Wer träumt nicht davon, einen leibhaftigen Drachen
erforschen zu dürfen? Marie Brennan nimmt ihre Leser zusammen mit Lady Trent in
»A Natural History of Dragons« auf eine abenteuerliche Reise hinaus aus dem
viktorianischen Heim einer jungen Dame und mitten hinein in ein wildes
Abenteuer voller Drachen.
Isabella ist ein aufgewecktes Mädchen – für ein Mädchen
ihres Standes etwas zu aufgeweckt. Eine tote Taube auszuweiden, um zu sehen,
was in ihr drin ist, gehört sich einfach nicht, erst recht nicht für eine
Tochter eines feinen Hauses. Isabella hat eine Leidenschaft für Flügel,
besonders für Drachenflügel und überhaupt für Drachen an sich, doch sich mit
Naturkunde zu befassen, wird als nicht angemessen für eine junge Dame
angesehen. Isabella hat jedoch Glück, dass ihr Vater sie an einen nachsichtigen
Ehemann, Jacob Camherst, verheiratet. Sie ist umso glücklicher, als Jacob ihr
erlaubt, ihn mit auf eine Expedition in Drachengebiet zu begleiten. Sie
erwartet ein großes Abenteuer, ahnt jedoch nicht, wie groß dieses Abenteuer
wirklich wird und welche Bedeutung ihre Entdeckungen haben werden.
Das Buch ist geschrieben, als sei es ein tatsächliches
Memoir der mittlerweile alternden Lady Trent, die auf ihr Leben zurückblickt.
Der erste Teil der Reihe »A Natural History of Dragons« schaut auf ihre jungen
Jahre und die Wurzeln ihrer Reputation als bedeutende Drachenforscherin zurück.
Der Stil des Memoirs ist daher vielleicht etwas eigen, aber gerade das lässt
das Buch aus der Masse an Fantasy herausstechen: Es ist einmal etwas
erfrischend Anderes.
Das bringt lediglich den Nachteil mit sich, dass einige der
Charaktere und die Beziehung zwischen einigen Charakteren hinten über fallen.
Lady Trents Fokus liegt eben auf ihrer Entwicklung als Drachenforscherin, worin
ihre Familie bis auf ihren Vater, der sie an einen nachsichtigen Ehemann
verheiratete, anscheinend keine große Rolle spielte. Daher fehlt so ein wenig
die Dynamik zwischen Tochter und Eltern. Auch die Entwicklung ihrer Beziehung
zu Jacob, ihrem Ehemann, bleibt eher blass und lässt sich nur erahnen.
Dafür bekommen wir ein sehr genaues Bild von Lady Trent. Sie
ist ein wirklich bemerkenswerter Mensch. Der Roman spielt in einer komplett
erdachten Welt, jedoch mit viktorianischen Anlehnungen vor allem in der Kultur
der Menschen. So ist es für die junge Isabella zum Beispiel ganz und gar nicht
angebracht, sich für Naturwissenschaften zu interessieren. Das tut sie jedoch
mit einer solchen Leidenschaft, dass auch ihrem Vater klar wird, dass ihr das
nicht auszutreiben ist, ohne ihr jegliche Lebensfreude zu nehmen. Isabella
schafft es jedoch, sich in einer Gesellschaft durchzusetzen, die ihr mehr
»weibliche« Beschäftigungsfelder vorschreiben will, in denen sie jedoch
größtenteils keine Freude findet. Trotz allem gesellschaftlichen Druck schafft
sie es sich durchzusetzen und kommt schließlich an ihre Drachen und damit zur
Erfüllung ihres Lebenstraumes. Zudem kann sie dabei auch noch mit ihrem
Intellekt beeindrucken und sich somit in gewissen Kreisen eine kleine
Reputation aufbauen.
Überhaupt ist Isabella ein faszinierender Charakter. Es ist
eben doch nicht normal, mit neun Jahren auf die Idee zu kommen, eine tote Taube
zu sezieren. Mich haben in diesem Alter zwar im Fernsehen auch fast nur die
Naturdokus interessiert, dennoch wäre ich entgegen Isabella nicht auf die Idee
gekommen, mich mit Fachliteratur zu diesem Themenfeld zu beschäftigen – oder
eben tote Tiere aufzuschneiden, um zu sehen, was drin ist. Das macht Isabella
zu einem ungewöhnlichen Charakter, der immer wieder mit seinem Umfeld und
dessen gesellschaftlichen Normen in einem Spannungsfeld steht. Zu sehen, wie
sie damit umgeht und die Situation zu ihrem Besseren wenden will, ist
faszinierend.
Isabella erinnert an Shallan aus Brandon Sandersons
Stormlight Archive – wenn auch mit dem Unterschied, dass dort die
Wissenschaften ein nahezu ausschließlich weibliches Beschäftigungsgebiet ist
und sich Shallan da nicht erst gegen diese Art von gesellschaftlichen Normen
stemmen muss. Trotzdem: Beide sind starke, durchsetzungsfähige junge Frauen,
die einen außergewöhnlichen Intellekt besitzen und sich gegen alle Widrigkeiten
durchbeißen können.
Auch wenn das Buch als Memoir geschrieben ist, so ist es
doch ein waschechter Abenteuerroman. Auf in den wilden Westen! Nur eben mit Drachen.
Das Buch macht viel Spaß beim Lesen und bietet eine Menge Kurzweil. Hinzu kommt
der naturwissenschaftliche Aspekt, der in dieser Reihe ein zentrales Motiv ist.
Wir erfahren viele Details über die Drachen, vor allem die rock-wyrms, die in
diesem Buch im Fokus stehen; ein Exemplar dieser Rasse ist auch auf dem Cover abgebildet.
Die vielen Details beeindrucken sehr.
Als i-Tüpfelchen obendrauf ist das Design des Buches ein
echter Hingucker. Nicht nur das Cover sieht umwerfend aus, auch im Buch selbst
gibt es einige wirklich gelungene und sehenswerte Illustrationen von
Örtlichkeiten und vor allem Drachen, die im Buch auftauchen.
Alles in allem ist das Buch eine ausgesprochene Empfehlung
für alle Liebhaber der Fantasy und vor allem für die, die endlich mal wieder
einen vernünftigen Drachen-Roman lesen wollen. Eine starke Frauenfigur,
Abenteuer satt und Drachen obendrauf. Was will man mehr?
Autor: Marie Brennan
Titel: The Memoirs of Lady Trent: A Natural History of
Dragons
Sprache: Englisch
Umschlag- und Innenillustration: Tedd Lockwood, Rhys Davies
Reihe: Band 1
Seiten: 351
Originalpreis: £7.99
Verlag: Titan Books
Genre: Fantasy
ISBN: 978-1-783292400
Erscheinungsjahr: 2014
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Hi!
AntwortenLöschenSchön dass es dir auch so gut gefallen hat. Es ist ja doch sehr ungewöhnlich, aber gerade deshalb fand ich es auch so toll :) Freu mich schon auf den nächsten Band!
Liebste Grüße, Aleshanee
Auf Englisch sind ja zum Glück schon alle erschienen <3
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