Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Freitag, 2. Dezember 2016

Rezension: Arcanum Unbounded: The Cosmere Collection von Brandon Sanderson

Spoilerwarnung! Bedingt dadurch, dass einige der Geschichten die in ihrem System spielenden Romane spoilern, lassen sich Spoiler nicht vermeiden. Die Besprechungen der einzelnen Geschichten hielt ich jedoch möglichst spoilerfrei.

Nur wenige Autoren machen sich wie beispielsweise Tolkien die Mühe, ihre Werke zu einem einzigen Kosmos zu kreieren und diesen Werk für Werk weiter auszubauen. Brandon Sanderson gehört definitiv dazu. Er hat viele Reihen, die sich alle intensiv ihrer eigenen Welt widmen, allen voran die Mistborn- und Stormlight-Bücher. Um das jedoch noch einmal zu krönen, sind auch diese Welten untereinander und miteinander verbunden. Brandon Sanderson schafft nicht nur Welten, er erschafft ganze Universen mit seinen Worten, seinen ganz eigenen Cosmere. Nebst den Romanen und Romanreihen, die im Cosmere spielen gibt es jedoch auch zahlreiche Kurzgeschichten (wobei »kurz« bei Sanderson relativ ist), einige davon bereits in anderen Anthologien erschienen und andere wiederum einzeln als eBook erhältlich.

»Mensch, so eine Sammlung von Cosmere-Novellen wäre schon was.« Das dachten sich mit Sicherheit bereits viele Leser von Brandon Sanderson – und er offensichtlich auch. Nun gibt es endlich, endlich das geballte Cosmere in einem Buch zusammengefasst, darunter namhafte Kurzgeschichten wie »The Emperor’s Soul«, »The Eleventh Metal« oder »Shadows for Silence in the Forests of Hell« sowie eine nur für diese Sammlung geschriebene Stormlight-Novella mit dem Titel »Edgedancer«.



Arcanum Unbounded ist ein Fest, sowohl in literarischer als auch künstlerischer Hinsicht. Das Cover ziert Khriss, eine Angehörige jener noch namenlosen Rasse, zu der (vermutlich) auch Hoid gehört und die zwischen den Welten reisen kann; das Coppermind Wiki nennt sie Worldhopper nach ihrer Fähigkeit, zwischen den Welten zu reisen. Ganz passend zu ihrer noch immer mysteriösen Identität ist ihre Gestalt verhüllt, das Gesicht unter der Kapuze in Schatten gehüllt. Man weiß von ihr kaum mehr als dass sie eine Gelehrte ist, die anscheinend den Cosmere oder Teile davon studiert, passend dazu hält sie ein Buch in Händen. Zudem ist sie diejenige, welche die Ars Acrana am Ende eines jeden Cosmere-Romans geschrieben hat. Laut der Coppermind Wiki ist sie eine der Gelehrten aus »White Sand«, die Kenton für eine kleine Weile begleiten. Sie bestätigt das auch noch einmal indirekt in der Vorstellung des Selish System.

Schlägt man das Buch auf, findet man auf der Innenseite des Covers eine astrologische Karte des Cosmere. In dieser sind die einzelnen Planeten beziehungsweise ihre Sonnensysteme verzeichnet. Optisch sehr schön gestaltet sind die Sternenbilder, in denen sich die einzelnen Systeme befinden.

Das Buch ist in sich nach den verschiedenen Systemen gegliedert. Zu jedem System gibt es eine Zeichnung der Planeten, wie sie sich um ihre Sonne gruppieren, und ihrer eventuellen Trabanten. Zudem hat Khriss jedem System ein kleines Vorwort beigegeben, in dem sie einige Worte zum System und seinen Besonderheiten verliert. Nach diesem Vorwort folgen die Kurzgeschichten, die sich dem System zuordnen. Vor jeder Kurzgeschichte ist eine seitenfüllende Zeichnung beigegeben, die eine Szene aus der Geschichte illustriert, ohne dabei zu viel zu spoilern. Zudem hat Sanderson zu jeder Geschichte ein Postscript verfasst, das interessante Details zur Entstehungsgeschichte verrät sowie, was man vielleicht noch in Zukunft erwarten kann.

Die Zeichnungen und Illustrationen stammen von Ben McSweeney und Isaac Stewart. Insbesondere letzterer arbeitet seit Jahren mit Sanderson zusammen, von ihm stammen die vielen kleinen Icons vor den Kapitelanfängen und die Illustrationen beispielsweise der allomantischen Zeichen und der Aons in den Ars Arcana. Ben McSweeney trug mit seinen Illustrationen maßgeblich zum Lesegefühl des Arcanum Unbounded bei. In einem Interview mit Tor erzählte er einiges zu den Zeichnungen, die er für das Buch anfertigte, unter anderem auch, dass er sich für einen holzschnittähnlichen Stil entschied. Wobei der manchmal doch eher in Richtung einer Fineliner-Zeichnung rutschte.


Das erste System ist Selish mit dem Planeten Sel, der Welt von Elantris und The Emperor’s Soul. Khriss beschreibt Sel als sehr lebensfreundlich mit einer abwechslungsreichen Oberfläche. Bemerkenswert ist, dass es auf dem Planeten zwei Adonalsium-Splitter, Dominion und Devotion, gibt, ein Zustand, den sie »dishardic« nennt. Die Kultur und Magie der Völker Sels sind stark von den Splittern beeinflusst. Eine sehr eindrucksvolle Ausprägung dessen sind sowohl die Aons aus »Elantris« und das Stempeln aus »The Emperor’s Soul«. Die Splitter wurden bereits in prähistorischer Zeit zerstört, ihr Einfluss lebt jedoch fort.


The Emperor’s Soul

»The Emperor’s Soul« ist die erste Kurzgeschichte, die dem Selish System angehört, und macht gleichzeitig den Auftakt zu »Arcanum Unbounded«. Und was für ein Auftakt das ist! Erzählt wird die Geschichte Shais, einer Diebin der besonderen Art. Sie ist ein sogenannter Forger, das heißt, sie kann mithilfe von Stempeln Dinge nach ihrem Willen verändern, indem sie ihre Seele, wie sie es nennt, stempelt. Ihre Kunst ist im Rose Empire gehasst, und hinzukommt, dass sie sowohl ein wertvolles Gemälde aus dem kaiserlichen Palast als auch das Zepter stahl. Das zusammen mit ihrer Kunst sind Verbrechen, die ihr den Tod bringen sollen. Doch zu ihrem Glück wird während ihrer Gefangenschaft ein Attentat auf den Kaiser verübt, das er zwar überlebt, bei dem sein Gehirn jedoch einen irreparablen Schaden erleidet. Sie ist die einzige, die die Fähigkeiten hat, seine Seele neu zu stempeln und seiner leeren Körperhülle eine neue Seele zu geben. Diese soll eine exakte Replik der alten sein – und sie hat nur hundert Tage für etwas Zeit, das, wenn es überhaupt möglich ist, Jahre braucht.

Das Faszinierendste an dieser Geschichte ist, dass sich alles um den Charakter einer Person, dem Kaiser, dreht, die erst ganz am Ende der Geschichte für einen kurzen Moment auftritt. Darum herum gruppiert sich alles andere. Auch Shai wird sehr lebhaft illustriert, wie sie sowohl ihre Mitmenschen als auch den Leser immer wieder mit ihrer Bobachtungsgabe und ihren Menschenkenntnissen beeindruckt. Sie kennt viele der auftretenden Charaktere schon nach kürzester Zeit genauso gut und vielleicht sogar besser als sie selbst.

»The Emperor’s Soul« ist vor dem Hintergrund der Magie der Stempel also mehr ein Spiel mit den Charakteren als alles andere. Ebenjene Magie, die ebenso wie die Seele des Kaisers das zentrale Element ist, kommt natürlich nicht zu kurz. Brandon Sanderson ist für seine unglaubliche Kreativität bekannt, die er hier wie so oft unter Beweis stellt. Detailliert wird Shais Kunst mit den Stempeln beschrieben, sodass immer deutlicher wird, dass ihr Vorhaben eigentlich unmöglich ist. Insgesamt ist die Kurzgeschichte einfach ein Fest und ein wunderbarer Auftakt in die Anthologie.


The Hope of Elantris

»The Hope of Eantris« ist tatsächlich einmal eine Kurzgeschichte im Wortsinn. Die Rahmenhandlung der Geschichte spielt nach den Ereignissen in »Elantris«, ihre Binnenhandlung während der Ereignisse am Ende, es besteht also Spoilergefahr.

Die Geschichte ist vor allem eine Reminiszenz an eine Schülerin seiner Frau, die ihn mit ihrer Schulaufgabe beeindruckte, welche sie zu Sandersons damals erst erschienen Erstlingswerk erstellte ohne zu wissen, dass ihr Lieblingsautor zu der Zeit gerade ihre Lehrerin datete. Matisse, die nach der Schülerin benannte Protagonistin, ist eine Bewohnerin von Neu Elantris. Im Auftrag von Lord Spirit passt sie auf die Kinder der Stadt auf, als plötzlich Elantris angegriffen wird.

Der Name passt nicht in das phonetische System der Aons, obwohl sie aus Arelon stammt, aber vor diesem niedlichen Hintergrund der Geschichte sei das verziehen. Auf dem Titelblatt der Geschichte wird davor gewarnt, dass die Geschichte Spoiler enthält, da man aber nicht weiß, zu welchem genauen Zeitpunkt der letzten Seiten von »Elantris« sie spielt, bleibt es spannend, ob sie und Dashe den Angreifern entkommen. Währen »Elantris« strickt aus der Sicht der drei Hauptprotagonisten erzählt wird, ist es sehr erfrischend, einen Teil der Handlung auch einmal aus einer anderen Perspektive und an einem anderen Ort zu erleben. Es ist eher wie ein kleiner Einblick und eine Momentaufnahme. Damit steht »The Hope of Elantris« im Gegensatz zu »The Emperor’s Soul«, welches mit einem vollen Spannungsbogen und einer durchaus längeren Geschichte aufwartet.
  

Scadrian ist das System der Nebelgeborenen (im Original Mistborn) und gleichzeitig der Name ihres Heimatplaneten. Er ist insofern bemerkenswert, als dass er während der Handlungen der ersten Mistborn-Trilogie seine Umlaufbahn um seine Sonne veränderte. Bedingt wurde dies durch den ausgesprochen starken Einfluss der beiden Splitter Ruin und Preservation (Ruin und Bewahr in der deutschen Übersetzung der Mistborn-Bücher), welche auch bisher recht ungewöhnlich für die bereits veröffentlichten Cosmere-Bände eine große Rolle in den Büchern spielen. Es wird die Vermutung gestellt, dass Scadrian sogar nicht einmal existierte, bevor seine Splitter in das System kamen und den Planeten schufen. Khriss bezeichnet das Scadrian System als bemerkenswert, da es, wäre Scadrian nicht so enorm von Naturkatastrophen geplagt, wohl eines der Fortschrittlichsten im gesamten Cosmere hätte sein könne ohne dabei auch nur nennenswert mit Silverlight in Kontakt getreten zu sein. Scadrian ist Yolen, dem Ursprungsplaneten der Menschheit im Cosmere, sehr ähnlich.


The Eleventh Metal

Kelsier entkam den Gruben von Hathsin. Dort prägten sich auch zum ersten Mal seine Fähigkeiten als Nebelgeborener aus. Nun befindet er sich bei Gemmel in der Ausbildung, welcher selbst ein alter Nebelgeborener ist. Kelsier hat eine Vision: den Obersten Herrscher zu stürzen und die Skaa zu befreien. Doch zunächst muss er lernen. Er hätte jedoch nie gedacht, dass der Schlüssel zum Erfolg seiner Pläne in der Festung eines Adeligen zu finden sein können: Das Elfte Metall.

Die Geschichte eignet sich gut, um in die Mistborn-Bücher einzusteigen. Sanderson schrieb sie als Vorwort für ein Pen and Paper RPG, um die Spieler in die Welt einzuführen und ihnen schnell das Magiesystem zu erklären sowie, um dem Spielemeister etwas zu geben, an das er anknüpften kann. Das merkt man der Geschichte auch an, denn aus dem Kontext gerissen hätte man sich als Leser am Ende noch etwas mehr gewünscht. Als Einstieg in ein P&P RPG sollte der Text jedoch wunderbar funktionieren.

Während Kelsier in der Buchreihe immer als der etwas wahninnige, aber unerschütterliche Visionär auftritt, ist er hier selbst der Lehrling. Man merkt schon sehr stark, wohin die Reise geht, doch es ist ein sehr schöner Kontrast zu den Büchern, dass er selbst noch lernen muss und daher hin und wieder von seinem Lehrer eins auf den Deckel bekommt.


Allomancer Jak and the Pits of Eltania

Jak ist ein Abenteurer – und ein hoffnungsloser Aufschneider. Seine Abenteuer werden episodenhaft in der Boulevardzeitung gedruckt, doch nun gibt es für seine Fans eine besondere gebundene Ausgabe der Episoden 28 bis 30, sorgfältig kommentiert und editiert von Handerwym, seinem treuen Terris Diener. Für so eine Ausgabe darf es nicht irgendein Abenteuer sein, nein! Hier stellt ich Jak todesmutig den Kolossen, um einen von ihnen bewachten Schatz zu bergen. Und ebenso entdeckt er nichts geringeres als das Geheimnis der Herkunft der Kolosse!

Die Geschichte enthält leichte Spoiler zu »The Alloy of Law«, dem Übergang von den Mistborn-Büchern zur Wax and Wayne Reihe. Sanderson schrieb diese Geschichte im Stile der Pulpfictins und er hatte offensichtlich unheimlich viel Spaß vor allem mit Handerwyms Fußnoten. Grundgütiger, kann man dabei lachen! Nachdem alle anderen Geschichten in der Anthologie einen eher ernsten Grundton haben, ist das eine wunderbare Abwechslung.

„Well damn, Jak,“ she wispered back. „You’re finally gone and said something smart, for once.“*

*I believe, that this ist he only accurate quote from Elizandra in the entire story. She confided in me she threatened to shoot him in the … ahem … masculine identity if he didn’t include it in the official narrative.
S. 190

An diesem Zitat kann man ganz gut den Grundton der Geschichte erkennen. Man hat hier alles, was zu einer klassischen Wild West Pulpfiction gehört: einen Schatz, die Schönheit und zumindest eine Art Saloonschlägerei mit den Kolossen. Dabei kommt zudem Sandersons typischer Cosmere-Stil dennoch durch und nicht zu kurz. Was will man mehr?!


Mistborn: Secret History

Kelsier ist tot, doch so wirklich viel vom Totsein hält er nicht. Da er ein Allomant ist, braucht er etwas länger, um in das Beyond, das Dasein nach dem Tod, hinüberzugleiten. In dieser Zeitspanne trifft er auf Preservation, einen der beiden Götter von Scadrian, welcher es sich zur Aufgabe machte, den sterbenden Seelen den Übergang zu erleichtern. Kelsier versucht ihn zu überlisten, wird aber in der Kammer der Quelle der Erhebung (Original Well of Ascension) eingesperrt. Dort beginnt er mehr über das Kognitive Reich zu lernen, in welchem er sich befindet, und damit auch über den Cosmere. Nach der Befreiung der Macht der Quelle ist auch Kelsier wieder frei und somit beginnt seine Reise und Mission, um Ruin aufzuhalten.

Diese Geschichte, die längste der Sammlung, ist vielleicht ihr Kernstück, auch wenn sie die originale Mistborn-Trilogie massiv spoilert. Man lernt so unglaublich viel über den Cosmere, es ist Wahnsinn! Sowohl Hoid als auch Khriss und Nazh und einige Worldhopper aus Elantris treten hier auf und geben Kelsier immer mehr Hinweise auf das große Ganze. Vieles bleibt immer noch im Schatten verborgen und eher wage, doch im Vergleich zu den Informationsbrocken, die man sonst immer bekommt, ist das hier ein Festschmaus. Eine gute Wikiseite wie beispielsweise das Coppermind Wiki daneben zu legen hilft bei einige Verständnisfragen, man kann sich aber genauso gut auch selbst auf Forschungsreise mit Kelsier begeben und seine eigenen Schlüsse ziehen.

Secret History ist wortwörtlich eine geheime Geschichte, da sie sich komplett im Hintergrund der Romantrilogie abspielt. Sanderson hatte schon damals in den Büchern teils deutliche Hinweise versteckt, ehe er auch nur mit dieser Geschichte begonnen hatte. Nun klärt sie viele offene Fragen, und obwohl wir das Ende bereits kennen, entdeckt Kelsier so viel Spannendes und Faszinierendes, dass es nie langweilig wird. Ein wenig jubiliert das Fanherz, dass es mit Kelsier doch noch nicht so ganz zu Ende ist. Und wer weiß, was da noch so kommt? Eine Fortsetzung wurde von Sanderson nicht kategorisch ausgeschlossen.


Taldain und das gleichnamige System sind die Heimat von Khriss und gleichzeitig eines der bizarrsten Systeme im Cosmere. Taldain ist der einzige Planet des Systems und wird von gleich zwei Sonnen beeinflusst: einmal ein weißer Zwerg, dessen Licht von einem Partikelring gemildert wird, sodass eine Seite Taldains immer im Schatten liegt, und zum anderen eine zweite riesige Sonne, ein blau-weißer Superriese, die die Tagseite Taldains in eine Sandwüste verwandelt hat. Trotz der scheinbar widrigen Bedingungen kann Leben auf Taldain existieren. Der Splitter Taldains, Autonomy, ermöglicht die Magie der Sand Masters und ist besonders einflussreich auf der Tagseite.


White Sand

Taldain ist der Schauplatz von »White Sand«, Sandersonst ernsten je geschriebenen Romans, der es in seiner ursprünglichen Form nie zur Veröffentlichung gebracht hat – was erstaunlich ist, da er ihn als ein Kernstück des Cosmere bezeichnet. 2015 gab es jedoch eine Adaption der Geschichte in Form eines Graphic Novel, zu welchem ich bereits eine volle Rezension schrieb.

In der Anthologie ist der Beginn der Geschichte wiedergegeben, in dem der Held, Kenton, vorgestellt wird. Zunächst sind die ersten Seiten des Graphic Novel abgedruckt, gefolgt werden sie von den ersten Seiten des Manuskripts von 1999. Diese Gegenüberstellung von Adaption und Original ist sehr aufschlussreich, da sie dieselbe Handlung wiedergeben und man beide so gut vergleichen kann. Man merkt dem Manuskript bereits sein Potenzial als sehr spannende und kreative Geschichte an, ebenso aber auch, dass, wenn es als Buch veröffentlicht worden wäre, es noch einiger Arbeit bedurft hätte. Für Fans ist es natürlich dennoch toll, einen Auszug aus dem Original zu lesen, da man so sieht, wie exakt der Graphic Novel Sandersons Geschichte adaptierte. Das tat er übrigens sehr gut, das Skript ist jedoch, ganz der Natur der Sache geschuldet, etwas detaillierter.


Das Threnodite System, Heimat von Nazh, ist stark vom Konflikt zweier Splitter Adonalsiums geprägt. Besonders Threnody, der belebte Planet des Systems, ist davon betroffen, sowohl Investiture, die Energie, die aller Magie im Cosmere zugrunde liegt, als auch die Bewohner Threnodys wurden dadurch »verdreht«, wie Khriss es ausdrückt. Das Ergebnis ist ein namenloses Böses, das den größeren Teil des Planeten einnimmt und von dem selbst die Bewohner des Planeten kaum etwas erzählen können. Auch die Schatten, Instanziierungen von selbstbewusst gewordenem Investiture, sind ein Ergebnis des Konflikts der Splitter. Der zweite und kleinere Kontinent des Planeten ist mehr ein Flüchtlingslager als alles andere. Die Bewohner flohen vor dem Bösen über den Ozean und ließen dabei viele notwendige Dinge zurück. Viel ist noch nicht über das System bekannt, da es selbst einige Gefahren bietet und in einem gefährlichen Bereich des Cosmere liegt.


Shadows for Silence in the Forests of Hell

Silence lebt in einer gefährlichen, kaum kolonialisierten Welt, doch sie weiß sich zu behaupten. An der Grenze zur Wildnis unterhält sie ein Gasthaus, das für seinen guten Schutz vor den Geistern bekannt ist, den Schatten der Toten, die den Wald heimsuchen. Als gesuchte Verbrecher inkognito in ihr Gasthaus kommen und sie nicht merken, dass Silence sie erkannt hat, ergreift sie ihr Chance auf das hohe Kopfgeld, um ihr Schutzgeld zu zahlen. Selbst wenn das bedeutet, die Aufmerksamkeit der Schatten auf sich zu ziehen und selbst zu einem von ihnen zu werden.

Der Text erschien zuerst in der Anthologie Königin im Exil (Original Dangerous Women) von George Martin und Gardner Dozois. Wie alles von Sanderson ist auch dieser Text unglaublich packend geschrieben und kann auch nach mehrmaligem Lesen noch immer begeistern. Man ist förmlich gezwungen weiterzulesen, ist man erst einmal im Sog der Erzählung gefangen; und dem Sog auszuweichen, ist absolut unmöglich!

Auch der Titel ist wunderbar gewählt. Eine ungewöhnliche Formulierung, die am Ende doch so treffend auf den Text passt und deren eigentliche Bedeutung sich erst mit dem Lesen erschließt. Dennoch fixt sie den Leser. Genauso sollte es sein!

Auch die Charaktere sind einfach ein Traum. Sie sind fundiert und vielschichtig und sind in der Lage, die Story zu tragen. Ebenjene überzeugt ebenso mit packender Handlung und überraschenden Plottwists. Man weiß nie, was einen auf der nächsten Seite erwartet. Ist es die Rettung oder ist es nur ein weiterer Schatten? Brandon Sanderson, zurecht ein Meister seines Fachs, zeigte hier wieder einmal, was er kann. Hoffen wir, dass wir irgendwann mehr über Nazhs Heimat erfahren!


Das Bemerkenswerteste am diesem System: Es besitzt mehrere von Menschen bewohnte Planeten, eine Seltenheit im Cosmere – und das alles ohne dass dieses System einen Splitter besitzt, obwohl Investiture messbar im System ist. Normalerweise ist die Reise zwischen den Welten nur mit der Anwesenheit eines Splitters möglich. Es wurde noch nicht geklärt, warum das auch First of the Sun, den Planeten von »Sixth of the Dusk«, mit einschließt. Khriss‘ Erläuterungen zu diesem System wurden von Tor.com vorab veröffentlicht


Sixth of the Dusk

Dusk ist ein einfacher Trapper, der wie alle seine Leute einsam auf seiner Insel lebt und sich um ihre Natur kümmert und sie beschützt. Seine treuen Gefährten sind zwei besondere Vögel, einer von ihnen kann ihm die Gabe spenden, seine eigene Leiche in seinem Umfeld zu sehen und so frühzeitig Gefahr zu erkennen. Als er eines Tages eine Überlebende einer missglückten Mission findet, beginnt er plötzlich überall seine Leiche zu sehen. Und er versteht: Großes Unglück wird über seine Insel kommen, Unglück, das mit der Fremden in Verbindung steht.

Auch dieses Werk ist ganz typisch für Sanderson – und bedingt durch die eigenwillige Natur des Drominad Systems auch wieder nicht. Sanderson präsentiert wie immer packende und kreative Fantasy, dieses Mal auch gemischt mit Elementen der Science Fiction.

In Sixth of the Dusk scheinen Welten aufeinander zu prallen und doch wieder zusammengenommen nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen zu sein. Mit der wunderbaren Erzählweise entfaltet sich die Story nach und nach, Stück für Stück wird zusammengesammelt, bis sich am Ende das Gesamtbild ergibt und damit die (vorläufige) Lösung des sich anbahnenden Konflikts. Man wünscht sich, dass die Handlung noch weiter geht, denn Potenzial ist auf jeden Fall da. Eine Fortsetzung, in welcher Form sie auch immer erfolgen wird, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.


 Rosharan ist ein recht volles System, dessen äußerer Bereich von einer Reihe von Gasriesen gefüllt wird, der innere Teil aber von allesamt bewohnten Gesteinsplaneten bestimmt ist. Roshar, der bestimmende Planet des Systems ist in Hinblick auf seine Flora und Fauna sehr ungewöhnlich. Der ganze Planet und sein größter Kontinent, ebenfalls Roshar genannt, werden von den Großstürmen geprägt, die regelmäßig über ihn hinweg ziehen. Alles in Roshar ist daran angepasst, Pflanzen, Tiere und Menschen, und erscheint unsereins daher mitunter bizarr und fremdartig. Daraus entwickelte sich eine bemerkenswerte Symbiose zwischen Lebensformen und Investiture, die bemerkenswerteste davon zwischen Menschen und Sprengseln und gleichzeitig die Grundlage für die Wogenbinden genannte Magie Roshars. Die Stürme datieren die Ankunft der Splitter Honour und Cultivation zurück. Ebenjene formten den Planeten sehr stark. Derzeit befindet sich jedoch der Splitter Odium im System, welcher einst mit dem ursprünglichen Splittern im Konflikt lag, was vermutlich der Ursprung der Sprengsel ist.


Edgedancer

Lang, lang erwartet, nun ist sie endlich da: die Stormlight Novelle. Der krönende Abschluss dieser phantastischen Anthologie bildet das Mädchen Lift. Sie ist eigenwillig wie kaum ein anderer Mensch, was auch der Grund war, warum sie scheinbar willkürlich von ihrer Heimat an einem der Königshöfe Roshars abhaute, um ihr Glück (und Pancackes) in einer fremden Stadt zu suchen. Sie befindet sich dabei in Begleitung eines »Bringers der Leere«, wie sie ihren Freund Wyndle in Ermangelung einer passenden Bezeichnung für ihn nennt. In der Stadt angekommen, erfährt sie von einem gefährlichen Mann namens Darkness, welcher sie bereits früher aufgrund ihrer Fähigkeit des Wogenbindens verfolgte. Nun will sie den Spieß umdrehen und ihn stellen, sei es, um mehr über das Wogenbinden zu erfahren, oder auch nur, um ihn endlich los zu werden. Und dann gibt es ja noch dieses Gerücht über den Großsturm, der in der falschen Richtung über das Land zieht …

Die Erwartungen waren hoch und die Erwartungen wurden erfüllt. »Edgedancer« beginnt langsam und braucht seine Zeit, um Fahrt aufzunehmen. Doch dann wird die Geschichte immer schneller immer rasanter, dass die Seiten ebenso wie der Ewigsturm dahinfliegen. Lift wird in den weiteren Stormlight Romanen eine wichtige Rolle spielen. Da die Geschichte am Ende des zweiten (englischen) Bandes »Words of Radiance« spielt, und somit massive Spoiler für diese enthält, war es Sanderson nach seinen eigenen Aussagen nicht möglich, die Ereignisse irgendwie sinnvoll in Band drei unterzubringen. Die Novelle war ein wunderbares Mittel, um zentrale Wendepunkte in Lifts und Darkness’s Leben zu erzählen.

Wer »Words of Radiance« gelesen hat und weiß, dass der Menschheit am Ende scheinbar Tod und Verderben durch den Ewigsturm und die Parshendi drohen, erwartet bei »Edgedancer« freilich Chaos und Zerstörung in Hülle und Fülle. Sanderson wollte jedoch anscheinend den dritten Stormlight in dieser Hinsicht noch nicht allzu sehr spoilern und wählte eine Stadt, die durch ihre Lage in massivem Fels relativ gut vor Stürmen jeglicher Art und egal aus welcher Himmelsrichtung geschützt ist. Zumindest macht er jedoch Andeutungen über den Zustand der anderen Reiche Roshars. Er lässt es also weiter spannend bleiben.


Genial. Grandios. Absolute Perfektion. Mehr muss man zusammenfassend zu »Arcanum Unbounded« nicht sagen. Die Anthologie funktioniert auch wunderbar als einführende Lektüre in den Cosmere.
  


Autor: Brandon Sanderson
Titel: Arcanum Unbounded: The Cosmere Collection
Original: Arcanum Unbounded: The Cosmere Collection
Sprache: Englisch
Reihe: Nein
Seiten: 672
Originalpreis: 27.99$
Verlag: Tor Books
Genre: Fantasy
ISBN: 978-0-7653-9116-2
Erscheinungsjahr: 2016



Weitere Links
Weitere Rezensionen erschienen bei:

Kapitel 1-3 von Edgedancer kann man hier lesen.
Und wie es zur Benennung Yolens kam, erfährt man hier.



©Bildrechte der Banner liegen beim Verlag.

3 Kommentare:

  1. Guten Abend,

    das ist eine großartige Rezension. Vielen Dank! Mir war allerdings schon vorher bewusst, dass ich das Buch unbedingt haben muss. Ich liebe den Autor und seine Werke und einen Großteil der Kurzgeschichten kenne ich schon. Trotzdem ich kann es kaum erwarten all die Erläuterungen und Illustrationen zu sehen.

    Brandon Sanderson ist für mich einer der besten Fantasyautoren, die es gibt. Wenn nicht DER Beste.

    Vielen Dank noch mal,
    Ina

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    Antworten
    1. Ich seh das zwar weniger als Rezension denn hemmungsloses Gefangirle, aber danke ^^ Das Buch ist einfach großartig! Meine persönliche Empfehlung ist ja, dabei das Album Epica von audiomachine zu hören, ist mein persönlicher Cosmere-Soundtrack. Insbesondere Fire and Honour passt so großartig zu Stormlight! *-* Sanderson ist ein genialer Autor, aber auf eine andere Art und Weise als Tolkien oder Martin, weshalb ich mich nicht zwischen den dreien entscheiden möchte.

      Liebe Grüße

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  2. Da mein Englisch zwar vorhanden ist jedoch nicht ausreicht um das Buch zu lesen möchte ich mich herzlich für diese umfangreiche Rezension bedanken. Meinem Verständnis für Sandersons Universum hat es sehr gut getan. Ich hoffe inständig dass sämtliche Sanderson Werke irgendwann übersetzt werden!

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