Eine ganze Menge wünsche ich mir da. Und doch eigentlich gar
nicht so viel. Na und? Dann habe ich eben eine Depressions- und Angsterkrankung
und on top eine Sozialphobie. Macht mich das jetzt zu einem anderen Menschen?
Gar einem Alien? Für manche Menschen anscheinend ja, denn sie kommunizieren mit
mir nur noch über ihren Anwalt. Großartig!
Nun, das wäre jedenfalls ein Beispiel, wie man es nicht
macht, aber darum soll es hier nicht gehen.
Also, was wünsche ich im Umgang mit mir? Jede psychische Erkrankung ist
anders, selbst wenn sie alle dasselbe Label haben. Ich habe schon so oft
gelesen oder gehört, dass Leute unsicher sind im Umgang mit an Depression,
Angst oder was auch immer erkrankten Menschen. Das einfachste, was ihr tun
könnt, ist: Geht hin und fragt die Leute, was sie möchten, denn meist wissen es
diejenigen schon selbst sehr gut. Daher ist das Nachfolgende keine
allgemeingültige Liste, sondern nur etwas, das ich mir für mich wünsche.
1. Ich bin nicht
meine Krankheit
Scheinen die Leute, die mit mir nur noch über ihren Anwalt
zu kommunizieren, anscheinend vergessen zu haben. Ich möchte nicht auf meine
Krankheit reduziert werden. Ich habe mit diesen garstigen Biestern in meinem
Kopf schon jeden Tag genug zu tun, da musst du mich auch nicht noch auf sie
reduzieren. Ich bin auch ein Mensch, der gern liest, lacht, dumme Sprüche
ablässt, über schlechte Bücher rantet (muss so ein masochistischer Zug in mir
sein), strickt, Kuscheltiere lieb hat, wie eine Irre (pun intended) mit Vögeln
redet und und und. Aber meine Depression und meine Angst sind nicht das, was
mich ausmacht. Sie sind ein Teil von mir, klar. Aber sie sind nicht ich.
2. Hör mir zu
Ich möchte keine Ratschläge ala »Du musst mehr raus gehen«
oder »Reiß dich mal zusammen!«. Ok, das hat sogar schon eher etwas von einem
Vorwurf. Ich weiß mittlerweile doch recht gut, was mir gut tut (dazu gehören
Bodycheck, bewusstes Atmen, meine Imaginationsübung, Lieblingsmensch liest mir
ein Märchen vor, Milka Cashew Caramel Eis (wirklich, wenn ihr mich glücklich
machen wollt, kauft mir dieses Eis!) und meine Kuscheltiere). Wenn mir Leute
dann noch Ratschläge geben wollen, überfordert mich das eher noch mehr, weil
ich dann plötzlich nicht mehr weiß, wie ich damit umgehen soll.
Ja, so eine Sozialphobie kann schon echt ein Arschloch sein
…
Hör mir lieber zu, gib mir den Safespace, in dem ich
aussprechen kann, was in mir los ist, ohne Angst vor Verurteilung oder dummen
Ratschlägen. Wie ich bereits eingangs schrieb, weiß ich selbst recht gut, was
mir gut tut, und meist sind das wirklich nur kleine Dinge. Mich einfach mal in
den Arm nehmen und mir eine Schulter zum Ausheulen geben, ist wirklich kein
Zauberwerk und wesentlich effektiver als irgendwelche blöden Ratschläge. Die
heilende, reinigende Wirkung von Weinen wird oftmals unterschätzt.
3. Wenn du keine
Ahnung hast, halt einfach die Klappe
Steckt euch eure »Jetzt ist Sommer, da musst du doch besser
drauf sein mit all der Sonne!« oder »Das liegt doch nur an all den Büchern über
Verrückte, die du liest!« sonstwohin! Wenn ihr nichts anderes zu sagen habt als
»Reiß dich zusammen!« und »Früher warst du ein anderer Mensch!«, dann könnt ihr
mal schön gepflegt über den Jordan verschwinden, denn dann bedeutet euer »Ich
mein’s doch nur gut mit dir!« eher »Ich will, dass es möglichst bequem für mich
ist, indem ich mich nicht mit deinen oder gar meinen Problemen befasse.« Halt
einfach die Fresse …
(Ja, das mit den Büchern wurde mir zu Beginn wirklich
gesagt. Ich las da gerade ein Erfahrungsbericht einer Mutter über ihre an
Schizophrenie erkrankte Tochter. Man hört wirklich eine Menge Bullshit, wenn es
um psychische Erkrankungen geht.)
4. Nimm ernst, was
ich sage
Wenn ich sage, dass ich dir nicht persönlich gegenüber
treten kann, weil sich der Stress, der dabei in mir entsteht, bis zur Panik
steigern kann, dann übertreibe ich nicht, sondern meine das genau so. Meiner
Soziophobie ist es dabei völlig egal, ob du der netteste Mensch der Welt bist.
Ich. Kann. Einfach. Nicht. Das ist in etwa so, als würde ich aus meinem
Rollstuhl aussteigen, ihn mir auf den Rücken schnallen und auf den Armen zu dir
kriechen.
Ich habe damit zu kämpfen, dass ich viele Dinge nicht machen
kann, die anderen normal erscheinen, oder mir diese Dinge unheimlich schwer
fallen. Ich kann zwar umso stolzer sein, wenn ich sie dennoch schaffe, aber
erst einmal erfordert das oft unendlich viel Kraft von mir. Ein wenig über den
Tellerrand hinweg zu schauen und hinter die Fassade unserer Mitmenschen zu
blicken, täte uns allen gut. Mir dann auch noch anhören zu müssen, dass bei
einem kurzen Behördengang doch nichts dran sei, macht die Sache nur schlimmer
für mich. Und vor allem wütend, und das will etwas heißen, denn meine Krankheit
hat mich eigentlich gelehrt, dass wütend sein etwas Schlechtes ist. Wenn ich
aus diesem Muster ausbreche und auf dich wegen deiner Engstirnigkeit und deiner
wortwörtlichen Behinderung meiner Person wütend bin, dann ist das echt ein
Hammer.
Barrierefreiheit bedeutet für mich übrigens auch, solche
psychischen Barrieren niederzureißen. Eine Barriere ist nicht immer eine
Treppe.
5. Sei geduldig und
gib mich nicht auf
Manchmal muss ich eine Verabredung nur wenige Stunden vorher
absagen. Das tut mir immer schrecklich leid, aber mein psychischer Zustand ist
nicht stabil, sondern schwankt von Tag zu Tag. Und manchmal kommen äußere
Einflüsse hinzu, die ich nicht voraussehen konnte. Dann kippt alles von einem
Moment auf den anderen, und wenn ich gerade noch fröhlich über irgendetwas
lachte, kann ich schon im nächsten Moment Rotz und Wasser heulend im Bett
liegen und für den Rest des Tages ausgeknockt sein. Das ist halt so. (»Gestern
war doch auch nichts!«, hilft da übrigens auch nicht.)
Wenn ich in meinem eigenen Kopf gefangen bin, dann bin ich
sehr zurückgezogen und, nun, vor allem mit mir selbst beschäftigt. Einfach mal
hin und wieder ein Hallo dalassen, fragen, was so der Stand der Dinge ist und
dann geduldig auf eine Antwort warten (denn selbst an guten Tagen bin ich
sauschlecht darin, Kommentare und Nachrichten zeitnah zu beantworten, sorry an
alle Kommentatoren auf diesem Blog!), hilft da echt. Und wenn es heute nicht
mit dem Eis klappte, dann vielleicht nächste Woche. Und wenn da auch nicht,
dann sicher irgendwann anders. Bitte gib mich nicht auf.
6. Ich bin auch nur ein
Mensch
Schlussendlich bin ich auch nur ein Mensch, der ein wenig
einen weg hat – und das nicht nur wegen meiner Krankheit, will ich anmerken.
Wie ich schon unter Punkt 1 schrieb, möchte ich nicht auf meine Krankheit
reduziert werden. Darüber hinaus gibt es schließlich noch so viele Themen, mit
denen man sich mit mir unterhalten kann. Spieleabende, Bücher, Tolkien-Generde,
Kuscheltiere, Gefluche darüber, was für einen Scheiß meine Vögel schon wieder
angestellt haben und und und … Eine psychische Erkrankung macht mich nicht zu
einem anderen Wesen oder jemanden, der wie ein rohes Ei behandelt werden muss.
Ich will einfach nur wie ein normaler Mensch behandelt werden.
7. Gib mir Raum und
Zeit
Ich kann recht offen mit meiner Krankheit umgehen, was für
mich auch ein Teil ist, um mir den ganzen Mist erträglicher zu machen. Wenn ich
mich zu all dem Dynamit, das in mir ist, auch noch verstecken müsste, geht
einfach nicht! Würde ich wortwörtlich explodieren. Aber manchmal bin ich
einfach zu erschöpft. Zu meiner Erkrankung kommt eine Hypersensibilität hinzu,
das heißt, dass ich Reize nur sehr schlecht filtern kann. Bei Straßenlärm und
vielen Menschen, die durcheinander reden, ist es besonders schlimm. Da passiert
es auch oft, dass ich mitten in einem Gespräch einfach voll bin. Dann passt
nichts mehr in meinen Kopf und ich brauche Ruhe und Zeit für mich, selbst wenn
wir gerade ein superspannendes Gespräch geführt haben. Das ist schlicht nicht
böse gemeint von mir, wenn ich mittendrin abbrechen und mich zurückziehen muss.
8. Beurteile mich
nicht
Ok, das ist eigentlich etwas so Allgemeines, das alle allen
gegenüber befolgen sollten. Wenn ich zu einem Sonntagsgottesdienst in
Schlabberschuhen und Jeans erscheine, dann ist das doch scheißegal! Oder dir
gefällt mein Sidecut nicht? Was geht’s dich an? Sind schließlich meine Haare.
Ich bin dir zu unsozial? Ja, denk mal darüber nach, warum! Und schlussendlich
muss ich mich nicht deinen Standards anpassen und dir gefallen. Ich muss allein
mir selbst gefallen. Wir alle müssen uns nur uns selbst gefallen. Ich hab in
der Straßenbahn ein Kuscheltier unter dem Arm geklemmt? So what? Das
Kuscheltier will schließlich auch was von der Welt sehen!
Eigentlich ist der Umgang mit psychisch kranken Menschen
nicht schwer. Jeder sollte sich ohnehin in Toleranz üben und viel mehr ist es
eigentlich nicht. Jeder dritte bis fünfte Mensch erlebt mindestens einmal in
seinem Leben eine Episode der Angst und/oder Depression (häufig kommen die
beiden zusammen), das heißt, du, der/die das hier liest, kennt mit Sicherheit
jemanden, der/die entweder gerade eine Krankheitsphase durchlebt oder schon
einmal durchlebt hat (mindestens mich!). Ich finde es erstaunlich, dass das
Stigma psychischer Krankheiten noch immer so stark ist und die Leute so
befangen im Umgang mit den Kranken, wenn doch eigentlich jeder schon einmal
Berührungspunkte damit hatte. Und schlussendlich haben wir alle ein Hirn, wir
alle haben psychische Gesundheit.
Sei tolerant und höre zu.
Besser hätte ich es nicht zusammenfassen können. Unterschreibe ich zur Gänze.
AntwortenLöschenDanke :)
LöschenToll geschrieben. Ich habe das Glück, dass meine Freunde "ich habe heute keine Energie für Menschen" problemlos als Absagegrund gelten lassen, auch wenn mindestens eine Freundin das selbst nicht nachfühlen kann, weil sie am liebsten immer Gesellschaft hat. Aber darum geht es ja auch gar nicht, man muss nur Verständnis haben. Ich habe das Gefühl, dass es zumindest in meiner "Bubble" immer akzeptierter wird, etwas mit mental health zu begründen und das freut mich sehr. Aber leider haben viele immer noch großen Besserungsbedarf, was den Umgang damit angeht.
AntwortenLöschenLiebe Grüße!
Hallo,
Löschenja, auf jeden Fall! In meinem Umfeld gelte ich zum Beispiel oft als egoistisch und unsozial. Ja, danke auch -.-' Ich habe das Gefühl, dass wir den Kontakt zu unserer eigenen Psyche verloren haben, sodass viele nicht nachvollziehen können, wenn ihre Mitmenschen aufgrund ihrer Psyche nicht so können wie andere.
lg
Sowas finde ich total schrecklich. Man kann nicht von sich auf andere schließen, vor allem nicht in diesem Bereich und erst recht nicht, wenn jemand schon Gründe nennt und nicht einfach mit "ich habe keine Lust" absagt. Das egoistisch zu nennen finde ich völlig unsinnig, schließlich ist man selbst und das eigene Wohlbefinden immer noch am wichtigsten und wenn man jemanden mag, dann will man im Idealfall auch nicht, dass die Person sich konstant unwohl fühlt, nur damit das Treffen nicht ausfällt.
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