Die Welt von Avitas wird von einer Prophezeiung überschattet:
Zwei Königinnen, getrennt durch ein Jahrtausend, eine von ihnen die verehrte
Sonnenkönigin, die andere die verhasste Blutkönigin. Doch wer ist wer?
Rielle zeigt besondere magische Kräfte: Die Beherrschung
aller Elemente, wo sonst jeder Magiebegabte nur eines beherrschen kann. Um zu
beweisen, dass sie die Sonnenkönigin ist und nicht die Blutkönigin, muss sie
sich einem Tribunal stellen und unter Beweis stellen, dass sie ihre Kräfte nur
zum Wohl des Königreichs einsetzen wird.
Ein Jahrtausend später wird man sich ihrer jedoch nur als
Blutkönigin erinnern. Eliana schlägt sich mit kleinen (und nicht so kleinen)
Gaunereien durch die Gossen der Stadt, um ihre kleine Familie zu ernähren.
Unversehens gerät sie jedoch ins Visier des feindlichen Engelkaisers Corien,
der mehr über sie und ihre Vergangenheit zu wissen scheint, als sie selbst.
Doch nicht nur er weiß, dass sie eine zentrale Rolle in der Prophezeiung
spielt.
Der Roman fängt gleich mit einer ziemlichen Hausnummer an:
dem, was als Kindermord erscheint. Das ist ungewöhnlich heftiger Tobak für ein
Jugendbuch. Daher sei an dieser Stelle auch gleich eine Triggerwarnung für
dieses Thema ausgesprochen.
Aber sagen wir so: Der Roman ist in gewisser Weise auch eine
Zeitreisegeschichte.
Durch den Roman hinweg wechseln wir immer wieder die
Perspektiven zwischen unseren beiden Protagonistinnen. Es wird schnell klar,
dass beide am Anfang ihres Wegs zur Sonnenkönigin sind. Allerdings wissen wir
auch durch Elianas Sicht auf die Geschichte, dass Rielle tausend Jahre später
als Blutkönigin bekannt ist. Dass beide als Sonnenkönigin ausgerufen werden,
mag vielleicht vorweggreifen, steigert aber auch die Spannung. Es ist klar,
dass die Prophezeiung eine Sonnen- und eine Blutkönigin benennt. Rielle wird
zunächst als Sonnenkönigin ausgerufen, wird jedoch noch zu ihren Lebzeiten als
Blutkönigin bekannt, wie wir gleich zu Beginn des Romans erfahren. Also muss da
noch irgendwas in den kommenden Romanen passieren, das ein völlig anderes Licht
auf die Geschichte wirft.
Es ist so eine Sache mit Prophezeiungen. Meistens machen sie
eine Geschichte kaputt, da sie selbsterfüllend sind und der Handlung zu viel
vorweg nehmen. Hier ist die Erzählung jedoch so konstruiert, dass die
Prophezeiung dem ganzen eher noch mehr Spannung verleiht, weil zunächst alles
anders kommt, als es zu erwarten gewesen wäre. Es bleibt abzuwarten, was die
folgenden Teile daraus machen.
»Zorngeboren« ist als erster Teil der Trilogie vor allem der
erste Schritt der beiden Protagonistinnen auf ihrem Weg. Er stellt uns die
Charaktere vor, ihre Hintergründe und den Beginn ihres eigentlichen Abenteuers.
Mich persönlich hat Rielle am meisten fasziniert, weil sie
mir die komplexeste Geschichte verspricht. Wieso wird sie in diesem Roman in
ihrer Zeitlinie zunächst als Sonnenkönigin etabliert, ist später jedoch die
Blutkönigin? Wie kam es dazu, dass sich ihr Lebensweg so drastisch verändert
hat? Vor allem steht aber auch die Frage, was Eliana damit zu tun hat und wie
sie in Verbindung mit Rielle steht.
Außerdem bleibt zunächst noch offen, was die Engel mit all
dem zu tun haben, die immer wieder am Rande der Erzählung auftauchen. Sie sind
nicht dominant, jedoch stets etwas, das da im Hintergrund lauert. Wir wissen,
dass es in der Vergangenheit einen Krieg gab, der die Engel aus der Welt
verbannte, das bleibt jedoch alles eher mysteriös. Corien, der sowohl mit
Rielle als auch Eliana zu schaffen hat, ist dabei eine zentrale Figur,
vielleicht sogar der Puppenspieler, der an den Fäden der beiden jungen Frauen
zieht. Das deutet vielleicht sogar darauf hin, dass es hier nicht nur darum
geht, welche Frau zu welcher Königin wird, sondern auch, ob die Engel eine
Gefahr darstellen und wenn ja, in welcher Form.
Ein paar Probleme hatte ich jedoch, mich in die Welt hinein
zu finden. Gerade zu Anfang wirkte alles ziemlich verwirrend, und ich hatte
lange kein wirkliches Gefühl für die Wirkungsweise der Magie der Welt bekommen.
Spätestens ab Mitte des Romans hatte sich das aber gegeben und ich habe die
restlichen Seiten förmlich gefressen.
Hinzu kommt jedoch, dass es nicht so wirkt, als ob wirklich
tausend Jahre zwischen beiden Handlungssträngen liegen, sondern eher ein bis
zwei Generationen. Die Welt scheint sich seitdem nicht wirklich verändert zu
haben, obwohl das eigentlich zu erwarten gewesen wäre. An dieser Stelle hätte
ich mir wesentlich mehr Worldbuilding erhofft.
»Zorngeboren« ist einer der Romane, bei denen es auch einmal
angebracht ist, die Gestaltung lobend hervorzuheben. Nicht nur ist das Cover
ein wahrer Hingucker mit den beiden wunderschön gestalteten Kronen. Auch finden
sich im Buch einige farblich gestaltete Kärtchen mit den Hauptprotagonist*innen
zusammen mit kurzen Beschreibungen, wer sie sind. Gestaltet wurde beides von
David Curtis. (Dass auch die Charakterzeichnungen und nicht nur die
Umschlagsgestaltung von ihm stammt, hätte der deutsche Verlag allerdings
durchaus erwähnen können; im Impressum der englischen Ausgabe ist diese
Information enthalten.)
Gänzlich frei von den gängigen Tropes ist der Roman
allerdings nicht. In Anbetracht der spannenden Fragen, die nach Abschluss des
ersten Bandes noch offen bleiben, kann ich das allerdings leicht verkraften.
»Zorngeboren« ist ein spannender, wenn auch nicht gänzlich
runder Roman über zwei Frauen, die durch die Zeit getrennt sind, aber dennoch
das Schicksal ihrer Welt in Händen halten. Die Autorin hat viel Kreativität in
Avitas gesteckt, auch wenn sie nicht sämtliche Ecke glattgefeilt hat. Band 1
stellt uns vor allem die Welt vor und bringt die Protagonistinnen auf ihren
Weg. Die vielen Fragen, die noch offen bleiben, deuten eine spannende
Entwicklung voraus und bereits jetzt viel Freude beim Herumrätseln, wie das
alles zusammenhängen könnte.
Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des
Rezensionsexemplares.
Mögliche Trigger
- Gewalt gegen Menschen
- Tod/Mord
- Kindsmord
Bibliographische Daten
Autor*in: Claire Legrand
Titel: Empirium-Trilogie – Zorngeboren
Sprache: Deutsch
Übersetzung: Alexandra Rak und Ariane Böckler
Umschlagillustration: David Curtis
Reihe: Band 1
Seiten: 590
Originalpreis: 20,00
Verlag: Arctis
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3-03880-020-0
Erscheinungsjahr: 2019
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