Spoilerwarnung! Bedingt dadurch, dass einige der Geschichten die in
ihrem System spielenden Romane spoilern, lassen sich Spoiler nicht vermeiden.
Die Besprechungen der einzelnen Geschichten hielt ich jedoch möglichst
spoilerfrei.
Nur
wenige Autoren machen sich wie beispielsweise Tolkien die Mühe, ihre Werke zu
einem einzigen Kosmos zu kreieren und diesen Werk für Werk weiter auszubauen.
Brandon Sanderson gehört definitiv dazu. Er hat viele Reihen, die sich alle
intensiv ihrer eigenen Welt widmen, allen voran die Mistborn- und
Stormlight-Bücher. Um das jedoch noch einmal zu krönen, sind auch diese Welten
untereinander und miteinander verbunden. Brandon Sanderson schafft nicht nur
Welten, er erschafft ganze Universen mit seinen Worten, seinen ganz eigenen
Cosmere. Nebst den Romanen und Romanreihen, die im Cosmere spielen gibt es
jedoch auch zahlreiche Kurzgeschichten (wobei »kurz« bei Sanderson relativ
ist), einige davon bereits in anderen Anthologien erschienen und andere
wiederum einzeln als eBook erhältlich.
»Mensch,
so eine Sammlung von Cosmere-Novellen wäre schon was.« Das dachten sich mit
Sicherheit bereits viele Leser von Brandon Sanderson – und er offensichtlich
auch. Nun gibt es endlich, endlich das geballte Cosmere in einem Buch
zusammengefasst, darunter namhafte Kurzgeschichten wie »The Emperor’s Soul«,
»The Eleventh Metal« oder »Shadows for Silence in the Forests of Hell« sowie
eine nur für diese Sammlung geschriebene Stormlight-Novella mit dem Titel
»Edgedancer«.
Arcanum
Unbounded ist ein Fest, sowohl in literarischer als auch künstlerischer Hinsicht.
Das Cover ziert Khriss, eine Angehörige jener noch namenlosen Rasse, zu der (vermutlich)
auch Hoid gehört und die zwischen den Welten reisen kann; das Coppermind Wiki
nennt sie Worldhopper nach ihrer
Fähigkeit, zwischen den Welten zu reisen. Ganz passend zu ihrer noch immer
mysteriösen Identität ist ihre Gestalt verhüllt, das Gesicht unter der Kapuze
in Schatten gehüllt. Man weiß von ihr kaum mehr als dass sie eine Gelehrte ist,
die anscheinend den Cosmere oder Teile davon studiert, passend dazu hält sie
ein Buch in Händen. Zudem ist sie diejenige, welche die Ars Acrana am Ende
eines jeden Cosmere-Romans geschrieben hat. Laut der Coppermind Wiki ist sie eine
der Gelehrten aus »White Sand«, die Kenton für eine kleine Weile begleiten. Sie
bestätigt das auch noch einmal indirekt in der Vorstellung des Selish System.
Schlägt
man das Buch auf, findet man auf der Innenseite des Covers eine astrologische
Karte des Cosmere. In dieser sind die einzelnen Planeten beziehungsweise ihre
Sonnensysteme verzeichnet. Optisch sehr schön gestaltet sind die Sternenbilder,
in denen sich die einzelnen Systeme befinden.
Das
Buch ist in sich nach den verschiedenen Systemen gegliedert. Zu jedem System
gibt es eine Zeichnung der Planeten, wie sie sich um ihre Sonne gruppieren, und
ihrer eventuellen Trabanten. Zudem hat Khriss jedem System ein kleines Vorwort
beigegeben, in dem sie einige Worte zum System und seinen Besonderheiten
verliert. Nach diesem Vorwort folgen die Kurzgeschichten, die sich dem System
zuordnen. Vor jeder Kurzgeschichte ist eine seitenfüllende Zeichnung
beigegeben, die eine Szene aus der Geschichte illustriert, ohne dabei zu viel
zu spoilern. Zudem hat Sanderson zu jeder Geschichte ein Postscript verfasst,
das interessante Details zur Entstehungsgeschichte verrät sowie, was man vielleicht
noch in Zukunft erwarten kann.
Die
Zeichnungen und Illustrationen stammen von Ben McSweeney und Isaac Stewart.
Insbesondere letzterer arbeitet seit Jahren mit Sanderson zusammen, von ihm
stammen die vielen kleinen Icons vor den Kapitelanfängen und die Illustrationen
beispielsweise der allomantischen Zeichen und der Aons in den Ars Arcana. Ben
McSweeney trug mit seinen Illustrationen maßgeblich zum Lesegefühl des Arcanum
Unbounded bei. In einem Interview mit
Tor
erzählte er einiges zu den Zeichnungen, die er für das Buch anfertigte, unter
anderem auch, dass er sich für einen holzschnittähnlichen Stil entschied. Wobei
der manchmal doch eher in Richtung einer Fineliner-Zeichnung rutschte.
Das
erste System ist Selish mit dem Planeten Sel, der Welt von Elantris und The
Emperor’s Soul. Khriss beschreibt Sel als sehr lebensfreundlich mit einer
abwechslungsreichen Oberfläche. Bemerkenswert ist, dass es auf dem Planeten
zwei Adonalsium-Splitter, Dominion und Devotion, gibt, ein Zustand, den sie
»dishardic« nennt. Die Kultur und Magie der Völker Sels sind stark von den
Splittern beeinflusst. Eine sehr eindrucksvolle Ausprägung dessen sind sowohl
die Aons aus »Elantris« und das Stempeln aus »The Emperor’s Soul«. Die Splitter
wurden bereits in prähistorischer Zeit zerstört, ihr Einfluss lebt jedoch fort.
The Emperor’s Soul
»The
Emperor’s Soul« ist die erste Kurzgeschichte, die dem Selish System angehört,
und macht gleichzeitig den Auftakt zu »Arcanum Unbounded«. Und was für ein
Auftakt das ist! Erzählt wird die Geschichte Shais, einer Diebin der besonderen
Art. Sie ist ein sogenannter Forger, das heißt, sie kann mithilfe von Stempeln
Dinge nach ihrem Willen verändern, indem sie ihre Seele, wie sie es nennt,
stempelt. Ihre Kunst ist im Rose Empire gehasst, und hinzukommt, dass sie
sowohl ein wertvolles Gemälde aus dem kaiserlichen Palast als auch das Zepter
stahl. Das zusammen mit ihrer Kunst sind Verbrechen, die ihr den Tod bringen
sollen. Doch zu ihrem Glück wird während ihrer Gefangenschaft ein Attentat auf
den Kaiser verübt, das er zwar überlebt, bei dem sein Gehirn jedoch einen
irreparablen Schaden erleidet. Sie ist die einzige, die die Fähigkeiten hat,
seine Seele neu zu stempeln und seiner leeren Körperhülle eine neue Seele zu
geben. Diese soll eine exakte Replik der alten sein – und sie hat nur hundert
Tage für etwas Zeit, das, wenn es überhaupt möglich ist, Jahre braucht.
Das
Faszinierendste an dieser Geschichte ist, dass sich alles um den Charakter
einer Person, dem Kaiser, dreht, die erst ganz am Ende der Geschichte für einen
kurzen Moment auftritt. Darum herum gruppiert sich alles andere. Auch Shai wird
sehr lebhaft illustriert, wie sie sowohl ihre Mitmenschen als auch den Leser
immer wieder mit ihrer Bobachtungsgabe und ihren Menschenkenntnissen
beeindruckt. Sie kennt viele der auftretenden Charaktere schon nach kürzester
Zeit genauso gut und vielleicht sogar besser als sie selbst.
»The
Emperor’s Soul« ist vor dem Hintergrund der Magie der Stempel also mehr ein
Spiel mit den Charakteren als alles andere. Ebenjene Magie, die ebenso wie die
Seele des Kaisers das zentrale Element ist, kommt natürlich nicht zu kurz.
Brandon Sanderson ist für seine unglaubliche Kreativität bekannt, die er hier
wie so oft unter Beweis stellt. Detailliert wird Shais Kunst mit den Stempeln
beschrieben, sodass immer deutlicher wird, dass ihr Vorhaben eigentlich
unmöglich ist. Insgesamt ist die Kurzgeschichte einfach ein Fest und ein
wunderbarer Auftakt in die Anthologie.
The Hope of Elantris
»The
Hope of Eantris« ist tatsächlich einmal eine Kurzgeschichte im Wortsinn. Die
Rahmenhandlung der Geschichte spielt nach den Ereignissen in »Elantris«, ihre
Binnenhandlung während der Ereignisse am Ende, es besteht also Spoilergefahr.
Die
Geschichte ist vor allem eine Reminiszenz an eine Schülerin seiner Frau, die
ihn mit ihrer Schulaufgabe beeindruckte, welche sie zu Sandersons damals erst
erschienen Erstlingswerk erstellte ohne zu wissen, dass ihr Lieblingsautor zu
der Zeit gerade ihre Lehrerin datete. Matisse, die nach der Schülerin benannte
Protagonistin, ist eine Bewohnerin von Neu Elantris. Im Auftrag von Lord Spirit
passt sie auf die Kinder der Stadt auf, als plötzlich Elantris angegriffen
wird.
Der
Name passt nicht in das phonetische System der Aons, obwohl sie aus Arelon
stammt, aber vor diesem niedlichen Hintergrund der Geschichte sei das
verziehen. Auf dem Titelblatt der Geschichte wird davor gewarnt, dass die
Geschichte Spoiler enthält, da man aber nicht weiß, zu welchem genauen
Zeitpunkt der letzten Seiten von »Elantris« sie spielt, bleibt es spannend, ob
sie und Dashe den Angreifern entkommen. Währen »Elantris« strickt aus der Sicht
der drei Hauptprotagonisten erzählt wird, ist es sehr erfrischend, einen Teil
der Handlung auch einmal aus einer anderen Perspektive und an einem anderen Ort
zu erleben. Es ist eher wie ein kleiner Einblick und eine Momentaufnahme. Damit
steht »The Hope of Elantris« im Gegensatz zu »The Emperor’s Soul«, welches mit
einem vollen Spannungsbogen und einer durchaus längeren Geschichte aufwartet.
Scadrian
ist das System der Nebelgeborenen (im Original Mistborn) und gleichzeitig der
Name ihres Heimatplaneten. Er ist insofern bemerkenswert, als dass er während
der Handlungen der ersten Mistborn-Trilogie seine Umlaufbahn um seine Sonne
veränderte. Bedingt wurde dies durch den ausgesprochen starken Einfluss der
beiden Splitter Ruin und Preservation (Ruin und Bewahr in der deutschen
Übersetzung der Mistborn-Bücher), welche auch bisher recht ungewöhnlich für die
bereits veröffentlichten Cosmere-Bände eine große Rolle in den Büchern spielen.
Es wird die Vermutung gestellt, dass Scadrian sogar nicht einmal existierte,
bevor seine Splitter in das System kamen und den Planeten schufen. Khriss
bezeichnet das Scadrian System als bemerkenswert, da es, wäre Scadrian nicht so
enorm von Naturkatastrophen geplagt, wohl eines der Fortschrittlichsten im
gesamten Cosmere hätte sein könne ohne dabei auch nur nennenswert mit
Silverlight in Kontakt getreten zu sein. Scadrian ist Yolen, dem
Ursprungsplaneten der Menschheit im Cosmere, sehr ähnlich.
The Eleventh Metal
Kelsier
entkam den Gruben von Hathsin. Dort prägten sich auch zum ersten Mal seine
Fähigkeiten als Nebelgeborener aus. Nun befindet er sich bei Gemmel in der
Ausbildung, welcher selbst ein alter Nebelgeborener ist. Kelsier hat eine
Vision: den Obersten Herrscher zu stürzen und die Skaa zu befreien. Doch
zunächst muss er lernen. Er hätte jedoch nie gedacht, dass der Schlüssel zum
Erfolg seiner Pläne in der Festung eines Adeligen zu finden sein können: Das Elfte
Metall.
Die
Geschichte eignet sich gut, um in die Mistborn-Bücher einzusteigen. Sanderson
schrieb sie als Vorwort für ein Pen and Paper RPG, um die Spieler in die Welt
einzuführen und ihnen schnell das Magiesystem zu erklären sowie, um dem
Spielemeister etwas zu geben, an das er anknüpften kann. Das merkt man der
Geschichte auch an, denn aus dem Kontext gerissen hätte man sich als Leser am
Ende noch etwas mehr gewünscht. Als Einstieg in ein P&P RPG sollte der Text
jedoch wunderbar funktionieren.
Während
Kelsier in der Buchreihe immer als der etwas wahninnige, aber unerschütterliche
Visionär auftritt, ist er hier selbst der Lehrling. Man merkt schon sehr stark,
wohin die Reise geht, doch es ist ein sehr schöner Kontrast zu den Büchern,
dass er selbst noch lernen muss und daher hin und wieder von seinem Lehrer eins
auf den Deckel bekommt.
Allomancer Jak and the Pits of Eltania
Jak
ist ein Abenteurer – und ein hoffnungsloser Aufschneider. Seine Abenteuer
werden episodenhaft in der Boulevardzeitung gedruckt, doch nun gibt es für
seine Fans eine besondere gebundene Ausgabe der Episoden 28 bis 30, sorgfältig
kommentiert und editiert von Handerwym, seinem treuen Terris Diener. Für so
eine Ausgabe darf es nicht irgendein Abenteuer sein, nein! Hier stellt ich Jak
todesmutig den Kolossen, um einen von ihnen bewachten Schatz zu bergen. Und
ebenso entdeckt er nichts geringeres als das Geheimnis der Herkunft der
Kolosse!
Die
Geschichte enthält leichte Spoiler zu »The Alloy of Law«, dem Übergang von den
Mistborn-Büchern zur Wax and Wayne Reihe. Sanderson schrieb diese Geschichte im
Stile der Pulpfictins und er hatte offensichtlich unheimlich viel Spaß vor
allem mit Handerwyms Fußnoten. Grundgütiger, kann man dabei lachen! Nachdem
alle anderen Geschichten in der Anthologie einen eher ernsten Grundton haben,
ist das eine wunderbare Abwechslung.
„Well damn, Jak,“ she wispered back. „You’re finally gone and said something smart, for once.“*
*I believe, that this ist he only accurate quote from Elizandra in the entire story. She confided in me she threatened to shoot him in the … ahem … masculine identity if he didn’t include it in the official narrative.S. 190
An
diesem Zitat kann man ganz gut den Grundton der Geschichte erkennen. Man hat
hier alles, was zu einer klassischen Wild West Pulpfiction gehört: einen
Schatz, die Schönheit und zumindest eine Art Saloonschlägerei mit den Kolossen.
Dabei kommt zudem Sandersons typischer Cosmere-Stil dennoch durch und nicht zu
kurz. Was will man mehr?!
Mistborn: Secret History
Kelsier
ist tot, doch so wirklich viel vom Totsein hält er nicht. Da er ein Allomant
ist, braucht er etwas länger, um in das Beyond, das Dasein nach dem Tod,
hinüberzugleiten. In dieser Zeitspanne trifft er auf Preservation, einen der
beiden Götter von Scadrian, welcher es sich zur Aufgabe machte, den sterbenden
Seelen den Übergang zu erleichtern. Kelsier versucht ihn zu überlisten, wird
aber in der Kammer der Quelle der Erhebung (Original Well of Ascension)
eingesperrt. Dort beginnt er mehr über das Kognitive Reich zu lernen, in
welchem er sich befindet, und damit auch über den Cosmere. Nach der Befreiung
der Macht der Quelle ist auch Kelsier wieder frei und somit beginnt seine Reise
und Mission, um Ruin aufzuhalten.
Diese
Geschichte, die längste der Sammlung, ist vielleicht ihr Kernstück, auch wenn
sie die originale Mistborn-Trilogie massiv spoilert. Man lernt so unglaublich
viel über den Cosmere, es ist Wahnsinn! Sowohl Hoid als auch Khriss und Nazh
und einige Worldhopper aus Elantris treten hier auf und geben Kelsier immer
mehr Hinweise auf das große Ganze. Vieles bleibt immer noch im Schatten
verborgen und eher wage, doch im Vergleich zu den Informationsbrocken, die man
sonst immer bekommt, ist das hier ein Festschmaus. Eine gute Wikiseite wie
beispielsweise das Coppermind Wiki daneben zu legen hilft bei einige
Verständnisfragen, man kann sich aber genauso gut auch selbst auf
Forschungsreise mit Kelsier begeben und seine eigenen Schlüsse ziehen.
Secret
History ist wortwörtlich eine geheime Geschichte, da sie sich komplett im
Hintergrund der Romantrilogie abspielt. Sanderson hatte schon damals in den
Büchern teils deutliche Hinweise versteckt, ehe er auch nur mit dieser
Geschichte begonnen hatte. Nun klärt sie viele offene Fragen, und obwohl wir
das Ende bereits kennen, entdeckt Kelsier so viel Spannendes und
Faszinierendes, dass es nie langweilig wird. Ein wenig jubiliert das Fanherz,
dass es mit Kelsier doch noch nicht so ganz zu Ende ist. Und wer weiß, was da
noch so kommt? Eine Fortsetzung wurde von Sanderson nicht kategorisch
ausgeschlossen.
Taldain
und das gleichnamige System sind die Heimat von Khriss und gleichzeitig eines
der bizarrsten Systeme im Cosmere. Taldain ist der einzige Planet des Systems
und wird von gleich zwei Sonnen beeinflusst: einmal ein weißer Zwerg, dessen
Licht von einem Partikelring gemildert wird, sodass eine Seite Taldains immer
im Schatten liegt, und zum anderen eine zweite riesige Sonne, ein blau-weißer
Superriese, die die Tagseite Taldains in eine Sandwüste verwandelt hat. Trotz
der scheinbar widrigen Bedingungen kann Leben auf Taldain existieren. Der
Splitter Taldains, Autonomy, ermöglicht die Magie der Sand Masters und ist
besonders einflussreich auf der Tagseite.
White Sand
Taldain
ist der Schauplatz von »White Sand«, Sandersonst ernsten je geschriebenen
Romans, der es in seiner ursprünglichen Form nie zur Veröffentlichung gebracht
hat – was erstaunlich ist, da er ihn als ein Kernstück des Cosmere bezeichnet.
2015 gab es jedoch eine Adaption der Geschichte in Form eines Graphic Novel, zu
welchem ich bereits eine volle Rezension schrieb.
In
der Anthologie ist der Beginn der Geschichte wiedergegeben, in dem der Held, Kenton,
vorgestellt wird. Zunächst sind die ersten Seiten des Graphic Novel abgedruckt,
gefolgt werden sie von den ersten Seiten des Manuskripts von 1999. Diese
Gegenüberstellung von Adaption und Original ist sehr aufschlussreich, da sie
dieselbe Handlung wiedergeben und man beide so gut vergleichen kann. Man merkt
dem Manuskript bereits sein Potenzial als sehr spannende und kreative
Geschichte an, ebenso aber auch, dass, wenn es als Buch veröffentlicht worden
wäre, es noch einiger Arbeit bedurft hätte. Für Fans ist es natürlich dennoch
toll, einen Auszug aus dem Original zu lesen, da man so sieht, wie exakt der
Graphic Novel Sandersons Geschichte adaptierte. Das tat er übrigens sehr gut,
das Skript ist jedoch, ganz der Natur der Sache geschuldet, etwas detaillierter.
Das
Threnodite System, Heimat von Nazh, ist stark vom Konflikt zweier Splitter
Adonalsiums geprägt. Besonders Threnody, der belebte Planet des Systems, ist
davon betroffen, sowohl Investiture, die Energie, die aller Magie im Cosmere
zugrunde liegt, als auch die Bewohner Threnodys wurden dadurch »verdreht«, wie
Khriss es ausdrückt. Das Ergebnis ist ein namenloses Böses, das den größeren
Teil des Planeten einnimmt und von dem selbst die Bewohner des Planeten kaum
etwas erzählen können. Auch die Schatten, Instanziierungen von selbstbewusst
gewordenem Investiture, sind ein Ergebnis des Konflikts der Splitter. Der
zweite und kleinere Kontinent des Planeten ist mehr ein Flüchtlingslager als
alles andere. Die Bewohner flohen vor dem Bösen über den Ozean und ließen dabei
viele notwendige Dinge zurück. Viel ist noch nicht über das System bekannt, da
es selbst einige Gefahren bietet und in einem gefährlichen Bereich des Cosmere
liegt.
Shadows for Silence in the Forests of Hell
Silence
lebt in einer gefährlichen, kaum kolonialisierten Welt, doch sie weiß sich zu
behaupten. An der Grenze zur Wildnis unterhält sie ein Gasthaus, das für seinen
guten Schutz vor den Geistern bekannt ist, den Schatten der Toten, die den Wald
heimsuchen. Als gesuchte Verbrecher inkognito in ihr Gasthaus kommen und sie
nicht merken, dass Silence sie erkannt hat, ergreift sie ihr Chance auf das
hohe Kopfgeld, um ihr Schutzgeld zu zahlen. Selbst wenn das bedeutet, die
Aufmerksamkeit der Schatten auf sich zu ziehen und selbst zu einem von ihnen zu
werden.
Der
Text erschien zuerst in der Anthologie Königin im Exil (Original Dangerous
Women) von George Martin und Gardner Dozois. Wie alles von Sanderson ist auch
dieser Text unglaublich packend geschrieben und kann auch nach mehrmaligem
Lesen noch immer begeistern. Man ist förmlich gezwungen weiterzulesen, ist man
erst einmal im Sog der Erzählung gefangen; und dem Sog auszuweichen, ist
absolut unmöglich!
Auch
der Titel ist wunderbar gewählt. Eine ungewöhnliche Formulierung, die am Ende
doch so treffend auf den Text passt und deren eigentliche Bedeutung sich erst
mit dem Lesen erschließt. Dennoch fixt sie den Leser. Genauso sollte es sein!
Auch
die Charaktere sind einfach ein Traum. Sie sind fundiert und vielschichtig und
sind in der Lage, die Story zu tragen. Ebenjene überzeugt ebenso mit packender
Handlung und überraschenden Plottwists. Man weiß nie, was einen auf der
nächsten Seite erwartet. Ist es die Rettung oder ist es nur ein weiterer
Schatten? Brandon Sanderson, zurecht ein Meister seines Fachs, zeigte hier
wieder einmal, was er kann. Hoffen wir, dass wir irgendwann mehr über Nazhs
Heimat erfahren!
Das
Bemerkenswerteste am diesem System: Es besitzt mehrere von Menschen bewohnte
Planeten, eine Seltenheit im Cosmere – und das alles ohne dass dieses System
einen Splitter besitzt, obwohl Investiture messbar im System ist. Normalerweise
ist die Reise zwischen den Welten nur mit der Anwesenheit eines Splitters
möglich. Es wurde noch nicht geklärt, warum das auch First of the Sun, den
Planeten von »Sixth of the Dusk«, mit einschließt. Khriss‘ Erläuterungen zu
diesem System wurden von Tor.com vorab veröffentlicht.
Sixth of the Dusk
Dusk
ist ein einfacher Trapper, der wie alle seine Leute einsam auf seiner Insel
lebt und sich um ihre Natur kümmert und sie beschützt. Seine treuen Gefährten
sind zwei besondere Vögel, einer von ihnen kann ihm die Gabe spenden, seine
eigene Leiche in seinem Umfeld zu sehen und so frühzeitig Gefahr zu erkennen.
Als er eines Tages eine Überlebende einer missglückten Mission findet, beginnt
er plötzlich überall seine Leiche zu sehen. Und er versteht: Großes Unglück
wird über seine Insel kommen, Unglück, das mit der Fremden in Verbindung steht.
Auch
dieses Werk ist ganz typisch für Sanderson – und bedingt durch die eigenwillige
Natur des Drominad Systems auch wieder nicht. Sanderson präsentiert wie immer
packende und kreative Fantasy, dieses Mal auch gemischt mit Elementen der
Science Fiction.
In
Sixth of the Dusk scheinen Welten aufeinander zu prallen und doch wieder
zusammengenommen nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen zu sein. Mit der
wunderbaren Erzählweise entfaltet sich die Story nach und nach, Stück für Stück
wird zusammengesammelt, bis sich am Ende das Gesamtbild ergibt und damit die
(vorläufige) Lösung des sich anbahnenden Konflikts. Man wünscht sich, dass die
Handlung noch weiter geht, denn Potenzial ist auf jeden Fall da. Eine
Fortsetzung, in welcher Form sie auch immer erfolgen wird, ist jedenfalls nicht
ausgeschlossen.
Rosharan
ist ein recht volles System, dessen äußerer Bereich von einer Reihe von
Gasriesen gefüllt wird, der innere Teil aber von allesamt bewohnten Gesteinsplaneten
bestimmt ist. Roshar, der bestimmende Planet des Systems ist in Hinblick auf
seine Flora und Fauna sehr ungewöhnlich. Der ganze Planet und sein größter Kontinent,
ebenfalls Roshar genannt, werden von den Großstürmen geprägt, die regelmäßig
über ihn hinweg ziehen. Alles in Roshar ist daran angepasst, Pflanzen, Tiere
und Menschen, und erscheint unsereins daher mitunter bizarr und fremdartig.
Daraus entwickelte sich eine bemerkenswerte Symbiose zwischen Lebensformen und
Investiture, die bemerkenswerteste davon zwischen Menschen und Sprengseln und
gleichzeitig die Grundlage für die Wogenbinden genannte Magie Roshars. Die
Stürme datieren die Ankunft der Splitter Honour und Cultivation zurück.
Ebenjene formten den Planeten sehr stark. Derzeit befindet sich jedoch der
Splitter Odium im System, welcher einst mit dem ursprünglichen Splittern im Konflikt
lag, was vermutlich der Ursprung der Sprengsel ist.
Edgedancer
Lang,
lang erwartet, nun ist sie endlich da: die Stormlight Novelle. Der krönende
Abschluss dieser phantastischen Anthologie bildet das Mädchen Lift. Sie ist eigenwillig
wie kaum ein anderer Mensch, was auch der Grund war, warum sie scheinbar
willkürlich von ihrer Heimat an einem der Königshöfe Roshars abhaute, um ihr
Glück (und Pancackes) in einer fremden Stadt zu suchen. Sie befindet sich dabei
in Begleitung eines »Bringers der Leere«, wie sie ihren Freund Wyndle in
Ermangelung einer passenden Bezeichnung für ihn nennt. In der Stadt angekommen,
erfährt sie von einem gefährlichen Mann namens Darkness, welcher sie bereits
früher aufgrund ihrer Fähigkeit des Wogenbindens verfolgte. Nun will sie den
Spieß umdrehen und ihn stellen, sei es, um mehr über das Wogenbinden zu
erfahren, oder auch nur, um ihn endlich los zu werden. Und dann gibt es ja noch
dieses Gerücht über den Großsturm, der in der falschen Richtung über das Land
zieht …
Die
Erwartungen waren hoch und die Erwartungen wurden erfüllt. »Edgedancer« beginnt
langsam und braucht seine Zeit, um Fahrt aufzunehmen. Doch dann wird die
Geschichte immer schneller immer rasanter, dass die Seiten ebenso wie der
Ewigsturm dahinfliegen. Lift wird in den weiteren Stormlight Romanen eine
wichtige Rolle spielen. Da die Geschichte am Ende des zweiten (englischen)
Bandes »Words of Radiance« spielt, und somit massive Spoiler für diese enthält,
war es Sanderson nach seinen eigenen Aussagen nicht möglich, die Ereignisse
irgendwie sinnvoll in Band drei unterzubringen. Die Novelle war ein wunderbares
Mittel, um zentrale Wendepunkte in Lifts und Darkness’s Leben zu erzählen.
Wer
»Words of Radiance« gelesen hat und weiß, dass der Menschheit am Ende scheinbar
Tod und Verderben durch den Ewigsturm und die Parshendi drohen, erwartet bei
»Edgedancer« freilich Chaos und Zerstörung in Hülle und Fülle. Sanderson wollte
jedoch anscheinend den dritten Stormlight in dieser Hinsicht noch nicht allzu
sehr spoilern und wählte eine Stadt, die durch ihre Lage in massivem Fels relativ
gut vor Stürmen jeglicher Art und egal aus welcher Himmelsrichtung geschützt
ist. Zumindest macht er jedoch Andeutungen über den Zustand der anderen Reiche
Roshars. Er lässt es also weiter spannend bleiben.
Genial.
Grandios. Absolute Perfektion. Mehr muss man zusammenfassend zu »Arcanum
Unbounded« nicht sagen. Die Anthologie funktioniert auch wunderbar als
einführende Lektüre in den Cosmere.
Autor:
Brandon Sanderson
Titel:
Arcanum Unbounded: The Cosmere Collection
Original:
Arcanum Unbounded: The Cosmere Collection
Sprache:
Englisch
Reihe:
Nein
Seiten:
672
Originalpreis:
27.99$
Verlag:
Tor Books
Genre:
Fantasy
ISBN:
978-0-7653-9116-2
Erscheinungsjahr:
2016
Weitere Links
Weitere
Rezensionen erschienen bei:
- Tor.com (eine mit Spoilern und eine ohne)
- 17Shard.com (spoilerfrei)
- Kitty G on YouTube
Kapitel
1-3 von Edgedancer kann man hier
lesen.
©Bildrechte der Banner liegen beim Verlag.
Guten Abend,
AntwortenLöschendas ist eine großartige Rezension. Vielen Dank! Mir war allerdings schon vorher bewusst, dass ich das Buch unbedingt haben muss. Ich liebe den Autor und seine Werke und einen Großteil der Kurzgeschichten kenne ich schon. Trotzdem ich kann es kaum erwarten all die Erläuterungen und Illustrationen zu sehen.
Brandon Sanderson ist für mich einer der besten Fantasyautoren, die es gibt. Wenn nicht DER Beste.
Vielen Dank noch mal,
Ina
Ich seh das zwar weniger als Rezension denn hemmungsloses Gefangirle, aber danke ^^ Das Buch ist einfach großartig! Meine persönliche Empfehlung ist ja, dabei das Album Epica von audiomachine zu hören, ist mein persönlicher Cosmere-Soundtrack. Insbesondere Fire and Honour passt so großartig zu Stormlight! *-* Sanderson ist ein genialer Autor, aber auf eine andere Art und Weise als Tolkien oder Martin, weshalb ich mich nicht zwischen den dreien entscheiden möchte.
LöschenLiebe Grüße
Da mein Englisch zwar vorhanden ist jedoch nicht ausreicht um das Buch zu lesen möchte ich mich herzlich für diese umfangreiche Rezension bedanken. Meinem Verständnis für Sandersons Universum hat es sehr gut getan. Ich hoffe inständig dass sämtliche Sanderson Werke irgendwann übersetzt werden!
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