Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Montag, 5. August 2019

Fäden for Future: Zum Umweltaspekt von Wolle


Werbehinweis: In diesem Beitrag finden sich Links zu Shops. Dies sind keine Affiliate-Links, ich verdiene also kein Geld damit, indem ich sie verlinke. Außerdem gibt es keine versteckten Abofallen, ihr seid auch nicht zum Kauf verpflichtet, wenn ihr darauf geht. Ganz normale Links also.

Triggerwarnung: Ich gehe auf Tierquälerei (Mulesing) ein, poste aber keine konkreten Bilder davon.

Viele tolle Wolle und doch erstaunlich viel Leid

Das Thema Umweltschutz wird immer präsenter, denn es ist höchste Eisenbahn. Wir haben mittlerweile 5 nach 12 und es muss jetzt sofort gehandelt werden. Ich hoffe mal, dass das vielen meiner Leser*innen bewusst ist, weshalb ich da jetzt nicht tiefer darauf eingehen möchte. Stattdessen möchte ich mich in diesem Post mit den Umweltaspekten von Handarbeiten befassen. Dazu hatte bereits meine Freundin Augurey auf Twitter und StoryHub einige Informationen zusammengetragen. Sie hat mir erlaubt, das alles in diesem Blogpost noch einmal zu veröffentlichen. Vielen Dank dafür!

Kleiner Hinweis, falls ihr es nicht mitbekommen habt: Ich habe einen Twitteraccount für meine Handarbeiten gestartet. Ihr findet ihn unter WooldragonDE. Da gibt es dann hoffentlich auch ab nächstem Jahr einen offiziellen Shop mit Handarbeiten.


Umweltaspekt von Wolle

Wir sind uns alle einig, dass es immer besser ist, etwas selbst zu machen, statt es im Laden zu kaufen und damit wer weiß was für Verbrechen an Mensch, Tier und Umwelt zu unterstützen. Aber auch bei Wolle sei aufgepasst! Wusstet ihr, dass Wolle aus Deutschland sogar als Abfallprodukt gilt? Total absurd für mich! Die meiste Wolle, die es so im Laden zu kaufen gibt, stammt aus Australien oder Neuseeland. Das Problem dabei ist, dass die Wolle erst einmal die ganze Welt durchquert, um auf unseren Nadeln zu landen. Die CO2-Emission dadurch ist enorm – und könnte so einfach durch regionale Wolle gesenkt werden.

Ein weiteres Problem dabei ist die Chemie. Viele Wollen haben chemische Beimischungen wie Polyamid (so gut wie immer auch in Schurwollgarn für Socken zu finden, die Standardmischung ist da 75% Schurwolle und 25% Polyamid). Solche Stoffe sind nicht biologisch abbaubar. Zudem kommt viel Chemie in der Behandlung von Wolle zum Einsatz, zum Beispiel das Superwash-Verfahren, damit Sockenwolle nicht filzt. Beim Superwash, auch Hercosett-Verfahren genannt, wird die Wolle mit Chlor behandelt, das danach in das Grundwasser gelangen kann.

Wolle, egal aus welchem Material, ist nun einmal ein Textil und hat damit häufig auch dieselben sozialen Probleme, wie das Shirt für 5€ bei H&M: Kinderarbeit und Ausbeutung der Arbeiter*innen. Aber nicht nur Menschen kommen bei der Produktion unserer Wolle zu schaden, vor allem auch die Tiere leiden häufig darunter. Das Stichwort lautet Mulesing.

Schafe werden heutzutage mit möglichst vielen Hautfalten gezüchtet, um mehr Wolle zu produzieren. Um aber einen Befall mit Fliegenmaden zu verhindern, wird den Schafen die Haut am und um den After ohne Betäubungsmittel entfernt, damit sich dort glattes Narbengewebe bildet. Brutal und grausam! Das Verfahren ist in Deutschland zum Glück verboten, ist in Australien und Neuseeland aber noch immer gängige Praxis. Eben genau da, wo die meiste Wolle her kommt.

Auch die Schur selbst ist für die Tiere oft sehr stressig und schmerzhaft. Die Arbeiter*innen werden häufig nicht nach Zeit, sondern nach Wollgewicht bezahlt, das heißt, sie schubsen und treten die Tiere und oft kommt es zu Verletzungen, die sich entzünden können.

Nun lieben wir alle bunte Wolle, oder? Auch nicht ganz ohne. Denn bei der Färbung kommen umweltschädliche Chemikalien zum Einsatz. Wolle muss wie so viele Textilien häufig vor dem Färben gebeizt werden, damit die Fasern aufgebrochen werden und so die Farbe besser halten kann. Ein leider notwendiges Verfahren, wenn man eine andere Farbe als die Naturfarbe haben möchte.

Zum Glück aber gibt es praktikable und umweltschonende Alternativen!

Durch das Paradox, dass Wolle in Deutschland als Abfallprodukt gilt, ist Wolle aus Deutschland erstaunlich billig. Da zahlt eins gut und gerne mal schlanke 4,50€ für 100g naturbelassener Schurwolle, wo eins anderswohl für dasselbe Produkt gern das Doppelte hinblättert. Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich die Preise sah, weil ich mit wesentlich mehr gerechnet habe!

Schafe sind in Deutschland essentiell für den Erhalt unserer Kulturlandschaften. Und Schafe produzieren kuschelige Wolle. Win win! Eins muss sich nur ein klein wenig umsehen und findet sehr schnell eine lange Liste an Schäfereien, die ihre Wolle verkaufen, gerne auch mit angeschlossener Spinnerei, die die verarbeitete Rohwolle unter die Leute bringt. Es gibt eine ganze Reihe bedrohter Schafsrassen, viele dieser Schäfereien setzen sich für den Erhalt dieser Rassen ein. Habt ihr schon einmal die Wolle des Coburger Fuchsschafs gesehen? Sie hat einen wunderschönen Goldton!

Die EU hat eine ganze Reihe von Auflagen, die dem Tierwohl dienen. Nicht alle davon sind ausreichend und genügend, aber es ist immerhin ein guter Schritt in die richtige Richtung. Das Verbot von Mulesing zum Beispiel.

Lokal zu kaufen, ist immer wesentlich umweltschonender. Außerdem können wir so den Erhalt bedrohter Arten sowie lokaler Kleinunternehmer und Familienbetriebe unterstützen.

Eine gute Orientierung dabei sind auch Siegel. KbT oder kbA zertifizierte Textilien weisen auf kontrolliert biologische Tierhaltung bzw. kontrolliert biologischen Anbau (z.B. bei Baumwolle) hin. Das GOTS Siegel steht für Global Organics Textile Standards und wird als weißes Shirt auf grünem Grund dargestellt. »[Der Satndard] ist als weltweit führender Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern anerkannt. Auf hohem Niveau definiert er umwelttechnische Anforderungen entlang der gesamten textilen Produktionskette und fordert gleichzeitig die Einhaltung von Sozialkriterien.« (Zitiert nach GOTS am 4.8.19 um 16:55). Weitere Siegel sind OEKO_TEX, Biosiegel (z.B. Bioland-Schäfereien) und Fair Trade Waren.

Ein ganz heißer Tipp ist es übrigens auch, einfach mal auf den Herstellerseiten vorbei zu schauen. Opal beispielsweise geht da mit super Beispiel voran. Es gibt noch zahlreiche andere Hersteller, die immer mehr auf tier- und umweltfreundliche Wolle setzen und ihre Wolle teils gänzlich naturbelassen verkaufen.

Wolle kann auch vegan sein! Ich entdecke beispielsweise immer mehr Baumwolle für mich für meine Strick-und Häkelarbeiten. Baumwolle ist ein gänzlich pflanzlicher, nachwachsender Rohstoff, den wir alle zur Genüge kennen. Um 1kg Baumwolle herzustellen benötigt man allerdings 25.000l Wasser, auch ein Aspekt, den eins im Auge behalten sollte. Einen schönen Überblick über vegane Alternativen bietet dieser Artikel. Darin wird auf Alternativen eingegangen wie Hanf, Bambus, Leinen und sogar Algen, aber auch Lyocell, Sojaseide und Modal aus Buchenholz.

Wer es ganz besonders umweltfreundlich haben möchte, recycelt. Der alte Wollpulli hat ausgedient? Warum nicht einfach auftrennen und aus dem Garn etwas Neues machen. Immer beliebter werden auch sogenannte Shirtgarne. Dazu werden alte Shirts oder gar ganze Bettlaken (an denen sich die Motten ganz besonders gerne gütlich tun) in gleichmäßige lange Streifen geschnitten. Oder auch nicht so gleichmäßig, je nachdem wie eins es gern hat. Dann werden die Streifen gespannt, damit sie sich einrollen, und zu einem langen Garn verknüpft. Je breiter der Streifen, umso dicker das Garn.

Die Anbieter

Nun noch zu einigen konkreten Anbietern. Opal ist ja bereits genannt worden. Die Marke hat verschiedene Projekte am Laufen. So zum Beispiel die Schafspatenschaft, bei der die Wolle zu 100% aus Deutschland kommt und regionale Schäfereien unterstützt, sowie die Kollektion Regenwald, bei der ein Teil des Erlöses an die Aktion »Rettet den Regenwald« geht.

Rosy Green Wool: Rosy Green Wool produziert hauptsächlich in Patagonien, Südamerika. Die Wolle ist jedoch GOTS-zertifiziert und damit mulesingfrei und Arbeiter*innen werden fairer bezahlt. Im Sortiment ist reine Wolle, teilweise zum Selbstfärben. Ein kleiner Teil der Wolle stammt von vom Aussterben bedrohter Schafsrassen aus Großbritannien und wird für die Jahrgangswolle »Manx« verwendet. Rosy Green Wool verzichtet außerdem auf das Superwash-Verfahren, was neben den Chemikalien auch armen Regionen schadet.

Natürliche Wolle: Das ist ein kleiner Onlineshop, der sich für mulesingfreie Bio-Wolle ohne Chemie und Ausbeute von Menschen einsetzt. Hier finden sich unter anderem Wollen von bedrohten Schafsrassen aus kleinen Zuchten oder Biolandbetrieben. Farbenfreude dürft ihr hier allerdings nicht erwarten, die Farben der Wollen sind eher weiß, natur und braun, eben »natürlich«. Auf das selbst Färben gehe ich allerdings weiter unten noch einmal ein. Der Shop führt zudem noch ein paar andere Sachen.

Schoppel Wolle: Schoppel ist eine Marke, die ihre Produktionsstätten in Deutschland hat und eine wahre Farbplosion bietet. Auf der Startseite verspricht Schoppel nur mulesingfreie Wolle aus Deutschland und Patagonien zu verwenden. Ein paar Kollektionen sind besonders interessant: »Alb Lino« und »Alb merino« verwendet Wolle von Schafen von der Schwäbischen Alb, ergo aus Deutschland. Und die Kollektion »Bio Merino« ist GOTS zertifiziert. Die Website der Marke richtet sich an gewerbliche Händler. Aber es gibt auch eine Händlersuche für Privatleute. Schoppel ist ebenfalls eine bekannte Marke, genau wie Opal.

Die Maschen zum Glück: Und wieder bietet sich uns eine wunderschöne Farbplosion! Auch das  ist ein Onlineshop, der nur zu 100% nach Herstellerangaben mulesingfreie Wolle führt. Die Masche zum Glück unterstützt kleinere Händler und legt Wert auf Transparenz. Außerdem werden nur Naturfasern verwendet und es werden auch regionale Wollen angeboten – wie eben zum Beispiel Schoppel.

Finkhof: Der Finkhof ist eine Schäfereigenossenschaft, die in den 70er Jahren entstand. Auf der Seite ist der Onlineshop der Schäferei zu finden. Hier gibt es Bioland-Wolle aus Deutschland. Die Sockenwolle enthält zudem keine Synthetik. Finkhof ist auch der erste Anbieter dieser Liste, bei dem ich Wolle gekauft habe. Sie sollte die Tage ankommen und ich bin schon sehr gespannt!

Das goldene Vlies: Das ist ebenfalls eine Genossenschaft von Bioland. Hier wird die Wolle eines bedrohten Schafes verwendet: Das Coburger Fuchsschaf. Die Wolle stammt von kleinen Schäfereien aus Deutschland und Österreich. Die Bestellung ist etwas altmodisch (E-mail ist das modernste), aber es sind farbenfrohe Wollen dabei. Außerdem gibt es eine Liste mit lokalen Händlern.

Wolle und Garne: Auch dieser Online Shop führt verschiedene Naturgarne und Labels, unter anderem GOTS. Schoppel ist gut vertreten, hier sind allerdings auch Wollen aus GB dabei.

Diese Liste wurde von Augurey zusammengetragen. Danke dafür und ganz viel Liebe! Sie hat hier eine noch umfassendere Liste zusammengestellt.

Zur Umweltverträglichkeit von Färben

Da naturfarbene Wolle zwar erst einmal ganz hübsch ist, aber tolle Farben alles schlagen, kann eins natürlich auch selbst färben, um die Umweltschäden durch die industrielle Färbung zu umgehen. Ist auch billiger. Es gibt dazu verschiedene Methoden, zum Beispiel das Färben mit Lebensmittelfarben, Ostereierfarben, speziellen Textilfarben oder Pflanzenfarben.

Vorab: Ich persönlich habe noch keine Erfahrung mit dem Färben von Wolle, gebe hier also nur wieder.

Wolle muss so gut wie immer vor dem Färben behandelt werden, damit sie später die Farbe aufnimmt und in der Faser behält. Das kann vor oder während des Färbens passieren, indem das Beizmittel zur Farbe dazu gegeben wird.

Das Färben mit Lebensmittel- und Ostereierfarben funktioniert ziemlich ähnlich. Eins muss aber darauf achten, dass die Ostereierfarben Warm- bzw. Heißfarben sind und die Lebensmittelfarbe nicht zu viel Zucker enthält, da der Zucker sonst bei der Wärme karamellisiert und die Wolle klebt. Ich persönlich mag mein Karamell jetzt nicht unbedingt mit Wollanteil … Es soll wohl angeblich auch mit mehr Zucker in der Farbe gehen. Bei beiden Methoden wird einfach Essig zum Beizen verwendet. Also alles sehr umweltverträglich und die Farbe kann sogar hübsch gemischt werden.

Eine andere Methode des Färbens ist mit Textilfarben bzw. Säurefarben. Diese Seite listet die Inhaltsstoffe der Textilfarbe »Simplicol Textilfarbe intensiv Nachtblau«. Diese sind überwiegend Konservierungsstoffe und Stoffe, die den pH-Wert stabilisieren sollen. Die Stoffe können allerdings allergische Reaktionen und Hautirritationen hervorrufen. Es sind, wie ich das beurteilen kann, also Stoffe, die unbedenklich im Waschbecken ausgespült werden können, jedoch für eins selbst Nachteile haben kann. Wer weiß allerdings, was alles bei der Herstellung passiert … Dazu konnte ich leider nichts finden.

Für Säurefarben kann ich leider keine solche Inhaltsliste finden, die Säure, die dafür verwendet wird, ist allerdings auch handelsübliche Essig-Essenz. Die Farben kommen allerdings häufig in Pulverform und können ohne entsprechenden Atemschutz die Lunge reizen.

Und dann gibt es noch die Pflanzenfarben. Vielleicht mag es da nicht immer die ganzen tollen chemischen Farben geben, dafür wachsen die Grundlagen dafür überall um uns herum und eins weiß genau, was alles drin ist. Herumexperimentieren, welcher Pflanzenteil welche Farbe ergibt, soll sehr lohnend sein. Auch hier muss bei den allermeisten Farben die Wolle erst vorbehandelt werden. Ich halte Pflanzenfarben für die beste Alternative, auch wenn es auch da natürlich Allergien geben kann. Es gibt allerdings ein großes Aber: die Beizmittel.

Ich habe Listen gefunden, die für die Beize Alaun, Kupfersulfat (+Essig), Eisensulfat, Zinkchlorid und Kaliumdichromat aufführen. Da habe ich dann doch erst einmal geschluckt. Nichts davon wird in sonderlich großen Mengen verwendet, sondern in dünnen Gemischen von 2% bis 8% (je nach Beizmittel und pro Kilo Wolle sind das dann vielleicht 20g) verwendet, aber selbst solch geringe Mengen werden unter Laborbedingungen gesondert entsorgt. Man will das nun wirklich nicht im Grundwasser haben.

Ich suche aktuell nach Informationen, ob das Beizen stattdessen auch mit Essig geht. Geht ja bei den anderen Alternativen auch. Sobald ich etwas gefunden habe, trage ich es hier nach.


So toll selbstgemachte Sachen auch sind, eins kann doch erstaunlich viel Leid damit unterstützen. Ich hatte mir schon länger gedacht, dass ich da vielleicht mal recherchieren sollte, war dann bei einigen Dingen doch sehr erstaunt, wie schlimm es eigentlich ist. Aber ich bin auch sehr, sehr froh, dass es so tolle Alternativen gibt! Ich werde in Zukunft verstärkt regional kaufen und selbst färben. Vielleicht geht es ja mit Essig und Naturfarben doch.

1 Kommentar:

  1. Guten Morgen,

    danke für die schöne und hilfreiche Übersicht! :)
    Ich habe seit Jahren nicht gehäkelt (und stricken immer noch nicht gelernt) und habe noch haufenweise Wollreste liegen... Beim Selbstkaufen habe ich damals immerhin darauf geachtet, Bio-Baumwolle zu kaufen, aber mir sonst wenig Gedanken gemacht. :/ Wenn ich hoffentlich bald wieder Zeit zum Häkeln finde, werde ich definitiv sorgfältiger einkaufen. :)

    Schöne Grüße
    Alica

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