Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Samstag, 1. September 2018

#Buchshit Blogtour: Warum ich gern Trash lese anhand des Fallbeispiels der Welt von Ardeen


Heute beginnt meine Buchshit Blogtour, eine Blogtour mit vielen tollen Teilnehmern, die sich alle mit dem Thema grausiger Literatur beschäftigen werden. Ich habe den Teilnehmern freigestellt, wie sie ihren Beitrag gestalten wollen, daher werden euch hoffentlich einige schöne Überraschungen erwarten. Wenn ihr noch einmal nachlesen wollt, was genau es mit der Blogtour auf sich hat und wer alles teilnimmt, könnt ihr diesemLink folgen.

Ich eröffne die Runde mit der Antwort auf die Frage, warum ich denn überhaupt gern hin und wieder ein schlechtes Buch lese. Dafür nehme ich mir als Fallbeispiel meine Lieblingstrashreihe Ardeen der Autorin Sigrid Kraft. Gelesen habe ich bisher Band 1-3, erschienen sind bisher 9 Bände und einige Einzelbände, die man unabhängig von der Hauptreihe lesen kann. In der Reihe geht es kurz gesagt um den jungen Eryn, der eigentlich überhaupt nichts mit Magie am Hut hat, dann aber doch und damit beginnt die literarische Katastrophe.

Ich muss zugeben, dass die Reihe nicht nach dem üblichen Trash klingt, den man so auf Amazon findet (nicht so wie ein gewisses schwarzes Einhorn … fragt nicht). Aber wer bunte Schrift für eine gute Idee hält, um gedankliche Rede wiederzugeben, nun ja … Und nein, da steht dann nicht etwa »›…‹, dachte XY.« Nein, die gedankliche Rede ist einfach nur in Farbe wiedergegeben, und der Leser darf dann gefälligst selbst erraten, welcher Charakter in welcher Farbe denkt. Nun, dazu gleich mehr, erst einmal zur Eingangsfrage. Also: Warum lese ich gern Trash?


Nun, zum einen macht das Lesen von Trash vor allem in einer Gruppe Spaß. Kommt schon, wer lästert nicht hin und wieder gern einmal? Sich gemeinsam über völlig absurden Quatsch zu beömmeln, hat schon immer am meisten Freude gemacht. Geteilte Freude ist doppelte Freude und so. Die Literatur bringt manchmal wirklich herrlich schräge Formulierungen hervor. Desasterotik ist ein wunderbarer Kanal dafür. Die Freude hört freilich da auf, wo es persönlich wird, das ist klar. Aber so ein Text lebt nicht und hat keine Emotionen, der kann nicht beleidigt sein.

Der zweite Grund hat durchaus ein klein wenig egoistische Züge. Ich schreibe selbst literarische Texte. Wenn ich dann sehe, was es teilweise sogar in die Verlage schafft und auf Amazon in die Selfpublisher-Ecke erst recht, dann pusht das schon mein Ego, wenn ich mir sagen kann, dass ich diese Qualität auf jeden Fall erreiche und eigentlich sogar besser schreibe.

Und zu guter Letzt, und darum soll es sich hier hautsächlich drehen, kann ich aus schlechter Literatur eine Menge für mein eigenes Schreiben lernen. Natürlich hilft es auf der einen Seite zu schauen, warum mir in Romanen dieses oder jenes so sehr gefallen hat und wie der Autor/die Autorin das genau gemacht hat. Auf der anderen Seite ist es aber genauso hilfreich zu schauen, warum mir etwas nicht gefallen hat und wie ich es besser machen könnte.

Nehmen wir das eingangs beschriebene Beispiel, dass in den ersten drei Bänden der Ardeen-Reihe, und ich nehme an, dass sich das fortsetzt, gedankliche Rede ausschließlich durch Farbe wiedergegeben wurde. Die Autorin meinte einmal (es war entweder ihre Facebook-Seite oder ihre Webseite), dass es sie stören würde, wenn im Fließtext eine Form von »›…‹, dachte XY« stehe, weshalb sie gedankliche Rede und wem sie zuzuordnen sei durch unterschiedlich farbigen Text wiedergibt.

Das Problem, das sich dadurch ergibt: Ich habe die ersten drei Romane noch auf meiner Kindle App für mein Handy gelesen, welches einen 5“ Bildschirm besitzt. Auf diesem vergleichsweise kleinen Bildschirm waren teils drei Farben für gedankliche Rede zu sehen. Drei! Als hätte jemand den Text in einen Farbeimer getunkt! Wenn ich das jetzt auf meinem Kindle E-Reader lese, habe ich keine Chance, das auseinanderzuhalten, weil der nicht einmal Farbe widergeben kann! Der ist schwarz-weiß. Ich habe schon im ersten Semester Germanistik gelernt, dass ein guter Text sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass der Leser möglichst wenig Energie auf das Erfassen des Textes und seines Inhaltes verwenden muss, um dafür mehr Energie für die Verarbeitung der im Text enthaltenen Informationen freizuhaben. Die Farbe macht nun, dass ich zum einen erst einmal überlegen muss, wer welche Farbe nun besitzt, und mir das zum anderen auch noch merken muss. Viel zu viel Aufwand, kein flüssiges Lesen möglich! Mit einem schwarz-weiß Bildschirm natürlich völlig unmöglich.

Ich halte diese Idee also für völligen Schwachsinn. Bitte nicht nachahmen.

Etwas, das schon zu Beginn des ersten Bandes auffällt, und sich wie ein roter Faden durchzieht, ist die Sprache. Nun, die eher nicht vorhandene, sagen wir so. Wir haben zwar auf der einen Seite eine völlig überladene Sprache, die den Leser zuballert mit wunderschönen Wortmonstren wie »grüne Riesen« (man nennt diese Dinger im Allgemeinen »Baum«, ein sehr schönes und treffendes Wort, das keinerlei Umschreibung benötigt, da jeder weiß, wie ein Baum aussieht). Auf der anderen Seite wird um’s Verrecken nichts wirklich bildhaft beschrieben. Das ist durchaus eine Kunst für sich, diese beiden Aspekte so zu verbinden, dass einfach nichts beim Leser ankommt.

Die Kunst bei der Literatur ist es, mit Worten Bilder zu erschaffen. Das ist sogar eine ganz außergewöhnliche und bemerkenswerte Kunst, weil sie allein durch Druckerschwärze und Schrift so direkt auf unser Hirn einwirkt. Ein Hoch auf jenen, der diese Kunst beherrscht. Die einzigen Bilder, die diese Romanreihe in mir auslöst, ist, wie ich meinen Kindle das Klo hinunterspüle, aber dafür ist mir das Gerät dann doch zu teuer. (Ich bitte stattdessen meine Freunde von der ReziMafia, mir das Buch einzubetonieren und im Fluss zu versenken.)

Wir finden übrigens statt atmosphärisch geschriebenen Szenen von der Autorin gezeichnete Bilder in den Romanen. Die Zeichnungen sind durchaus nicht die schlechtesten, aber eine Zeichnung sollte nicht die Beschreibung ersetzen. Wer nicht mit Worten das zum Leser transportieren kann, was er ausdrücken will, sondern auf Bilder zurückgreifen muss, sollte seine Schriebe vielleicht noch einmal sehr gründlich durchdenken.

Oh, erwähnte ich bisher schon einmal Pappe? Nein? Dann jetzt. Die Figuren sind Pappe.  Sie werden plakativ und überzogen dargestellt und zeichnen sich eigentlich nur durch wenige stereotype Eigenschaften aus. Die Guten sind rechtschaffen und ohne Fehl und die Gegenspieler, also die Bösen, sind alle boshaft und grausam. Das macht die Charaktere unglaubwürdig und unmenschlich. Kein Mensch ist so einseitig, jeder hat ganz viele Seiten in sich, die mal hier, mal da zum Ausdruck kommen. Es ist für den Leser wichtig, dass er sich mit den Charakteren identifizieren kann oder zumindest nachvollziehen kann, warum sie so oder so handeln und denken, auch wenn er das vielleicht nicht unbedingt teilt, weil eine Geschichte nun einmal von ihren Charakteren lebt, die diese Geschichte schreiben. Wenn das nicht gegeben ist, weil die Charaktere schlicht keine Menschen sondern flache Pappaufsteller sind, wieso soll ich Freude an der Geschichte empfinden?

Stichwort Emotionen. Menschen haben Emotionen und emotionale Bedürfnisse, die ihr treibender Motor sind. Wenn nichts beschrieben wird in diesen Romanen, wo sind da die Emotionen, die die Charaktere haben müssen? Sind sie etwa nur Maschinen? Selbst Wendepunkte im emotionalen Leben der Charaktere wie zum Beispiel Eryns Entjungferung oder sogar eine Vergewaltigung werden in wenigen knappen Sätzen abgefrühstückt, ohne dass auch nur im Entferntesten auf die Emotionen der betreffenden Charaktere in dieser Situation eingegangen wird. Da ist nichts, das der Leser nachspüren könnte. Soll ich es mir selbst denken? Nein! Ich will nicht denken, ich will fühlen! Darum geht es doch beim Lesen: um Emotionen.

Literatur schafft Welten und das ist überhaupt das Wunderbarste an ihr. Leiter schafft diese spezielle Literatur keine Welt und das ist sehr traurig. Das zentrale Element des Weltenbaus sind die zwölf Kreise der Magie, also zwölf verschiedene Schulen der Magie. Das … wow … war ja noch nie da gewesen, die Idee … zzzzzZZZZZZZZZZZZZ. Und nun ja, das war irgendwie alles, was man so Nennenswertes zu der Welt von Ardeen sagen könnte. Gut, Eryn entstammt einem Menschenschlag, die Magie verteufeln und auf die andere Menschenvölker meist mit Verachtung als »die Wilden« herabsehen, aber das spielt effektiv keinerlei Rolle in der Erzählung. Das existiert da halt so herum und ist halt da, obwohl es für Eryn, der mitten in eine Gesellschaft voller Magie geworfen wird, eine gigantische Rolle spielen müsste. Applaus für das Scheitern des Weltenbaus. Die Welt fällt mit gloriosem Getöse ins Nichts.

Und bitte: Lasst eure Texte vernünftig lektorieren. Auch das erleichtert euren Lesern den Zugang zu eurem Text. Es ist in eurem Interesse, wenn ihr Dinge wie diese hier vermeidet (die sich alle in den ersten drei Teilen der Ardeen-Reihe finden lassen):
- Fettgedruckt, unterstrichen
- Leerzeilen statt Absätze (und das auch noch nicht einmal konsequent)
- Capslock
- Wortwiederholungen
- Satzzeichen, welche im Rudel auftauchen (will explizit heißen: !!! und andere)
- Wechsel der Schriftgröße
- Wiederholte Trennungsfehler

Oh, und setzt bitte großzügig den Rotstift bei euren Texten an und ballert eure Leser nicht mit seitenweise unnützem Zeug zu. Bringt auf den Punkt, was ihr zu sagen habt, und geht davon aus, dass eure Leser mitdenken und die offensichtlichsten Sachen, wie die, dass Ravenors und Eryns Vorgesetzte schlimmböse Mobber sind, durchaus mitkriegen. Das muss nicht bis ins allerletzte Detail ausgekaspert werden, das habe ich schon nach wenigen Seiten mitbekommen.

Mein Fazit zu diesen ersten drei Katastrophen lautete übrigens »Zumutung«. Es hatte etwas von einer persönlichen Challenge, die drei Romane am Stück zu lesen. Wer jetzt übrigens denkt, ich würde mich hier noch über Schwamborns Buch auslassen, den werde ich leider enttäuschen müssen. Das wurde genug breitgetreten (ich werde sein neues Machwerk dennoch lesen, weil Trash und so). Stattdessen empfehle ich euch, meine ausführlichen Rezensionen zu den ersten drei Ardeen-Bänden zu lesen und auch in meine Bewertungen der Lesungen hineinzuschnuppern. Die sind auch Gold wert!

Die nächste Station der Blogtour führt euch zu Letemeatbooks.

2 Kommentare:

  1. Wow, ein wirklich langer und feiner Beitrag! Endlich schaffe ich auch einen Besuch bei dir und du hast es fabelhaft geschafft deine Kritik gelungen, auch humorvoll, zu äußern, ohne die persönliche Grenze zu überschreiten - und da gäbe das Buch/die Reihe wohl viel her *duck :D

    Gezielt Trash lesen wäre nicht meins, bei Filmen okay, aber oh no, nicht meine feine Lesezeit. Von daher wird es bei mir ein buch (ggf. mehr) bei dem ich definitiv keinen Trash erwartet, diesen aber bekommen habe …

    Hach, ich finde deine Buchshit-Idee grandios und freue mich auf die weitere Beiträge

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  2. Hallo,

    Und das war schon die zusammengekürzte Version der Rezis :D Wie man so viel zusammenbullshiten kann, ist mir immer noch ein Rätsel. Aber nun ja, es ist nicht zu Unrecht meine Lieblingsbullshit Reihe :D
    Ich muss echt so eine masochistische Ader haben ...
    Freut mich sehr, dass dir die Idee gefällt :)
    Liebe Grüße

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