Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Donnerstag, 15. August 2019

Rezension: Zorngeboren (Empirium-Trilogie #1) von Claire Legrand

Ich greife nur sehr selten zu Jugendbüchern, weil ich oft nicht warm werde mit einigen der gängigsten Tropes solcher Romane. Als ich die Anfrage erhielt, ob ich »Zorngeboren« von Claire Legrand für Literatopia rezensieren möchte, dachte ich nicht zweimal über die Zielgruppe nach, sondern sagte zu. Ich wurde nicht enttäuscht. Der Roman ist der fesselnde Auftakt der vielversprechenden »Empirium«-Trilogie.

Die Welt von Avitas wird von einer Prophezeiung überschattet: Zwei Königinnen, getrennt durch ein Jahrtausend, eine von ihnen die verehrte Sonnenkönigin, die andere die verhasste Blutkönigin. Doch wer ist wer?
Rielle zeigt besondere magische Kräfte: Die Beherrschung aller Elemente, wo sonst jeder Magiebegabte nur eines beherrschen kann. Um zu beweisen, dass sie die Sonnenkönigin ist und nicht die Blutkönigin, muss sie sich einem Tribunal stellen und unter Beweis stellen, dass sie ihre Kräfte nur zum Wohl des Königreichs einsetzen wird.
Ein Jahrtausend später wird man sich ihrer jedoch nur als Blutkönigin erinnern. Eliana schlägt sich mit kleinen (und nicht so kleinen) Gaunereien durch die Gossen der Stadt, um ihre kleine Familie zu ernähren. Unversehens gerät sie jedoch ins Visier des feindlichen Engelkaisers Corien, der mehr über sie und ihre Vergangenheit zu wissen scheint, als sie selbst. Doch nicht nur er weiß, dass sie eine zentrale Rolle in der Prophezeiung spielt.


Der Roman fängt gleich mit einer ziemlichen Hausnummer an: dem, was als Kindermord erscheint. Das ist ungewöhnlich heftiger Tobak für ein Jugendbuch. Daher sei an dieser Stelle auch gleich eine Triggerwarnung für dieses Thema ausgesprochen.

Aber sagen wir so: Der Roman ist in gewisser Weise auch eine Zeitreisegeschichte.

Durch den Roman hinweg wechseln wir immer wieder die Perspektiven zwischen unseren beiden Protagonistinnen. Es wird schnell klar, dass beide am Anfang ihres Wegs zur Sonnenkönigin sind. Allerdings wissen wir auch durch Elianas Sicht auf die Geschichte, dass Rielle tausend Jahre später als Blutkönigin bekannt ist. Dass beide als Sonnenkönigin ausgerufen werden, mag vielleicht vorweggreifen, steigert aber auch die Spannung. Es ist klar, dass die Prophezeiung eine Sonnen- und eine Blutkönigin benennt. Rielle wird zunächst als Sonnenkönigin ausgerufen, wird jedoch noch zu ihren Lebzeiten als Blutkönigin bekannt, wie wir gleich zu Beginn des Romans erfahren. Also muss da noch irgendwas in den kommenden Romanen passieren, das ein völlig anderes Licht auf die Geschichte wirft.

Es ist so eine Sache mit Prophezeiungen. Meistens machen sie eine Geschichte kaputt, da sie selbsterfüllend sind und der Handlung zu viel vorweg nehmen. Hier ist die Erzählung jedoch so konstruiert, dass die Prophezeiung dem ganzen eher noch mehr Spannung verleiht, weil zunächst alles anders kommt, als es zu erwarten gewesen wäre. Es bleibt abzuwarten, was die folgenden Teile daraus machen.

»Zorngeboren« ist als erster Teil der Trilogie vor allem der erste Schritt der beiden Protagonistinnen auf ihrem Weg. Er stellt uns die Charaktere vor, ihre Hintergründe und den Beginn ihres eigentlichen Abenteuers.

Mich persönlich hat Rielle am meisten fasziniert, weil sie mir die komplexeste Geschichte verspricht. Wieso wird sie in diesem Roman in ihrer Zeitlinie zunächst als Sonnenkönigin etabliert, ist später jedoch die Blutkönigin? Wie kam es dazu, dass sich ihr Lebensweg so drastisch verändert hat? Vor allem steht aber auch die Frage, was Eliana damit zu tun hat und wie sie in Verbindung mit Rielle steht.

Außerdem bleibt zunächst noch offen, was die Engel mit all dem zu tun haben, die immer wieder am Rande der Erzählung auftauchen. Sie sind nicht dominant, jedoch stets etwas, das da im Hintergrund lauert. Wir wissen, dass es in der Vergangenheit einen Krieg gab, der die Engel aus der Welt verbannte, das bleibt jedoch alles eher mysteriös. Corien, der sowohl mit Rielle als auch Eliana zu schaffen hat, ist dabei eine zentrale Figur, vielleicht sogar der Puppenspieler, der an den Fäden der beiden jungen Frauen zieht. Das deutet vielleicht sogar darauf hin, dass es hier nicht nur darum geht, welche Frau zu welcher Königin wird, sondern auch, ob die Engel eine Gefahr darstellen und wenn ja, in welcher Form.

Ein paar Probleme hatte ich jedoch, mich in die Welt hinein zu finden. Gerade zu Anfang wirkte alles ziemlich verwirrend, und ich hatte lange kein wirkliches Gefühl für die Wirkungsweise der Magie der Welt bekommen. Spätestens ab Mitte des Romans hatte sich das aber gegeben und ich habe die restlichen Seiten förmlich gefressen.

Hinzu kommt jedoch, dass es nicht so wirkt, als ob wirklich tausend Jahre zwischen beiden Handlungssträngen liegen, sondern eher ein bis zwei Generationen. Die Welt scheint sich seitdem nicht wirklich verändert zu haben, obwohl das eigentlich zu erwarten gewesen wäre. An dieser Stelle hätte ich mir wesentlich mehr Worldbuilding erhofft.

»Zorngeboren« ist einer der Romane, bei denen es auch einmal angebracht ist, die Gestaltung lobend hervorzuheben. Nicht nur ist das Cover ein wahrer Hingucker mit den beiden wunderschön gestalteten Kronen. Auch finden sich im Buch einige farblich gestaltete Kärtchen mit den Hauptprotagonist*innen zusammen mit kurzen Beschreibungen, wer sie sind. Gestaltet wurde beides von David Curtis. (Dass auch die Charakterzeichnungen und nicht nur die Umschlagsgestaltung von ihm stammt, hätte der deutsche Verlag allerdings durchaus erwähnen können; im Impressum der englischen Ausgabe ist diese Information enthalten.)

Gänzlich frei von den gängigen Tropes ist der Roman allerdings nicht. In Anbetracht der spannenden Fragen, die nach Abschluss des ersten Bandes noch offen bleiben, kann ich das allerdings leicht verkraften.

»Zorngeboren« ist ein spannender, wenn auch nicht gänzlich runder Roman über zwei Frauen, die durch die Zeit getrennt sind, aber dennoch das Schicksal ihrer Welt in Händen halten. Die Autorin hat viel Kreativität in Avitas gesteckt, auch wenn sie nicht sämtliche Ecke glattgefeilt hat. Band 1 stellt uns vor allem die Welt vor und bringt die Protagonistinnen auf ihren Weg. Die vielen Fragen, die noch offen bleiben, deuten eine spannende Entwicklung voraus und bereits jetzt viel Freude beim Herumrätseln, wie das alles zusammenhängen könnte.


Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.


Mögliche Trigger
- Gewalt gegen Menschen
- Tod/Mord
- Kindsmord


Bibliographische Daten
Autor*in: Claire Legrand
Titel: Empirium-Trilogie – Zorngeboren
Sprache: Deutsch
Übersetzung: Alexandra Rak und Ariane Böckler
Umschlagillustration: David Curtis
Reihe: Band 1
Seiten: 590
Originalpreis: 20,00
Verlag: Arctis
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3-03880-020-0
Erscheinungsjahr: 2019

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