Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Freitag, 29. März 2019

Rezension: Vom Einsamen Emoeinhorn Erna, das wie alle sein wollte von Alex Simm


Mit Gedichten verbindet mich eine seltsame Hassliebe. In der Schule (und eigentlich auch im Studium) habe ich Gedichtinterpretationen auf Note gehasst und dennoch habe ich immer ziemlich gut dabei abgesahnt. Privat lese ich sie aber durchaus gerne, besonders, weil ich finde, dass gerade in Gedichten die Schönheit und Kunstfertigkeit der Sprache zur Geltung kommt. Und wenn dann noch eine humoristische Komponente dazu kommt … Long story short: Ich konnte zu den traurigen Balladen »Vom Einsamen Emoeinhorn Erna, das wie alle sein wollte« von Alex Simm einfach nicht nein sagen.

»Eine Sonne mit Burnout, ein adipöses Walross, das Germany’s Next Topmodel werden möchte und ein trauriges Emoeinhorn mit Gewichtsproblemen – allerlei befremdliche Gestalten tummeln sich in Alex Simms Balladen. Erzählende Lyrik mit Hintersinn und Witz zu den Problemen unserer Zeit – und natürlich alles andere als traurig!
Kaum eine Schülergeneration, die nicht wenigstens eine Ballade in der Schulzeit auswendig lernen musste. Ob „Erlkönig“, „Zauberlehrling“, „Glocke“ oder „Bürgschaft“, „John Maynard“ oder „Herr von Ribbeck“. Balladen gehören zu den faszinierendsten Dichtungen. Aber Balladen von Schnapsdrosseln, Schluckspechten, Hipster-Sündenböcken oder fleischfressenden Pflanzen, die Veganer werden wollen?
Alex Simm gibt den Zeiterscheinungen des 21. Jahrhunderts eine absurde Gestalt. Ob Schönheitsideale, Ernährungsverhalten, Medienkonsum oder andere Fragen balladesk überzeichnet werden: Simms komische Dichtungen berühren, weil sie unser eigenes Leben spiegeln.«
(Quelle: Verlag)


In der Tat: Simm spielt wunderbar mit der Sprache. Da wird dann auch mal eben der Schnee von gestern zur Flut von morgen. Auf ausgesprochen erfrischende Weise greift er altbekannte Sprichwörter und Motive auf und betrachtet mit ihrer Hilfe und auf urkomische Weise moderne Phänomene wie den Klimawandel, die Entmenschlichung in der Arbeitswelt oder den Schönheitswahn, dem sich alle zu unterwerfen scheinen.

Der Autor arbeitet stark antithetisch, was ein deutliches Spannungsfeld aufbaut. Das soll seine Aussage unterstreichen, dass wir alle uns nicht in vorgefertigte Rollenbilder pressen lassen sollen, sondern es oft besser ist, einfach man selbst zu sein. Mit bitterbösem Humor legt Simm den Finger genau da hin, wo es weh tut, zeigt gesellschaftliche Probleme und schädliche Strukturen auf  und übt somit an ihnen Kritik und mahnt.

Ich habe mich so einige Male vor Lachen gekringelt beim Lesen, so böse der Humor auch manchmal war. Und als ich mir einige der Audioaufnahmen anhörte, die hinten im Buch verlinkt sind, so hat es mich förmlich zerfetzt. Das Ganze noch einmal rezitiert zu hören, gibt dem noch ein gewisses Extra, das zumindest bei mir noch einmal deutlich mehr die Lachmuskeln anstrengt.

Einige der Balladen wirken jedoch stellenweise mehr nach »Reim dich oder ich fress‘ dich«. Klar, in der modernen Lyrik kein Ding, meinen persönlichen Geschmack trifft es jedoch nicht zu 100%, zumal sich Simm hier in die Tradition der hochgeschätzten Balladen begibt.

Illustriert ist jede Ballade von Cora Otté mit detaillierten und sehr schönen Zeichnungen.

Die Gedichte sind als Schullektüre vorgeschlagen. Gerade in Zeiten von Fridays For Future halte ich das für eine sehr gute Sache, mal nicht nur die altbekannten, trockenen Klassiker zu behandeln, sondern auch Stoff, der die Schüler direkt tangiert. Ich denke, dass man ihnen so besser zeigen kann, dass die deutsche Sprache eine ganz wunderbare sein kann. Alles in allem also eine wirklich erheiternde und zum Nachdenken anregende Lektüre, die ich herzlich weiterempfehlen kann.


Ich danke dem Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.


Mögliche Trigger
- Mir persönlich sind keine aufgefallen, ich lasse mich jedoch gern eines bessere belehren.

Werbung nach §6 TMG
Reiheninformation
Autor*in: Alex Simm
Titel: Vom Einsamen Emoeinhorn Erna, das wie alle sein wollte
Sprache: Deutsch
Umschlagillustration: Cora Otté
Reihe: Nein
Seiten: 103
Originalpreis: 11,00€
Verlag: Satyr Verlag
Genre: Poesie
ISBN: 978-3-994106-06-6
Erscheinungsjahr: 2018

1 Kommentar:

  1. Oh, wie traurig der Titel klingt :(
    Ich entdecke momentan auch ein wenig Poesie für mich, danke für den tollen Tipp! :)

    Liebst, Lara von Fairylightbooks :)

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