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Die Vorstellung einer Alieninvasion beschäftigt die
Menschheitsgeschichte seit vielen Jahren, seit »Krieg der Welten« wurden
unzählige Szenarien durchgespielt. Manche sind weniger sinnvoll (ich sag nur
»Independence Day«) andere mehr (»Arrival«!). Nun reiht sich auch der
chinesische Autor Cixin Liu mit »Die Drei Sonnen«, Auftakt seiner »Remembrance
of Earth’s Past«-Trilogie dort ein. Erzählt wird eine ganz klassische
Erstkontakt-Geschichte. Aber eine, die es in sich hat!
Die Wissenschaftlerin Ye Wenjie wird in den Wogen der
chinesischen Kulturrevolution auf die entlegene Astrostation Roter Horizont
gespült. Dort soll sie zunächst nur einfache technische Aufgaben übernehmen,
doch bald wird sie unersetzlich und lebt sich gut in ihrem politisch auferlegten
Exil ein. Tag für Tag lauscht sie in die unendlichen Weiten des Alls. Bis sie
eines Tages eine Botschaft empfängt und eine verhängnisvolle Antwort schickt.
Fünfzig Jahre später gerät der Nanowissenschaftler Wang Miao unversehens in
eine Terrorgruppe, die die Menschheit von einer fremden Zivilisation
ausgelöscht sehen will.
Ich hatte bedingt durch den ungewohnten kulturellen
Hintergrund Probleme, mir die ganzen Namen zu merken. Und das war es eigentlich
auch schon, was ich zu »kritisieren« habe an diesem Buch. Es ist eine
unbedingte Empfehlung und hat mich völlig unerwartet total umgehauen!
Es entwickelt sich, muss man sagen. Anfangs war ich noch
etwas skeptisch, was nun die ganze Geschichte mit Ye Wenjies Verbannung und
politischer Brandmarkung mit der Handlung zu tun hat. Auch wenn es durchaus
interessant war, davon zu lesen, da wir nicht nur einen ausgesprochen
fundierten Science Fiction Roman haben, sondern auch noch einen, der durch
fernöstliche Augen blickt und vor diesem Hintergrund spielt. Das hat man
wirklich nicht alle Tage und war sehr erfrischend.
Was man auch vor dem Lesen wissen sollte, ist, dass der
Roman Hard SciFi ist, sprich sehr technisch und wissenschaftlich. Es werden
zahlreiche wissenschaftliche Theorien und Techniken angesprochen, aber gut und
verständlich erklärt, wenn man beim Lesen ein wenig seinen eigenen Grips
bemüht. So zum Beispiel das namensgebende Dreikörperproblem, das den Fall
beschreibt, dass es unmöglich ist, die Bahn drei gleicher sich umkreisender
Körper Bahn zu berechnen. Oder auch der
Materie-Antimaterie-Annihilationsantrieb, der, soweit ich weiß, momentan als
einzig sinnvoller Antrieb angesehen wird, um in der bemannten Raumfahrt weite
Strecken im All zurückzulegen. Man lernt auf jeden Fall eine Menge aus dem Roman!
Hinzu kommt der Anhang, der noch einmal kurz die zentralen wissenschaftlichen
und kulturellen Begriffe im Roman erläutert und auch einen kleinen Führer für
die chinesische Aussprache der Namen mitgibt. Sehr löblich das alles!
Wie gesagt entwickelt sich der Roman nach und nach. Anfangs
war ich skeptisch, doch dann kam das VR-Spiel Three Body ins Spiel und
plötzlich hatte mich der Roman. Ganz aus Versehen war er innerhalb eines Tages
ausgelesen. Es ist zunächst nicht ersichtlich, wie dieses Spiel mit der Handlung
in Beziehung steht, aber wenn das erst einmal geschieht, ja dann …!
Ich erachte das Szenario, das Cixin Liu beschreibt, als sehr
realistisch (unter der Annahme, dass es intelligentes Leben im All gibt), was
mich auch dazu anregte, mehr zu dieser Thematik zu lesen; anscheinend gibt es
tatsächlich wissenschaftliche Texte, die sich mit einem Erstkontaktszenario
auseinandersetzen. Was ich bei solchen Geschichten häufig zu bemängeln habe,
ist folgendes: Plötzlich parkt da ein Alienschiff in der Umlaufbahn unseres
Planeten und greift Amerika an (weil der Rest der Welt nicht existent ist für
Amerikaner). Die Menschen wehren sich und schlagen eine technologisch weit
überlegene Rasse zurück. Denn eine Rasse, die den Weltraum durchqueren kann,
ist uns ohne Frage weit überlegen. Eines der Dinge, die ich aus dem Buch
lernte, ist folgendes: Die nach Nikolai Semjonowitsch Kardaschow benannte
Kardaschow-Skala teilt außerirdische Zivilisationen danach ein, inwiefern sie
in der Lage sind, die Energie ihres Planeten zu nutzen. Derzeit kann die
Menschheit gerade mal 70% der Energie der Erde erreichen und ist damit nicht
einmal eine Typ-I-Zivilisation. Dass wir jetzt eine Alieninvasion
zurückschlagen können, ist ein unmögliches Szenario.
Entweder macht man es wie in »Arrival« und geht von
friedlichen Absichten der Aliens aus … oder wie Cixin Liu und beachtet, dass
Reisen durch den Raum so ihre Zeit benötigen. Die Menschheit erfährt vom Nahen
der fremden Zivilisation und von deren feindlichen Absichten schon 450 Jahre vor
deren tatsächlicher Ankunft. Mit unserem derzeitigen technischen Fortschritt ist
es also möglich, in dieser Zeit ein Abwehrsystem zu entwickeln. Das wissen
übrigens auch die Trisolarier, also die Alieninvasoren …
Als einen sehr findigen Kniff empfand ich auch, dass wir
schon im ersten Band einen Einblick in die Kultur der Trisolarier erhalten
durch das, was sie der Erde an Informationen funken. So sehen wir zwar, wie es
auf ihrem Planeten aussieht und wie ihre Kultur in Grundzügen gestaltet ist,
aber trotz allem bekommen wir keinen Einblick in ihre Physiognomie. Das übt
einen ziemlich großen Reiz aus.
Ein weiterer faszinierender Aspekt des Buches ist das
VR-Spiel Three Body. Wang Miao, einem der Spieler, wird schnell klar, dass hier
das Dreikörperproblem simuliert wird. Das Spiel visualisiert auf eine sehr
eindrucksvolle Weise, wie eine Welt, die unter dem Einfluss des
Dreikörperproblems steht, aussehen könnte und welche Untergangsszenarien
auftreten können.
Also alles in allem eine unbedingte Empfehlung und ein Muss
für jeden Genrefan! Auch jene, die mit dem wissenschaftlichen Aspekt nicht so
viel anfangen können, sollten einen Griff zu diesem Buch überlegen, denn, wie
gesagt, ist alles gut verständlich erklärt, und es gibt einen nützlichen
Anhang.
Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
Autor: Cixin Liu
Titel: Die Drei Sonnen
Sprache: Deutsch
Übersetzung: Martina Hasse
Original: 三体
Umschlagillustration: Stephan Martinière
Reihe: Band 1
Seiten: 593
Originalpreis: 14,99€
Verlag: Heyne
Genre: Science Fiction
ISBN: 978-3-641-17307-4
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