Gerade unter Lesern der Fantasy ist es weit verbreitet, auch
einmal selbst die Feder statt dem Schwert zu schwingen – wahlweise auch die Tastatur
des Rechners zu malträtieren. Schreibratgeber gibt es wie Sand am Meer, einer
davon mit Fokus auf Fantasy stammt von Sylvia Englert und lauscht auf den etwas
sperrigen Namen „Fantasy schreiben & veröffentlichen: Phantastische Welten
und Figuren erschaffen“.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Es war mein erster
Schreibratgeber, den ich jemals in meinem Leben zu Rate zog, obwohl ich selbst
seit Jahren meine Textlein tipsel, weil ich bisher nicht wirklich viel von
diesen Ratgebern hielt. Sie waren mir zu starr, zu eingleisig. Ich war im
Nachhinein ganz froh, dass ich dennoch aus Neugierde mal zu diesem griff und
einen Blick hinein warf. Nicht selten nickte ich wissend oder zustimmen oder
machte ein erstauntes Gesicht, als ein Aha-Effekt einsetzte.
Englert geht systematisch vor und fängt beim Genre an, geht
über die ersten Anfänge und das eigentliche Schreiben hin zum Veröffentlichen,
was mit Sicherheit der logischste Aufbau ist. Mir fiel dabei der umfangreiche
Teil zu den Subgenres der Fantasy positiv auf, da es mitunter gerade für den Laien
schwer sein kann, das alles klar voneinander zu trennen – und mitunter ist es selbst
für den Fachmann gar nicht so einfach, ein Buch eindeutig einem Subgenre
zuzuordnen.
Sie thematisiert dabei nicht nur Bücher für Erwachsene,
sondern auch All Age und Kinderbücher und gibt für alles ein paar gute
Faustregeln, welcher Inhalt zu welcher Altersgruppe passt. Mir persönlich hat
bei den Kinderbüchern jedoch gefehlt, dass ein gutes Kinderbuch immer auch
ethnische und moralische Werte transportiert und das altersgerecht verpackt. Es
gibt meiner Meinung nach nichts schlimmeres, als irgendwelche „Abenteuerromane“,
die Kinder vielleicht total cool finden mögen, in denen die Protagonisten aber
ständig irgendwelche Streiche spielen und anderen Unfug anstellen. Kann man
machen, keine Frage, hat aber keinen nennenswerten Mehrwert und sorgt im
schlimmsten Falle noch dazu, dass die jungen Leser selbst dazu angestiftet
werden.
Dennoch: Da ich selbst bereits zumindest ein bisschen
Schreiberfahrung besitze, hatte ich zumindest eine gewisse Ahnung, was hinter
all den Tipps und Anregungen steht. Sehr befürworten konnte ich nur, als die
Autorin ansprach, wie wichtig es ist, selbst viel und aufmerksam zu lesen. Auch
schlechte Literatur, um sie zu analysieren, was man hätte besser machen können,
um es selbst besser zu machen – und um ein wenig das Ego zu pushen. Das ist
meiner Meinung nach der wichtigste Tipp, den man beim Schreiben geben kann. Ich
bin selbst Autodidakt und habe mir das Schreiben quasi ausschließlich über
diesen Weg beigebracht.
Aber man lernt schließlich nie aus und selbst für
erfahrenere Schreiberlinge hat Englert noch einige Kniffe im Ärmel. Mir gefiel die
Schreibübung sehr, bei der man sich Karteikärtchen mit verschiedenen Farben
zulegt. Auf jede schreibt man einen Begriff, zieht anschließend von jeder Farbe
eine Karte und versucht dann, aus den Begriffen eine sinnvolle Geschichte zu
basteln.
Englert hat in ihrem Buch zahlreiche Zitate aus Interviews
mit Autoren und Mitarbeitern der Verlagsbranche eingebaut, die ihre Aussagen sowohl
untermauern als auch weiter illustrieren und ausbauen. Zudem führt sie
verschiedenste Fallbeispiele aus aktueller Literatur an. Ich persönlich mochte
die drei Beispielexposés besonders, und da ich zumindest „Grauwacht“ auch
bereits kannte, hatte mir dieses Wissen sehr geholfen, endlich mal ein gutes Bild
zu bekommen, wie so ein Exposé aussehen kann. (Zugegeben: Ich hatte mich bisher
nie weiter damit befasst.)
Der letzte Teil des Buches, in dem es um die
Veröffentlichung geht, hat mich ehrlich gesagt etwas eingeschüchtert. Klar, von
nichts kommt nichts, aber irgendwie hoffe ich als sehr menschenscheue Person
dennoch, dass ich nicht von mir aus auf die Leute zugehen muss. Englert hebt
nämlich hervor, wie wichtig es als Newcomer ist, Networking zu betreiben, und
damit hat sie ganz sicher Recht. Nur wäre an dieser Stelle vielleicht etwas
mehr Ermunterung für introvertierte Personen ganz angebracht.
In ihrem Buch finden sich immer wieder schöne Checklisten
und Tabellen sowie Zusammenstellungen von verschiedenen Internetadressen
verschiedenster Foren und Communitys und Andressen von Verlagen und Agenturen.
Das erspart einem zwar nicht die eigene Recherche, ist aber ein praktikabler
erster Schritt. Die Tabellen und Checklisten sind eine schöne Anregung, die
eigene Geschichte zu planen und zu organisieren, zumal Englert auch hier
verschiedene Methoden präsentiert und dazu ermutigt, sich selbst
auszuprobieren.
Sie geht oft sehr divers vor und beleuchtet ein und dieselbe
Sache aus verschiedenen Standpunkten, statt zu sagen, dass etwas genau so und
so gemacht werden muss. Mitunter betont sie auch, dass einige Dinge zwar
gewagt, aber möglich sind und ermutigt dazu, manches einfach auszuprobieren; es
ist immerhin der eigene Roman und am Ende bestimmt immer der Autor darüber, was
damit passiert. Das halte ich für eine
sehr wertvolle Herangehensweise, denn ob etwas funktioniert oder nicht, wird
man mit genügend Selbstreflektion schon selbst merken. Hoffentlich …
Ein kleiner Punkt, der mir persönlich aber sehr positiv
auffiel. Fanfictions haben einen sehr ambivalenten Ruf. Einige lieben sie,
andere hassen sie. Einige Autoren (wie George Martin) raten angehenden Autoren
ab, selbst welche zu schreiben, andere ermutigen durchaus dazu und manche Bestseller
waren ursprünglich selbst Fanfictions. Ich selbst liebe Fanfictions und bin der
Ansicht, dass sie, wenn man sich im Lernprozess von ihnen lösen kann, einen
wunderbaren Anfang bieten. Von daher fiel es mir sehr positiv auf, dass Englert
Fanfictions ebenfalls positiv hervorhebt und ihnen einige Seiten widmete.
Uneingeschränkt stimme ich ihr allerdings nicht zu. Sie
erwähnt Spiegelszenen als beliebtes Mittel, um das Erscheinen von
Protagonisten, die von sich in der ich-Form erzählen. Dabei erwähnt sie leider
nicht kritisch, dass Spiegelszenen mittlerweile einen sehr schlechten Ruf
haben, da sie ein billiges Mittel sind und zudem über alle Maßen ausgelutscht.
Und Herrgott, nein! Wolf Schneider ist keine Empfehlung!
So ganz aktuell ist Englert leider auch nicht. Ihre Bücher
und die Daten der Websides, die sie in ihrem Buch erwähnt, sind zwar, soweit
ich das überblicken kann, vom Stand 2015, die Erzähltheorien, auf die sie sich
stützt, um einige grundlegende Fakten zu vermitteln, sind veraltet. Stanzel
wird zwar leider nach wie vor in der Schule gelehrt, seine Theorie gilt aber schon
längst als überholt und wurde von Genette abgelöst. Genette ist nicht nur meiner
Meinung nach eingängiger und praktikabler und auch an Universitäten
mittlerweile bevorzugt.
Alles in allem ist das Buch aber dennoch eine Empfehlung für
alle, die sich mit dem Schreiben befassen. Selbst wenn man nicht selbst
schreibt, bietet das Buch einen guten Blick hinter die Kulissen der geliebten
Fantasy-Autorenschmieden. Mit als Rezensent hatte es ebenfalls einige neue
Denkanstöße gegeben.
Daten
Fantasy schreiben
& veröffentlichen: Phantastische Welten und Figuren erschaffen: ISBN
978-3-86671-127-3, Autorenhaus Verlag, 2015, 19,99€
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