Nun trägt der
nachfolgende Text das Label einer Rezension, aber so wirklich eine Rezension
ist es nicht. Eher eine Eskalation von purem Nerdgasm. Denn anders kann ich
weder The Way of Kings noch irgendeinen anderen der Nachfolgebänder des
Stormlight Archive von Brandon Sanderson besprechen. Das führt für mich
eigentlich zu genau demselben Grund, warum ich Tolkien nicht rezensiere: Es ist
genial, Punkt, aus. Daran gibt es nichts zu diskutieren. Daher müsste die Frage
für dieses Buch heißen: »Was ist hieran eigentlich nicht geil?«, statt »Wie
gefiel es mir persönlich?« Da diese Frage aber sehr schnell mit »Nichts« zu
beantworten ist, stellen wir lieber die Frage: »Was genau ist hieran geil?«
The Way of Kings ist
der Auftaktband des Stormlight Archives, der Reihe, die wohl als der Kern des
Cosmere bezeichnet werden kann – für Brandon selbst ist das die Geschichte, die
er schon immer erzählen wollte, bisher aber nicht konnte, weil sie so enorm
ist. Und The Way of Kings ist erst der Anfang, der im Vergleich zu Words of
Radiance oder gar Oathbringer noch ganz zart aussieht.
Kaladin war nicht
immer ein Sklave in den Brückenmanschaften des Großprinzen Sadeas. Einst war
ihm der Weg eines Chirurgen in Kharbranth beschieden. Irgendwie landete er dann
aber als Speermann in der Armee Prinz Amarams und wurde von dort aus in die
Sklaverei verkauft. Nun ist er am Boden der Gesellschaft angekommen, mitten
unter den Ärmsten der Armen. Denn die Brückenmänner sind zum Sterben
verurteilt. Kaladin hätte beinahe den Freitod gewählt, wäre da nicht das
seltsame Sprengsel Syl, das sich an ihn gebunden hat und ihn zum Kämpfen
ermuntert. Sie beide ahnen nicht, dass sie damit den ersten Schritt auf dem
Pfad der Strahlenden Ritter getan haben. Im fernen Kharbranth derweil sucht
Shallan Davar die Lehre der Häretikerin Jasnah, um von ihr die nur denkbar
beste Ausbildung zu erhalten – und um ihren Seelengießer zu stehlen. Doch sie
muss entdecken, dass Jasnah an etwas viel größerem forscht, das weit über den
Untergang des kleinen Hauses Davar hinausgeht.
Life
before death.
Strength
before weakness.
Journey
before destination.
Das erste Ideal der Strahlenden Ritter,
The Way of Kings, S. 1036.
Ich bin jemand, der
saugeiles Worldbuilding über alles schätzt. Und besser als das hier geht einfach
nicht. Nur genauso gut, und das findet sich bei Tolkien. Roshar ist eine sturmumtoste
Welt. Großstürme von enorm zerstörerischer Wucht ziehen in regelmäßigen
Abständen von Westen her kommend über den gesamten Kontinent und prägen Leben
auf ihn in allen Aspekten. Alles auf Roshar ist auf die Großstürme
ausgerichtet, Tier, Pflanze und Mensch. Auf uns mag Roshar fremd erscheinen,
doch gerade das macht den Reiz dieser Welt aus. Brandon schafft es exzellent,
eine so fremde Welt so greifbar zu machen, als wäre man selbst ein Alethi und
mit deren Kultur aufgewachsen.
In Roshar gibt es
zahlreiche Kulturen, und jede von ihnen ist einzigartig, viele gar fremdartig.
Dass Alethi Damen ihre linke Hand, die Schutzhand, verbergen, da eine entblößte
Schutzhand als anstößig gilt, ist dabei nur das geringste. Leute, so gestaltet
man eine fremde Welt: in vielen kleinen Details von unserer abweichend, aber
nicht zu fremd und alienhaft, und gleichzeitig so, als fühlte sie sich an, als
sei das alles die natürliche Ordnung der Dinge.
Roshar ist einfach
episch und gewaltig. Alles hieran ist eine Nummer größer. Khriss, die
Verfasserin der Ars Acana am Ende eines jeden Cosmere-Bandes, schreibt
passenderweise in Arcanum Unbounded zum Rosharan-System und besonders zum
Planeten und Kontinent Roshar, dass man sich hier regelrecht zwergenhaft
vorkommt. Es gibt zahlreiche riesige Krustenkreaturen wie die friedlichen
Chulle, die als eine Art Lasttiere eingesetzt werden, oder gar die gigantischen
Kluftteufel, die in den riesigen Kluften der Zerbrochenen Ebene hausen und
regelmäßig ganze Bataillone verschlingen.
Und dann gibt es da
natürlich noch die Splitterklingen und –rüstungen (Shardblades und Shardplates
im Original, was einfach viel besser klingt, wie ich finde). Die Rüstungen
geben ihrem Träger übermenschliche Kräfte und auch die Klingen scheinen nicht
von dieser Welt. Sie schneiden lebendes Gewebe nicht, sondern brennen direkt
die Seele aus ihm. Wird man von einer Splitterklinge getroffen, stirbt man mit
brennenden Augen. Ritter in solch einer Rüstung sind eine imposante
Erscheinung, die wunderbar in das Erscheinungsbild Roshars passen, wo alles
größer wirkt. Außerdem, ganz nebenbei, ist der Kontext der Rüstungen endlich
einmal eine wunderbare Erklärung für die völlig übertriebenen Rüstungssets, die
ein Trope der Fantasy geworden sind. Hier macht das wenigstens Sinn!
Die Großstürme, die
regelmäßig über Roshar herziehen, tragen in sich Sturmlicht, die essenzielle
Kraft des Systems. Sturmlicht wird nicht nur als Lichtquelle in Glaskugeln
verwendet, die gleichzeitig auch das Währungssystem sind, sondern auch
beispielsweise, um die überirdischen Kräfte der Splitter zu betreiben.
Der Assassine in Weiß,
welcher König Gavilar und Alethkar tötete und damit den Krieg der Alethi gegen
die Parshendi auf der Zersplitterten Ebene auslöste, konnte mit Sturmlicht
jedoch noch viel mehr. Es scheint, dass er die Kräfte der verschollenen
Strahlenden Ritter besitzt.
Man merkt Roshar an,
dass es eine alte und turbulente Geschichte besitzt, auch wenn vieles davon in
den Wogen der Zeit verschollen ging. Nur wenige Menschen wie Jasnah sind in der
Lage, aus den Fragmenten, die aus den mythischen Zeiten erhalten blieben, die
Wahrheit herauszufinden. Das Gefühl, dass in der Ferne eine Ruine auftaucht, die
eine alte, längst vergessene Geschichte in sich trägt, kann Brandon in Roshar
ebenso gut vermitteln wie Tolkien in Mittelerde, vielleicht sogar besser, weil
es (noch?) nicht viel zur Vergangenheit Roshars gibt.
Eines weiß man jedoch:
Die Strahlenden Ritter, welche unglaubliche Fähigkeiten besaßen, sind
verschwunden. Niemand weiß, wieso, aber allgemein wird von Verrat an der
Menschheit gesprochen. Etwas Schreckliches passierte damals, als die Bringer
der Leere die Welt beinahe zerstörten. Niemand weiß so recht, wer die Bringer
der Leere sind, doch nun scheint es, als würden sie zurückkehren, um in der
letzten, der Wahren Wüstwerdung Roshar zu vernichten.
Und dann sind da noch
die unglaublich inspirierenden Charaktere. Wer schon einiges von Brandon gelesen
hat, weiß, dass seine Charaktere häufig auf eine ganz bestimmte Art und Weise
denken. So auch hier.
Es ist ermutigend zu
sehen, wie sich Shallan, Kaladin und Dalinar Kholin durch alle Widrigkeiten
boxen. Shallan will um jeden Preis als Mündel Jasnahs aufgenommen werden,
obwohl Jasnah alles daran setzt, sie abzuschütteln. Kaladin gar wird in die
Sklaverei verkauft und muss dort erdulden, dass er als lebendes Schild für die
Soldaten Sadeas‘ missbraucht wird. Großprinz Dalinar erlebt Visionen, von denen
er glaubt, dass sie vom Allmächtigen kommen, und die ihm sagen, dass er »sie«
vereinigen soll. Kaum jemand glaubt ihm, seine Autorität als Kriegsherr und
legendärer Schwarzdorn wird untergraben. Mit Cleverness und Verbissenheit boxen
sie sich durch alle Hindernisse und das wirkt einfach ermutigend, besonders,
wenn man selbst in einer schwierigen Zeit steckt.
Jeder Stormlight-Band
ist ein wahres Monster (was sich von Band zu Band sogar noch zu steigern
scheint). Und trotzdem sind sie alle extrem kurzweilig. Es passiert immer
etwas, bei dem man am Ball bleiben muss, um zu wissen, wie es weitergeht. Mal
sind es packende Ereignisse, mal die Charaktere, die zu verfolgen ein wahrer
Genuss ist, mal einfach nur das Gefühl, in diese wunderbare Welt abtauchen zu
können und wirklich da zu sein.
The Way of Kings wirkt
besonders beim ersten Lesen sehr verwirrend. Es gibt viele kleine Details, die
scheinbar nicht erklärt werden, deren Erklärung aber ebenfalls im Detail, den
Folgebänden und manchmal auch in anderen Cosmere-Bänden steckt. Auch wenn man
vielleicht nicht unbedingt weiß, was gerade vor sich geht (womit es einem wie
den Protagonisten geht), hat man das stete Gefühl, dass etwas vor sich geht, etwas sehr, sehr Gefährliches.
Nun, die Stormlight
Bände sind, wie jeder Cosmere-Band, eine unbedingte Empfehlung. Aber das dürfte an dieser Stelle wohl ohnehin klar
sein. Ich empfehle übrigens, das Album Epica von Audiomachine beim Lesen zu
hören. Es erwies sich für mich als der beste Soundtrack zum Buch.
I
will protect those who cannot protect themselves.
Das zweite Ideal der Strahlenden Ritter,
The Way of Kings, S.1156
They
named it the Final Desolation, but they lied. Our gods lied. Oh, how they lied.
The Everstorm comes. I hear its whispers, see ist stormwall, know its heart.
The Way of Kings, S. 1158
Autor: Brandon
Sanderson
Titel: The Stormlight
Archive: The Way of Kings
Sprache: Englisch
Umschlag- und
Innenillustration: Michael Whelan, Isaac Steward, Ben McSweeney, Greg Call
Reihe: Band 1
Seiten: 1258
Originalpreis: $8.99
Verlag: Tor Books
Genre: Fantasy
ISBN:
978-0-7653-6527-9
Erscheinungsjahr: 2011
Weitere Rezensionen
- All meine Träume (zu »Der Weg der Könige«, der ersten Hälfte des Buches)
Weitere Rezensionen
- All meine Träume (zu »Der Weg der Könige«, der ersten Hälfte des Buches)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Die Kommentarfunktion auf dem Blog ist abgestellt, um Spam zu vermeiden, aber auch, weil ich all der relativierenden "Ja, aber ...!"-Kommentare müde wurde, die sich mehr und mehr häuften, besonders bei Posts, die keine reinen Rezensionen waren. Ihr könnt mich immer noch über Twitter erreichen.
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.