Tolkien meets Steampunk
Swantje Niemann
liest auf der Leipziger Buchmesse aus ihrem Roman Drúdir 2
Was
wäre, wenn eine Welt wie Tolkiens Mittelerde eine industrielle Revolution
erleben würde, fragte sich Autorin Swantje Niemann. Und schwupps, war die Idee
zum magiebegabten Zwerg Drúdir entstanden. So berichtet sie den gespannt
lauschenden Zuschauern am Sonntag der diesjährigen Leipziger Buchmesse.
Man
merkt ihr die anfängliche Unsicherheit an. Die Worte purzeln zunächst
übereinander und ihre Stimme zittert etwas. Aber he, ich hätt’s nicht besser
gekonnt in dem Moment. Das ganze gibt sich, sobald sie anfängt, aus ihrem
neuesten Roman zu lesen.
Ich
hatte bereits den ersten Band der Reihe gelesen und wundere mich daher zunächst,
dass sie keine Szene wählte, in der Drúdir selbst auftritt. Nach und nach geht mir
aber auf, dass das ein recht cleverer Schachzug war, da die gewählte Stelle
neugierig macht, wer denn nun Drúdir sei. (Ich habe mir übrigens sagen lassen,
dass man den ersten Band nicht unbedingt gelesen haben muss, um »Masken und
Spiegel«, so der Titel des zweiten, verstehen zu können.)
Wie
auf der Messe üblich gibt es einen harten Kern ganz vorn, der gespannt zuhört
(nein, der war ganz bestimmt nicht um mich versammelt, niemals!), während man
sich dahinter ausruht, der Lesung folgt, dabei eine Stärkung zu sich nimmt oder
vielleicht auch einfach nur da ist, um mal die rauchenden Füße auszuruhen.
Während die Massen an der Leseinsel vorbei ziehen, hört doch der Gros der
Zuhörer gespannt zu. Ganz besonders ein kleines Mädchen, das ein Eis hatte
abstauben können und munter vor der Bühne herumturnt, um Swantje ihr das Eis
vorzukauen. Gemein! Ich will auch Eis!
Alles
in allem war es eine gute, wenn auch keine herausragende Lesung. Hier ein Kaliber
a lá Heitz zu erwarten, wäre allerdings zu viel. So war die Lesung in ihrem
Rahmen durchaus gelungen und mit mehr Erfahrung (die hoffentlich kommt, sie sei
Swantje gegönnt!) kommt auch mehr Routine und Sicherheit. Immerhin gab’s nach
der Lesung durchaus ein paar verkaufte Exemplare mehr am Stand der Edition
Roter Drache, und damit ist doch alles erreicht. Nicht wahr?
Die
Veranstaltung:
Swantje Niemann liest aus Masken und Spiegel (Drúdir #2), Moderation: Swantje
Niemann, Messegelände, 24.3.2019, 12.30 Uhr
Das Buch: Swantje Niemann:
Masken und Spiegel (Drúdir #2). Edition Roter Drache, Remda-Teichel 2019, 368
Seiten, 16,00 Euro
Swantje war so
lieb und schilderte für mich ihre Lesung aus ihrer Sicht. Mich hatte schon
immer brennend interessiert, wie das so für Autor*innen ist, daher freue ich
mich sehr, dass sie in meine Bitte einwilligte! Also bitte sehr: Ein kleiner
Einblick hinter die Kulissen einer solchen Lesung.
Lesungen!
Ich
konnte es kaum glauben, als mein Verleger mich in einer Mail fragte, wie meine
Lesung für die Leipziger Buchmesse angekündigt werden sollte. Meine. Lesung.
Für. Die. Leipziger. Buchmesse. Es war keineswegs meine erste Lesung, aber die
erste in einem so großen Rahmen.
Die
Vorbereitung glich allerdings der früherer Lesungen. Ich musste eine Stelle
aussuchen und mir überlegen, was ich in den unbehaglichen ersten Minuten
erzählen sollte, bevor ich in den Text eintauchte. Diesmal war ich in einer
besonders schwierigen Situation, weil ich einen zweiten Band präsentierte. Die
Stelle die ich auswählte, durfte keine Spoiler enthalten, und ich musste vorher
kurz den Inhalt des ersten Bandes umreißen.
Amalia
Zeichnerin hat auf Facebook von einer Autorenkollegin erzählt, die in jedes
ihrer Bücher eine spoilerfreie Stelle schreibt, damit sie etwas zum Vorlesen
hat. Ich denke, ich werde mir ein Beispiel daran nehmen, denn obwohl ich alles
in allem sehr zufrieden mit „Drúdir – Masken und Spiegel“ bin, gibt es keine
Szene, die wirklich heraussticht, und Spoiler lauern überall. Ich habe dann
doch eine Stelle gefunden, aber war nicht 100% zufrieden. Der Zeitrahmen war
typisch für eine solche Veranstaltung: ein 30-Minuten-Slot. Das reicht bei mir
ungefähr für ein Kapitel, wenn ich es ein bisschen kürze.
Ich
schrieb einen Einleitungstext und las alles meinem Freund vor, während er die
Zeit stoppte. Den Text mindestens einmal laut gelesen zu haben, ist
entscheidend. Dann können auch kleine Änderungen vorgenommen werden, z.B.
Satzzeichen oder Absätze, die signalisieren, wo Atempausen hingehören, oder
Kürzungen von Passagen, die unverständlich oder unnötig sind, wenn der Kontext
fehlt.
Wie
viele Frauen habe ich das Problem, dass ich eine eher hohe, leise Stimme mit
vergleichsweise geringem Umfang habe. Das „leise“ behebt ein Mikrofon, aber der
geringe Umfang kann zum Problem werden, wenn sich in einem Abschnitt drei Leute
unterhalten. Meine Tricks, trotzdem verschiedene Stimmen hinzukriegen, sind
folgende
- variieren, mit wie viel „Luft“ ich spreche
- Tempo variieren à ich habe z.B. den älteren Mann langsamer und bedächtiger sprechen lassen und es dafür nicht damit übertrieben, mich an einer tiefen Stimme zu versuchen
- Kleine Manierismen. Macht eine Figur z.B. mehr Pausen oder streut mehr „Ähm’s“ ein?
- Emotion à nervöses Kichern, belegte Stimme, …
Das alles probiere ich immer erstmal zu Hause aus. Auf der Bühne gelingt es mir verblüffend gut, denn auf sonderbare Weise fällt die Nervosität von mir ab, wenn ich erst einmal zu lesen beginne. Es sind immer nur diese ersten Minuten freien Sprechens, die mir schwer fallen.
Wenn
ich freier darin bin, was für Stellen ich auswählen kann, entscheide ich mich
gerne für solche, in denen sich in irgendeiner Weise der Status Quo verändert,
und breche ab, wenn klar geworden ist, was für ein Konflikt sich anbahnt, oder
aber bevor der Konflikt seinen Höhepunkt erreicht. Viele Autor*innen bringen
gerne Actionszenen mit, aber gerade deshalb bin ich mit so etwas vorsichtig. Es
kann ermüdend sein, wenn drei Autor*innen hintereinander Kampfszenen vorlesen,
und eine Verfolgungsjagd oder ein Kampf, bei dem man die beteiligten Figuren
nicht kennt, sind in einem Buch nicht annähernd so effektiv, wie sie es in
einem Film wären, wo eine schöne Choreographie und Kameraführung ausreicht, um
sie zu tragen.
Falls
ich eine längere Lesung plane, bevorzuge ich als Lesende und Zuhörerin mehrere
kurze Abschnitte. Menschen konzentrieren sich in der Regel ungefähr sieben
Minuten am Stück, und dem können dann die Abschnitte angepasst werden.
Helfen
solche Überlegungen und Vorbereitungen gegen die Aufregung? Nicht wirklich.
Aber das Gefühl, mit weichen Knien
aufzustehen und von völlig Fremden gesagt zu bekommen, dass man ihr Interesse
geweckt hat und sie jetzt das Buch kaufen wollen, ist es absolut wert, diese in
Kauf zu nehmen.
Hey
AntwortenLöschenEin toller Bericht zur Lesung und sehr interessant, das Ganze aus beiden Perspektiven zu lesen. Es gibt ja sogar Überschneidungen, die zeigt, dass die Autorin eine gute Selbstwahrnehmung hat. Zu den Vorbereitungen etwas zu lesen, finde ich auch klasse.
LG, Moni