenzylor wird, weiß ich auch nicht!)
Und gleichzeitig hat sie solch ein grausames Schicksal
erlitten. Sie ist schwer traumatisiert worden, da sie in Sklaverei geboren
wurde und von ihrem Besitzer sowohl körperlich als auch emotional schwer missbraucht
wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt plagen sie Selbsthass und Schuldgefühle, weil
sie ihren Täter umbrachte. Übrigens durchaus und leider normal für
Missbrauchsopfer, diesen Effekt nennt man am Rande erwähnt Täterintrojekt. Wenn
alle ihren Täter sympathisch finden, er sie aber schlägt und sie einen Fluch
nennt, dann muss er doch recht haben, oder? Dann muss da doch etwas dran sein?
Gedankengänge, die sie auch Jahre später in Folge ihrer PTBS noch plagen.
Und sie ist nur eine von vielen. Was ist mit Persephone
selbst, deren unglaublich starker Wille sie dazu ermächtigte, der Keenig aller
Clans der Rhune zu werden. Sie als Frau inmitten von Männern! Sie war es
immerhin, die begann, mit Köpfchen statt mit Muskelkraft gegen die Fhrey
vorzugehen, denn nur so können sich die Menschen überhaupt gegen eine scheinbar
überlegene Rasse behaupten.
Jeder der Charaktere fühlt sich einfach so echt an, und
gerade das ist es, was den Leser so unglaublich mitreißt. Die Menschen kämpfen
auf scheinbar verlorenem Posten, und in ihrem Kampf um ihr Überleben müssen sie
alle so viel opfern. Persephone als Keenig gelingt es zwar, dass die Clans mehr
oder weniger vereint an ein und demselben Strang ziehen, aber nicht einmal das
scheint zu reichen. Nicht einmal das und die Unterstützung der Galantianer und
der Meisterkünstlerin Arion von den Fhrey. So sehr einem die Charaktere ans
Herz gewachsen sind mit all ihrem Leid, das sie bereits durchgemacht haben,
umso mehr schmerz es dann, wenn sie scheinbar immer noch nicht genug gelitten
haben.
Und dann gibt es noch den Krüppel Gifford, der in seinem
Leben scheinbar zu nichts weiter nütze zu sein scheint, als ein weiterer Mund,
der gefüttert werden muss, ohne selbst etwas dafür leisten zu können. Dass er
vielleicht am Ende als Ritter in scheinender Rüstung alle retten könnte, hätte
wohl keiner gedacht.
Das ist es, was ich an dieser Reihe so liebe. Die Helden der
Geschichte sind die, von denen man es am wenigsten erwartet: Egal, was einen
zurückhalten mag, mag es ein grausames Trauma sein, das man mit eigener
Kreativität zu verarbeiten versucht, oder eine körperliche Behinderung, derer
zum Trotz man das Unmögliche schafft, irgendwie schaffen es diese Leute
dennoch, ihren steinigen Weg zu beschreiten, um am Ende den Erfolg zu ernten.
Auch wenn auch dieser seinen Preis hat.
Also: Unbedingt lesen. Wir haben großartige Helden, mental
diversity, körperliche Behinderung und eine Menge Leute, die zeigen, dass all
das uns nicht fesselt und wir dennoch Großes erreichen können. Das macht Mut.
Mögliche Trigger
- Trauma und PTBS
- Gewalt gegen Menschen (und menschenähnliche Wesen)
- Sklaverei bzw. deren Folgen
- Vergewaltigung und körperlicher und emotionaler Missbrauch
in Retrospektive
- Diskriminierung von körperlicher Behinderung
- verbale Beleidigung
- Mord und versuchter Mord
- Rassismus (Fhrey gegenüber Menschen)
Werbung nach §6 TMG
Reiheninformation
Autor*in: Michael J. Sullivan
Titel: Legends of the First Empire: Age of War
Umschlagsillustration: Marc Simonetti
Sprache: Englisch
Reihe: Band 3
Seiten: 393
Originalpreis: 28.00$
Verlag: Del Rey
Genre: Fantasy
ISBN: 978-1-101-96539-9
Erscheinungsjahr: 2018
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