Mit Gedichten verbindet mich eine seltsame Hassliebe. In der
Schule (und eigentlich auch im Studium) habe ich Gedichtinterpretationen auf
Note gehasst und dennoch habe ich immer ziemlich gut dabei abgesahnt. Privat
lese ich sie aber durchaus gerne, besonders, weil ich finde, dass gerade in
Gedichten die Schönheit und Kunstfertigkeit der Sprache zur Geltung kommt. Und
wenn dann noch eine humoristische Komponente dazu kommt … Long story short: Ich
konnte zu den traurigen Balladen »Vom Einsamen Emoeinhorn Erna, das wie alle
sein wollte« von Alex Simm einfach nicht nein sagen.
»Eine Sonne mit Burnout, ein adipöses Walross, das Germany’s
Next Topmodel werden möchte und ein trauriges Emoeinhorn mit Gewichtsproblemen
– allerlei befremdliche Gestalten tummeln sich in Alex Simms Balladen.
Erzählende Lyrik mit Hintersinn und Witz zu den Problemen unserer Zeit – und
natürlich alles andere als traurig!
Kaum eine Schülergeneration, die nicht wenigstens eine
Ballade in der Schulzeit auswendig lernen musste. Ob „Erlkönig“,
„Zauberlehrling“, „Glocke“ oder „Bürgschaft“, „John Maynard“ oder „Herr von
Ribbeck“. Balladen gehören zu den faszinierendsten Dichtungen. Aber Balladen
von Schnapsdrosseln, Schluckspechten, Hipster-Sündenböcken oder
fleischfressenden Pflanzen, die Veganer werden wollen?
Alex Simm gibt den Zeiterscheinungen des 21. Jahrhunderts
eine absurde Gestalt. Ob Schönheitsideale, Ernährungsverhalten, Medienkonsum
oder andere Fragen balladesk überzeichnet werden: Simms komische Dichtungen
berühren, weil sie unser eigenes Leben spiegeln.«
(Quelle: Verlag)
In der Tat: Simm spielt wunderbar mit der Sprache. Da wird
dann auch mal eben der Schnee von gestern zur Flut von morgen. Auf
ausgesprochen erfrischende Weise greift er altbekannte Sprichwörter und Motive
auf und betrachtet mit ihrer Hilfe und auf urkomische Weise moderne Phänomene
wie den Klimawandel, die Entmenschlichung in der Arbeitswelt oder den
Schönheitswahn, dem sich alle zu unterwerfen scheinen.
Der Autor arbeitet stark antithetisch, was ein deutliches Spannungsfeld
aufbaut. Das soll seine Aussage unterstreichen, dass wir alle uns nicht in
vorgefertigte Rollenbilder pressen lassen sollen, sondern es oft besser ist,
einfach man selbst zu sein. Mit bitterbösem Humor legt Simm den Finger genau da
hin, wo es weh tut, zeigt gesellschaftliche Probleme und schädliche Strukturen
auf und übt somit an ihnen Kritik und
mahnt.
Ich habe mich so einige Male vor Lachen gekringelt beim
Lesen, so böse der Humor auch manchmal war. Und als ich mir einige der
Audioaufnahmen anhörte, die hinten im Buch verlinkt sind, so hat es mich
förmlich zerfetzt. Das Ganze noch einmal rezitiert zu hören, gibt dem noch ein
gewisses Extra, das zumindest bei mir noch einmal deutlich mehr die Lachmuskeln
anstrengt.
Einige der Balladen wirken jedoch stellenweise mehr nach
»Reim dich oder ich fress‘ dich«. Klar, in der modernen Lyrik kein Ding, meinen
persönlichen Geschmack trifft es jedoch nicht zu 100%, zumal sich Simm hier in
die Tradition der hochgeschätzten Balladen begibt.
Illustriert ist jede Ballade von Cora Otté mit detaillierten
und sehr schönen Zeichnungen.
Die Gedichte sind als Schullektüre vorgeschlagen. Gerade in
Zeiten von Fridays For Future halte ich das für eine sehr gute Sache, mal nicht
nur die altbekannten, trockenen Klassiker zu behandeln, sondern auch Stoff, der
die Schüler direkt tangiert. Ich denke, dass man ihnen so besser zeigen kann,
dass die deutsche Sprache eine ganz wunderbare sein kann. Alles in allem also
eine wirklich erheiternde und zum Nachdenken anregende Lektüre, die ich
herzlich weiterempfehlen kann.
Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des
Rezensionsexemplares.
Mögliche Trigger
- Mir persönlich sind keine aufgefallen, ich lasse mich
jedoch gern eines bessere belehren.
Werbung nach §6 TMG
Reiheninformation
Autor*in: Alex Simm
Titel: Vom Einsamen Emoeinhorn Erna, das wie alle sein wollte
Sprache: Deutsch
Umschlagillustration: Cora Otté
Reihe: Nein
Seiten: 103
Originalpreis: 11,00€
Verlag: Satyr Verlag
Genre: Poesie
ISBN: 978-3-994106-06-6
Erscheinungsjahr: 2018
Oh, wie traurig der Titel klingt :(
AntwortenLöschenIch entdecke momentan auch ein wenig Poesie für mich, danke für den tollen Tipp! :)
Liebst, Lara von Fairylightbooks :)