Die Götter der alten Welt sind tot und nun nehmen neue ihren
Platz in unserer Welt ein und ringen um die Anbetung durch die Menschen. Neil
Gaiman widmet sich in seinem Roman »American Gods« einem ausgesprochen aktuellen
Thema, das bei weitem nicht nur Amerika betrifft.
Shadow hat nichts mehr. Als er aus dem Gefängnis entlassen
wird, erfährt er, dass wenige Tage zuvor seine Frau bei einem Autounfall ums
Leben kam. Seinen alten Job kann er ebenso wenig zurück haben und in seiner
Heimat ist er auch nicht mehr wirklich willkommen. Da begegnet ihm der
schlitzäugige Mr Wednesday und bietet ihm an, für sich zu arbeiten.
Hauptsächlich als Fahrer, vielleicht auch dem einen oder anderen Typen eins
überziehen. Da Shadow ohnehin keine Alternativen mehr im Leben hat, nimmt er
nach einigem Zögern an. Und ahnt nicht, dass er in einen Krieg der Götter
hineingeraten ist.
Eine Gangstergeschichte der etwas anderen Art, mit viel Witz
und Scharfsinn erzählt. Die Namen der Protagonisten sind Programm und wer
aufmerksam liest, wird so einiges erfahren. Shadow bleibt den ganzen Roman über
dem Leser, obgleich er der Hauptprotagonist ist, sehr schattenhaft. Wir
erfahren relativ wenig über ihn als Person, seine Gedanken und Gefühle und
seine Geschichte. Das hat so einigen Reiz, weil es viel Spielraum für eigene
Gedanken und Ideen lässt.
Mr Wednesday ist die zweite zentrale Figur des Ganzen, und
wer weiß, wie die Etymologie des Wortes Wednesday lautet, der kann sich bereits
denken, um wen es sich hier eigentlich handelt. Er ist ein schlitzohriger
Gauner durch und durch, der Shadow lange Zeit im Unklaren lässt, worum es hier
eigentlich geht. Auch wenn er so eine zwielichtige Gestalt ist, ist er doch ein
ausgesprochen unterhaltsamer Charakter, der auf seine Weise ziemlich amüsant ist,
wenn er mal wieder eine neue Gaunerei plant.
Das Buch ist ziemlich vielschichtig, was man schon allein an
den Namen sieht. Sicher lohnt es sich hier, das Buch mehrmals zu lesen, um
wirklich alle Aspekte des Buchs zu erfassen.
Eine Stelle blieb mir besonders im Gedächtnis. Da ich das
Bibliotheksbuch mittlerweile wieder zurückbrachte und mir die Stelle nicht
notierte, kann ich es nicht sinngemäß zitieren. Aber sie ging ungefähr so: »Die
modernen Altäre sind Fernseher und Internet, und unsere Opfergaben zumeist
unsere eigene Lebenszeit.« Und das ist die Kernaussage des Romans. Die alten
Götter Odin und Loki und all die anderen kämpfen mit den neuen Göttern um die
Vorherrschaft im Glauben der Menschen, während wir endlose Stunden vor dem
Fernseher (und mittlerweile auch Internet, Erstveröffentlichung war 2001)
hängen und Zeit verplempern.
Das Buch hat so einige unheimlich komische und spannende
Stellen, leider jedoch in der Mitte so seine Längen, die mich nicht wirklich
fesseln konnten. Wiederum sehr gut gefiel mir die Idee der »Coming to
America«-Kapitel, die immer wieder in die Erzählung eingestreut sind. Darin
wird berichtet, wie die Menschen der alten Welt nach Amerika kamen und dabei
ihre Götter mitbrachten. Diese Kapitel sind immer ein Innehalten von der großen
Erzählung, ein kleines Atemholen, und bauen zugleich die Welt weiter aus.
Auch wenn das Buch ein sehr amerikanisches ist, ein
Roadtripp quer durch die Staaten, damit Mr Wednesday seine Gaunereien abziehen
kann, so ist das Buch doch gleichzeitig keinesfalls nur amerikanisch. Die
Aussage gilt für uns alle gleichermaßen, dass wir vielleicht nicht so viel Zeit
oder was auch immer wem auch immer opfern sollten.
Autor: Neil Gaiman
Titel: American Gods
Sprache: Deutsch
Übersetzung: Hannes Riffel
Umschlagillustration: Elm Haßfurth
Reihe: Nein
Seiten: 672
Originalpreis: 14,00€
Verlag: Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3-8479-0587-5
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