Mit seinem Namen wurde einem Menschen auch seine Seele
gegeben, sagten sich bereits die alten Germanen. Und den Spruch »Nomen est
omen« kennt sicher jeder. Namen haben eine Bedeutung, vielleicht auch eine
gewisse Macht. Nicole Gozdek hat das in ihrem Jugendfantasy-Roman »Die Magie
der Namen« auf die Spitze getrieben und Namen mächtige Magie zugeschrieben.
Zu Beginn ihres Lebens sind alle Menschen bloße Nummern.
Wenn sie sechzehn Jahre alt werden, wird ihnen ihr Name verliehen, der ihr
ganzes weiteres Leben bestimmt. Denn wer einen Namen bekommt, wird durch die
Namenmagie erst wirklich zu einer Persönlichkeit. Nummer 19 träumt davon, ein
großer Name zu werden. Als seine Namenzeremonie kommt und er den Namen Tirasan
Passario bekommt, ist er jedoch enttäuscht. Niemand scheint den Namen zu kennen
und wirklich etwas hat sich durch die Namenmagie auch nicht verändert. Wer ist
Tirasan Passario? Tir und seine Freunde brechen zum großen Namensarchiv auf, um
eine Antwort auf diese Frage zu bekommen.
Der Roman schreit förmlich danach, unter onomastischen, das
heißt namenkundlichen Aspekten gelesen zu werden. Und ja, Namenkunde und nicht NamenSkunde, da fängt es ja schon an mit den
Dingen, die mich fuchsig gemacht haben …
Die Leseprobe hatte sehr vielversprechend geklungen, und die
Grundidee des Romans ist noch immer sehr cool. Die Umsetzung ist dagegen eher
semispektakulär, fast schon ordinär und langweilig im Vergleich zu dem, was
versprochen wurde.
Das Hauptproblem, das ich sehe, ist, dass der Roman nur an
der Oberfläche der Namenthematik kratzt. Wir finden hier nichts
Namenkundliches, das über das hinaus geht, das jeder Laie sich auch so, ohne
sich jemals mit Onomastik beschäftigt zu haben, zusammenreimen kann, was
ausgesprochen schade ist. Man hätte so viel mehr da raus holen können!
Das Namensystem ist schlicht, fast schon arm, da die
Namengebungsmotivik ausschließlich aus Berufsnamen besteht. Die Vornamen sind
nicht gegliedert, eine Bedeutung ist nicht gegeben. Man erfährt nur, dass Vornamen
mit weniger Gliedern bedeutsamer sind – was auch immer das heißen mag. Zumal
das anscheinend nicht konsequent durchgezogen ist. Tirasan ist angeblich ein
zweigliedriger Name, wenn sich die Glieder aber nicht nach dem
Augenscheinlichen, den Silben, richten, so wurde das nie angesprochen und
Tirasan ist demnach eigentlich doch ein dreigliedriger Name. Wie die
Vornamengebung motiviert ist, wird also schon einmal absolut nicht ersichtlich,
was im Angesicht der Thematik schwach ist.
Und dann liest man noch Aussagen wie diese: »Spitznamen, die
keine Namen sind«. Ja, was denn sonst? Käsekuchen? Natürlich sind Spitznamen
Namen, selbst wenn man jemanden »Hinkebein« oder dergleichen nennt! Sie sind
sogar so sehr Namen, das das eine der Quellen für unsere heutige
Familiennamenmotivik ist.
Die Charaktere bleiben eher flach. Nachdem sie ihren Namen
bekommen haben, werden sie ausschließlich von der Namenmagie bestimmt, ihre
vorigen Charakterzüge scheinen nicht mehr die allergrößte Rolle zu spielen.
Auch das hätte man vertiefen können, ebenso den Umstand, dass Kinder spätestens
ein Jahr nach ihrer Geburt in Schulen gegeben werden. Das wird gemacht, damit
ihre Eltern nicht in Versuchung geraten, ihnen einen Namen zu geben und
vorzeitig die Namenmagie zu erwecken, was tödliche Folgen haben kann und daher
verboten ist. Aber was macht es mit einem Kind, wenn es in einer fast schon
sterilen Umgebung eines Internats aufwächst, ohne elterliche oder andere
Fürsorge (denn es wirkte nicht so, als würden die Pfleger groß eine Bindung zu
den Kindern aufbauen wollen) und nur mit einer Nummer, mit der ihnen jegliche
Individualität abgesprochen wird. Ganz ehrlich: Warum zeigt niemand Spuren
dieser Behandlung? Das prägt einen doch, selbst wenn man es nicht anders kennt!
Nebst den Charakteren können auch die Dialoge nicht immer
überzeugen. Im Rahmen eines Jugendbuches finden sich hier keine völlig
hochgestochenen Formulierungen, was also durchaus angemessen ist. Allerdings
wirken die Dialoge streckenweise sehr aufgesetzt und gekünstelt und lesen sich
nicht immer wie ein tatsächliches Gespräch.
Abgesehen von der Grundidee, die trotz der gescheiterten
Umsetzung schon sehr cool bleibt, kann man dem Roman zumindest zugutehalten,
dass er sich sehr schnell liest. Man ist durchaus an einem Nachmittag damit
durch.
Der Roman verspricht viel und hält wenig davon. Sehr schade,
denn die Grundidee hat auf jeden Fall etwas. Der Gewinner des #erzaehlesuns
Awards 2016 von Piper auf Wattpad hat auf jeden Fall extrem viel Luft nach oben
und nur wenig nach unten. Man sollte den Roman also auf keinen Fall unter
onomastischen Gesichtspunkten lesen, denn dem kann er nicht standhalten.
Autor: Nicole Gozdek
Titel: Die Magie der Namen
Sprache: Deutsch
Reihe: Band 1
Seiten: 368
Originalpreis: 16,99€
Verlag: Piper
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3-492-70387-1
Erscheinungsjahr: 2016
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