Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Sonntag, 22. Januar 2017

Rezension: Nils Holgersson von Selma Lagerlöf [abgebrochen]

Die Geschichte Nils Holgerssons ist weltberühmt. Nicht zuletzt gewann die schwedische Autorin Selma Lagerlöf dafür sogar einen Literaturnobelpreis. Die Geschichte erhielt zahlreiche Adaptionen, viele erinnern sich vielleicht noch an den Anime des japanischen Studios Gibli. Zahlreiche Generationen von Jung und Alt konnten sich bereits für die Reise des Jungen mit den Wildgänsen begeistern.

Nils Holgersson, der Gänsejunge, ist ein ganz und gar ungezogenes Kind. Er zieht der Katze an den Schwanz, zupft den Gänsen an den Federn und kümmert sich nicht um seine Schulaufgaben. Damit bereitet er seinen Eltern eine ganze Menge Kummer. Zur Strafe verwandelt ein Kobold den Jungen in einen Däumling. Das ermöglicht es ihm zwar, mit der Gans Martin und den Wildgänsen Akkas zu reisen, doch sein Leben als Mensch möchte er dennoch wiedererlangen. 


Die weltberühmte Geschichte beginnt mau und bleibt mau. Ich wollte sie wirklich mögen, immerhin erhielt sie einen Literaturnobelpreis. Schlussendlich habe ich jedoch nur 276 Seiten geschafft und danach das erste Mal seit Jahren vor einem Buch kapituliert. Nein, es hatte mir einfach keinen Spaß gemacht. Die Rezension bezieht sich auf den Inhalt der angegeben Seiten.

Es fängt bereits damit an, dass uns lediglich gesagt wird, was für ein ungezogener Junge Nils doch sei. In Rückblenden erfahren wir zwar weitere Details, aber dennoch bekommt der Leser nicht wirklich etwas davon zu sehen. Gerade um seine Sinneswandlung hin zum Guten noch eindrucksvoller zu gestalten, hätte es dem Werk ausgesprochen gut getan, wenn Lagerlöf nicht mit der Verwandlung anfinge, die quasi der Gipfel der Unartigkeit und der Wendepunkt in Nils Geschichte war. Damit steht seine Wandlung hin zu einem artigen Kind in keinerlei Gegenzug zu seinem vorherigen Wesen, womit enorm viel Spannung verloren geht.

Auch der Stil ist eher als mau zu bezeichnen. Der Höhepunkt war eine Stelle, in der auf nicht einmal zwei Seiten mindestens zehnmal und mehr von einer Botanisiertrommel gesprochen wird mit einzigem Synonym Botanisierkapsel. Am prägendsten für den Stil sind jedoch die zahlreichen Abschweifungen von der Haupthandlung, bei denen man sich oft lange fragt, was die da nun zu suchen haben, oder ob es nur seitenlanges Schwadronieren über die Landschaft und Sagenwelt der skandinavischen Länder ist. Wer sich darauf einlassen kann, wird sicher seine Freude daran haben, ich fand es einfach nur ermüdend, dem literarischen Geographieunterricht Lagerlöfs zu folgen.

Der Roman ist vor allem davon geprägt, dass Dinge passieren. Dann passieren noch mehr Dinge, und dann passieren andere Dinge. Sie reihen sich wie Perlen an der roten Schnur des Leitfadens »Reise nach Lappland«, sind aber selten direkt miteinander verbunden. Nur Reineke Fuchs tritt immer wieder als Gegenspieler zu Akkas Gänsen auf. Episodenhaftes Erzählen ist nicht jedermanns Geschmack, bedingt dadurch, dass ich einfach keinen Zugang zu der Geschichte gefunden habe, konnte ich mich dieses Mal auch damit nicht anfreunden.

Die Ausgabe, die ich gelesen habe, war zudem reich bestückt mit Zeichenfehlern. Da fehlten gern einmal die Anführungszeichen und Kommas wurden hin und wieder auch unter den Tisch gekehrt. Für eine bibliophile Ausgabe war das eindeutig zu viel. Das darf einfach nicht passieren!

Ehrlich gesagt habe ich von einem Literaturnobelpreisträger eine literarische Offenbarung erwartet. Das Urteil kann nicht gegenteiliger ausfallen. Nils Holgersson ist definitiv nichts für mich. Vielleicht können andere der Geschichte mehr abgewinnen. Vielleicht sollte ich nach dieser Erfahrung auch einfach generell nicht mehr so viel von solchen Preisträgern erwarten … Da waren doch ein paar grobe Schnitzer dabei.


Autor: Selma Lagerlöf
Titel: Die wundersame Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen
Original: Nils Holgerssons underbara resa genom Sverige
Sprache: Deutsch
Reihe: Nein
Seiten: 684
Originalpreis: ?
Verlag: Anaconda / Bild
Genre: Kinderbuch
ISBN: 978-3-942656-21-4
Erscheinungsjahr: 2011

2 Kommentare:

  1. Hey, also zu einigen Punkten muss ich nochmal was dazu sagen.
    1. Du meinst: "Am prägendsten für den Stil sind jedoch die zahlreichen Abschweifungen von der Haupthandlung, bei denen man sich oft lange fragt, was die da nun zu suchen haben, oder ob es nur seitenlanges Schwadronieren über die Landschaft und Sagenwelt der skandinavischen Länder ist."
    Was die da zu suchen haben, ist leicht erklärt.
    Dieses Buch war von Anfang an nicht als Roman geschrieben. Wenn man es streng nimmt, ist das ein schwedisches Heimatkunde- und Geographiebuch für Grundschüler. Und genau zu diesem Zweck wurde es geschrieben.
    Das bedeutet, dass dieser Teil, den du so überflüssig findest, ist der Hauptinhalt des Buches.
    Die Geschichte um Nils ist eigentlich nur eine kleine Zugabe, um das Ganze für die Kinder ein bisschen ansprechender zu gestalten.
    Viele Pädagogen damals haben übrigens genau gegenteilig argumentiert, sie fanden die ausgedachten Elemente viel zu dominant und waren dafür, die Story noch mehr zu kürzen oder gesamt rauszuschneiden.
    2.) Zu "Ehrlich gesagt habe ich von einem Literaturnobelpreisträger eine literarische Offenbarung erwartet."
    Der Literaturnobelpreis zeichnet in der Regel nicht die spannenden oder sehr gut geschriebenen Bücher aus, sondern hat seinen Fokus eher auf der Innovation und auch auf der gesellschaftlichen und politischen Rolle der Literatur. Die Preisträger sollten in der Regel etwas bewegt haben und für eine Veränderung gesorgt haben. Insofern finde ich Nils Holgerson durchaus ein würdiger Preisträger, da das Buch ein Vorreiter für die Verbindung von Sachbuch mit fiktionalen Elementen ist.
    Als das muss man es meiner Meinung nach auch lesen. Es ist und bleibt nun mal ein Sachbuch.
    Aber über die Landschaft, über die sie in den 200 Seiten geflogen sind, hast du hoffentlich einiges gelernt.

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    1. Hallo,

      zu 1.) ein Zitat aus der Rezi: "ich fand es einfach nur ermüdend, dem literarischen Geographieunterricht Lagerlöfs zu folgen." Mir ist sehr wohl bewusst, wozu das geschrieben wurde. Halte ich Tolkien dagegen, bin ich aber der absolut felsenfesten Überzeugung, dass man Landschaftsbeschreibung und Geographie weitaus poetischer und schöner verpacken kann. Halte ich auch Fettlogik überwinden dagegen, bin ich ebenso der felsenfesten Überzeugung, dass man Sachbücher weitaus unterhaltsamer und anregender verpacken kann.
      zu 2.) Warte, bist du die Kira, die ich kenne? Dann müsstest du doch wissen, dass mir genau das sehr wohl bewusst war und ich das Buch vor genau diesem Hintergrund gelesen habe. Ich finde die kanonisierenden Aspekte bei Lagerlöfs Holgerson einfach nicht.

      Du scheinst das Buch sehr zu mögen. Es tut mir ja leid, aber ich kann dem vorn und hinten nichts abgewinnen.

      Liebe Grüße

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