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Bei manchen Büchern denkt man sich: »Hm, klingt eigentlich
interessant.« Und dann verliert man sie, Schande über Schande, aus den Augen.
Eines kann man vornweg nehmen: Das sollte beim Steamfantasy-Roman »Drúdir« von
Swantje Niemann nicht geschehen, da einem damit ein wirklicher Leckerbissen
entgeht.
Der Zwerg Drúdir ist ein Uhrenmacher. Doch dahinter verbirgt
er seine Identität als Magier. Magie ist dieser Tage nicht mehr gern gesehen
und wird ebenso wie jene, die sie ausüben, geächtet. Kommt heraus, dass Drúdir
Magie besitzt, wäre das das Ende seiner Kariere. Als er hört, dass sein
Uhrmachermeister ermordet aufgefunden wurde, beschließt er, dem auf eigene
Faust auf die Spur zu kommen. Dabei stolpert er jedoch in etwas, das bedeutend
größer ist, vielleicht sogar zu groß für einen einfachen Zwerg wie ihn.
Sagte ich neulich noch, dass »Vakuumsprung« von J.H.
Artschwager der beste bisher von mir gelesene selbstverlegte Roman war, so
wurde er schon kurz darauf von »Drúdir« übertroffen (der Fairness halber: nicht
um viele Punkte). Der selbstverlegte Roman, der im Oktober in der Edition Roter
Drache erscheinen wird, kann mit vielen Stärken und nur wenigen Schwächen aufwarten.
Um genau zu sein ist die einzige Schwäche etwas, was wohl
nur linguistisch interessierte Leser stören wird: krude Fantasy-Sprachen, die
mich an so gut wie jedem Roman stören, der meint, so etwas einbauen zu müssen.
Nehmen wir dieses Wort, ein Begriff der Romanwelt, und machen ein Ratespiel,
was es wohl heißen mag: Sprakar-Godwis-Historig-Rúnhalar.
Man wird wohl mit nur wenig Denkaufwand erahnen können, was sich dahinter
verbirgt, was zum Kernproblem führt. Eine unserer Welt völlig fremde Welt kann
nie und nimmer Sprachkontakt zu unseren Sprachen erhalten haben. Damit sind so
große Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen der Romanwelt und unserer eigentlich
unmöglich.
Abgesehen davon kann man wirklich nicht viel meckern! Die
Geschichte entwickelt sich langsam, ist aber stets spannend und man legt das
Buch nur ungern zur Seite, selbst wenn der Dozent eigentlich das Seminar
beginnen will …
Die Welt, die hier aufgebaut wird, ist spannend und
abwechslungsreich. Steamfantasy scheint ohnehin nicht das allzu häufigste Genre
zu sein, und Zwerge kann es ruhig öfters als Hauptprotagonisten geben. Auch das
ganze Drumherum von Drúdirs Heimat ist schön ausgestaltet. Schon fast schade,
als es vorbei war, und man nicht weiter darin abtauchen konnte.
Die Dialoge konnten ebenfalls überzeugen. Sie wirkten
natürlich und locker und hin und wieder fehlte auch nicht ein gewisser Witz.
Auch die Charaktere waren wirklich toll und können mit einigen wirklichen
Charakterköpfen aufwarten. Besonders die elfischen Agenten, Drasirai genannt,
waren wirklich faszinierende Protagonisten, von denen man unbedingt mehr haben
wollte, obwohl sie einem einen kalten Schader bescheren!
Die Dynamik der Charaktere sorgte für einige Spannung, da
sich zwei Parteien gezwungen sehen, plötzlich miteinander zu arbeiten, da sie
mehr oder weniger dasselbe Ziel haben, obwohl sie so wirklich Freund eigentlich
nicht sind. Da knistert es förmlich zwischen ihnen, was wirklich klasse ist.
Wo es auch knistert, ist zwischen der Automata, eine
Maschine, der Leben eingehaucht wurde, und einem der Protagonisten. Das war ein
besonders spannender Aspekt des Romans. Die Automata, die von allen am Anfang
noch nur als intelligente KI und Maschine betrachtet wurde, entwickelt auf
einmal Emotionen, die wir eigentlich als humanoid einstufen würden. Was ist sie
also? Maschine oder Zwerg? Das ist eigentlich eine sehr aktuelle Frage, wie ich
finde; etwas Ähnliches wurde auch einmal und wesentlich zentraler im sehr
empfehlenswerten Film »Her« mit Joaquin Phoenix und Scarlett Johansson bearbeitet,
einer Liebesgeschichte zwischen einem Menschen und seinem hochintelligenten Operation
System.
Die selbstverlegte Ausgabe, die ich noch gelesen habe,
wartet noch mit ein paar kleinen Rechtschreibfehlern auf, die der Verlag dann
hoffentlich im Oktober ausgebessert haben wird.
Alles in allem ein wirklich sehr empfehlenswerter Roman! Wer
nicht immer nur die gängigen Klischees von Elfen und Zwergen und Magiern lesen
will, findet hier eine erfrischend andere Bearbeitung der üblichen Tropes. Es
gibt nur wenig zu meckern. Zwar reißt es mich nicht so sehr vom Hocker, wie es
Tolkien und Sanderson vermögen, aber »Drúdir« ist und bleibt ein sehr guter
Roman und eine klare Empfehlung.
Ich danke der Autorin für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!
Autor: Swantje Niemann
Titel: Drúdir: Dampf & Magie
Sprache: Deutsch
Reihe: Nein
Seiten: 392
Originalpreis: 16,95€
Verlag: Edition Roter Drache
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3946425366
Erscheinungsjahr: 2017 (erscheint im Oktober 2017)
Weitere Rezensionen
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- Gewalt (selten, aber wenn, dann ziemlich explizit und
brutal, inkl. Mord & Folter, letzteres off screen)
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- Tod von Eltern(figuren)
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Figuren, die diese herunterspielen und/oder an ihrer Aufrechterhaltung
beteiligt sind)
- Psychische Krankheit (ambivalent – die betreffende Figur ist
nicht explizit psychisch krank, aber ich habe mir für sie ein paar Denkmuster
aus der Zeit, in der ich an Anorexie litt, geliehen)
- selbstverletztendes Verhalten (ambivalent - eine Situation
könnte entsprechende Assoziationen wecken)
- Ertrinken
- enge, dunkle Räume
- Feuer
- Nahtoderfahrungen (bzw. magisches Äquivalent)
Hi Maria,
AntwortenLöschenKlasse Rezension! Ich habe das Buch auch von Swantje bekommen und habe geschlagene 6 Monate gebraucht, um es zu lesen... was aber nicht am Buch lag, sondern an den Umständen (die mich momentan daran hindern, so viel und vor allem: am Stück zu lesen, wie ich es gerne würde).
Trotzdem kann ich nur unterstreichen, was auch Du geschrieben hast: Man mag das Buch nicht wirklich weglegen. Der Spannungsbogen baut sich kontinuierlich auf und am Ende geht alles recht schnell. Es fühlt sich nicht wie ein in sich geschlossenes Buch an, sondern wie der Auftakt zu etwas größerem. Findest Du nicht auch?
Auf unserem Blog haben wir heute meine Rezi dazu veröffentlicht und erst nachdem ich sie geschrieben habe, fiel mir durch ein Gespräch mit meiner Frau dazu auf, dass mir ein Aspekt vollkommen durch die Lappen gegangen ist: Drúdir lässt sich aufgrund seiner Fähigkeiten ein wenig mit Harry Potter vergleichen. Auch Harry verfügte über nicht nur Magie, sondern darüber hinaus sogar spezielle Fähigkeiten, die ihn mit Voldemort verbanden und dadurch vor anderen Magiern immer etwas doof haben dastehen lassen, wenn Du weisst, was ich meine. Drúdir geht es dabei ähnlich, nur dass er sehr lange braucht, um das zu kapieren.
Ich hoffe, Swantje nutzt das Potential und webt die Geschichte weiter - und wer weiß,... vielleicht verbindet Drúdir ja auch etwas mehr mit Grímryn, als ihm zu wünschen wäre. :)
LG,
Christian (tthinkttwice.de)
Hallo,
AntwortenLöschendas Buch ist schon in sich geschlossen, lässt aber noch Raum für ne Fortsetzung offen. Ich bin prinzipiell für bedeutend mehr Standalones in der Fantasy, da es mich gelinde gesagt ankotzt, dass es anscheinend nur noch so fette Reihen geben kann. Aber ein Spinn off hiervon wäre schon nicht schlecht, ja :D
Es ist bei mir schon Jahre her, dass ich Harry Potter gelesen habe (habe mittlerweile meine Bücher auch verkauft, da ich es auch nicht mehr lesen werde), aber ich denke, dass Drúdir herzlich wenig mit Harry Potter gemeinsam hat. Die Grundprämisse allein ist schon eine ganz andere. Harry ist Zauberschüler und übt seine Magie ganz offen aus, Drúdir würde es mit einem Lynchmob zu tun bekommen, wenn er es tut. Bei Drúdir sind es außerdem keine besonderen Föhigkeiten über die Magie hinaus, die er akzeptieren muss, sondern seine Magie an sich. Ich find, das ist so ein bisschen Apfel mit Birnen vergleichen.
So oder so, ich verlink die Rezi mal fix noch in meinem Post :)
Liebe Grüße