Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Freitag, 6. Juli 2018

Freitagsprobe: Das gefallene Mädchen: Wasser von Viola Waldner

Quelle: Amazon
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo ich bei dieser Leseprobe anfangen soll. Es ist einfach ALLES falsch hieran! Ich fuchtle verzweifelt mit den Armen vor dem Bildschirm und versuche noch irgendwie, meine entsetzten Gedanken in Worte zu fassen. Ich gehe einfach mal in der Reihenfolge meiner Notizen durch – die für eine Leseprobe erschreckend viel geworden sind.

Der renommierte Psychiater Doktor Hahn heilt Seelen nicht nur – er zerstört sie auch.
In seiner BDSM-Sekte gilt Gerhard als besonders erfahren und konsequent. Dieser bekommt einen reizvollen Deal in Aussicht gestellt: Vollbringt er eine schier unlösbare Aufgabe, wird er zum mächtigsten Mann der Gruppe befördert. Der Job? Er soll die radikale Feministin Vanessa unterwerfen.
Besessen davon, Hahn alle Macht abzuringen, nimmt er die Herausforderung an – und gerät in einen Sog menschlicher Abgründe ...
Ein tiefgehender Roman über Lust, Gewalt und zartes Vertrauen – mit psychologischen und sozialkritischen Elementen.
(Quelle: Amazon)


Ich rege mich ganz ehrlich am liebsten über das »mit psychologischen und sozialkritischen Elementen« auf, um über den ganzen anderen missbräuchlichen Scheiß, der allein in der Leseprobe geschildert wird, nicht nachdenken zu müssen. Psychologische Elemente und dann hat der Protagonist Gerhard ein Burnout. Leute, nennt das Kind beim Namen! Burnout als Diagnose existiert nicht und wird nicht einmal im ICD-10 gelistet. Burnout ist lediglich ein fancy klingender und gesellschaftlich akzeptierterer Begriff für eine Depression. Und er stigmatisiert. An »Burnout« leiden Menschen, die so sehr für ihre Arbeit gebrannt haben, dass sie nun ausgebrannt sind. Der Begriff sagt: »Hey, seht her, dieser Mensch hat sich so sehr in seine Arbeit hineingeghangen und wirklich restlos alles dafür gegeben! Das ist toll!« Depression hingegen ist in vielen Köpfen noch immer mit Faulheit und »Der will nur nicht, der muss sich nur mal zusammenreißen« gelabelt. Dabei ist eine Depression eine schwerwiegende und ernst zu nehmende Krankheit. So schwer, dass sie bis zum Tod führen kann. Eine Depression nicht als das zu behandeln, was sie ist, ist kreuzgefährlich und führt nur dazu, dass Menschen, die Hilfe brauchen, nicht die Hilfe bekommen, die sie benötigen.

Vom Rest, der allein in der Leseprobe nicht stimmt, will ich gar nicht erst reden. Die Leseprobe umfasst den Prolog sowie die ersten beiden Kapitel und Teile vom dritten. Angeblich soll der Roman »authentischen BDSM« schildern. Was ich tatsächlich bekomme? Missbrauchsphantasien von der ersten Seite an, die auch schon in der Leseprobe in die Tat umgesetzt wurden. Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf.

Ich war ziemlich entsetzt, als ich eine Leserunde zu diesem Roman fand und die Leser darin gerade die Szene aus der Leseprobe feierten, in der ein »Initiationsritus« in die oben erwähnte BDSM-Sekte geschildert wurde. Es sei ja sehr löblich hervorzuheben, dass auf die Wünsche der Frau eingegangen wurde, und dergleichen mehr. Was tatsächlich zu lesen ist, ist folgendes: Es wird die konsequent männliche Härte der Männlichkeit betont (und dann heißt einer Hartmann, ist kein Witz). Es wird rechtes Gedankengut propagiert, in dem der Mann die Frau zu unterwerfen hat, notfalls auch gegen ihren Willen. Die Frau in dem Ritus wird zum Geschlechtsverkehr mit mehreren Männern gezwungen, auch wenn sie sehr deutlich ihre Ablehnung deutlich macht. Als ich das letzte Mal das Haus verlassen hatte, nannte sich so etwas noch Vergewaltigung.

Und nichts weiter als das ist dieses Stück sexistischer Kackscheiße, die ich hier gelesen habe: ein Vergewaltigungsroman. Ich bin zugegeben kein Experte zu BDSM, aber so viel werden die meisten wissen: BDSM basiert auf gegenseitigem Vertrauen, darauf, auch mal Verantwortung abgeben zu können und sich in einer gesicherten Umgebung fallen zu lassen. Damit diese Umgebung auch wirklich gesichert ist, gibt es Safewörter, bei denen sofort Stopp gemacht wird, wenn sie fallen, ebenso Konsens und gegenseitiges Vertrauen. Was gibt es in diesem Roman nicht? Richtig.

Stattdessen müssen Frauen unterworfen werden, und gerade das »Emanzenpack« zu brechen und zu dominieren, gilt als Beweis der eigenen männlichen Härte. Das ist per definitionem sexistischer Kackscheiß. Hier wird ein »nein« von einer Frau als »zickig« abgetan und als Herausforderung aufgenommen, das »Emanzenpack« (sic!) nun erst recht gegen ihren Willen sexuell zu missbrauchen und zu brechen. Folgendes ist ein originales Zitat aus dem Roman: »Ja. Es geht hier um ein gefährliches, gewaltbereites Weib, das uns Männern todfeindlich gesinnt ist …«

Ja, so habe ich auch geguckt, als ich damit fertig war. Und danach war ich mit mir und der Welt fertig. Ich kann an dieser Stelle nur darum bitten, diesen Text bei Amazon aufgrund von Pornographie und Sexismus zu melden, sodass er aus dem Programm genommen wird. So etwas sollte nicht verkauft werden! Erwähnte ich außerdem, dass es sexistische Kackscheiße ist? Nein? Es ist sexistische Kackscheiße. Angeblich soll das alles weiter hinten im Roman besser werden, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht daran.

Liebe Autoren da draußen, ich weiß, dass es viele wissen, aber ich betone es hier dennoch noch einmal, da es anscheinend doch nicht alle wissen: Ihr habt eine moralische und ethische Verantwortung, wenn ihr einen Roman veröffentlicht und verkauft. Die Leseprobe sagt im Kern aus, dass Frauen weniger wert sind als Männer und es daher in Ordnung ist, sie als Sexobjekte zu missbrauchen, um die eigene toxisch männliche Dominanz zu beweisen. Wenn eine Leseprobe das schon aussagt, dann will ich den Scheiß gar nicht erst weiter lesen, daher ist es allein schon aus diesem Grund taktisch unklug, wenn erst »später im Roman« alles »gerade gerückt« wird. Nun, wie gesagt: Ich zweifle diese Aussage sehr stark an. Bitte hört damit auf, toxisches Gedankengut zu propagieren. Das ist scheiße.

Ein Auszug, um den Missbrauch zu illustrieren.

Ich bin dabei noch nicht mal auf den Feminismus-Aspekt eingegangen. Wenn das eines der sozialkritischen Elemente sein soll, dann fresse ich einen Besen. Ich lehne mich mal an dieser Stelle aus dem Fenster und behaupte, dass die Autorin den Feminismus nicht verstanden hat. Vanessa gehört einer feministischen Organisation namens Schwarze Frauen an und ist eines jeder »gefährlichen, gewaltbereiten Weibchen«. Was sie tatsächlich ist, ist ein Zerrbild tatsächlichen Feminismus. Der Feminismus soll in diesem Roman ins Lächerliche gezogen werden. Da plärrt Vanessa ihren Dozenten wütend an, springt auf den Tisch und zündet ihren Studentenausweis an, um dann wutschnaubend den Hörsaal zu verlassen und damit ihr Studium in einer spontanen Reaktion geschmissen zu haben. Entweder ist sie affektlabil, oder die Autorin hat einfach keine Ahnung, wie man Feministen ordentlich zeichnet. Ich tendiere zu letzterem. Früher wurden BHs verbrannt, jetzt schmeiß ich mein Studium, indem ich meinen Studiausweis abfackel. Leute, das ist nicht, wie man ein Studium schmeißt. Und schon gar nicht, wie Feminismus tatsachengerecht dargestellt wird. Es schmerzt zu sehen, wie eine im Kern so gute Sache wie die Gleichberechtigung der Frau ins Lächerliche gezogen wird, um damit gleichzeitig eine toxische Maskulinität zu propagieren. Immerhin gilt es als erstrebenswert, Leute wie Vanessa zu brechen.

Mein Fazit? Leute, bitte meldet das bei Amazon. Danke. Dass hieran nichts erotisch sondern einfach nur entsetzlich ist, brauche ich wohl nicht zu betonen, oder?


Werbung nach §6 TMG
Reiheninformation
Autor: Viola Waldner
Titel: Das gefallene Mädchen: Wasser
Sprache: Deutsch
Umschlagillustration: Tja, wenn das mal angegeben worden wäre …
Reihe: Band 1 (ICH WILL NICHT!!)
Seiten: 496
Originalpreis: 4,99€
Verlag: Selfpublisher
Genre: Erotik Missbrauchsphantasien
ASIN: B073RVX6L6
Erscheinungsjahr: 2017

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