Bisher war die Kategorie der Filmreviews auf meinem Blog
recht witzlos, da sie komplett von Game of Thrones eingenommen wird. Jerome
Biyby’s Man From Earth schien mir da ein guter Augenblick, das zu ändern. Er
ist ein Science-Fiction-Film von Richard Schenkmann nach einem Drehbuch von
Jerome Bixby aus dem Jahre 2007.
Wer Blockbuster Action, fulminante Aufnahmen und viele und
vor allem große Explosionen erwartet, ist hier fehl am Platz. Der Film ist nach
dem Konzept der Einigkeit von Raum und Zeit geschrieben worden, das heißt, dass
die gesamte Handlung fast ausschließlich an einem Ort und an einem Tag spielt. John
Oldman, Professor für Geschichte, zieht aus. Das geschieht recht plötzlich,
doch seine Nachbarn und Freunde, selbst überwiegend Wissenschaftler, können ihn
noch abfangen und verbringen eine kleine spontane Feier in seinem fast leeren Haus.
Sie kommen dabei ins Gespräch und Oldman eröffnet, dass er ein 14.000 Jahre
alter Cro-Magnon-Mensch ist. Zunächst glauben die Anwesenden ihm nicht, doch
Dan erwirkt, dass sie das Szenario theoretisch und aus wissenschaftlicher Sicht
doch einmal durchspielen könnten. Der folgende Film dreht sich ausschließlich
um das daraus resultierende Gespräch, was für ein Mensch dieser 14.000 Jahre
alte Mensch sei und was er alles erlebt haben könnte. Mit einem Biologen, einer
Kunstwissenschaftlerin und bibelfester Katholikin, einem Anthropologen, einer Historikerin,
einem Archäologen und einem Psychiater sind beste Bedingungen geschaffen, um
einem interdisziplinären Diskurs fußend auf dieser Frage zu führen.
Der Film besteht nahezu ausschließlich aus diesem Dialog.
Natürlich besteht da leicht die Gefahr, dass es langatmig wird, das passiert
aber nicht, da das Gespräch wirklich hochinteressant ist und ausgesprochen
spannende und kluge Fragen aufwirft. Zum einen kann man eine ganze Menge daraus
lernen, andererseits aber selbst über die Fragen nachdenken. Was macht es mit
einem Menschen, wenn er plötzlich aufhört zu altern und nicht stirbt? Mit
Sicherheit sind die Antworten des Films nicht in Stein gemeißelt, aber sie
wirken gut argumentiert und könnten zumindest eine vorstellbare Möglichkeit
sein.
Lobend hervorzuheben ist auch, dass der Film nie die Schiene
der Wissenschaft verlassen hat. John wird zwar danach gefragt, ob er die Ursprache
noch beherrsche, aber nachdem er sagt, dass er ein paar Wörter noch könne,
spricht er sie nie an. Ich meine, selbst das Germanische ist fast
ausschließlich rekonstruiert und kaum belegt. Wie will man da auf eine Sprachstufe
wie beispielsweise das Ur-Indogermanische zurückgehen, ohne vollkommen
spekulativ und sehr wahrscheinlich auch unwissenschaftlich zu werden? Von daher
finde ich es sehr gut, dass sie die von John erwähnten Wörter nur erwähnten,
nicht jedoch zeigten, da das einfach nicht zum restlichen Film gepasst hätte.
Die einzige Frage, die ich persönlich dann doch im Film
vermisst habe, ist die nach der Möglichkeit des Ganzen. Es wird zwar die Frage
an den Biologen gerichtet, wie es möglich sein kann, dass man nicht stirbt. Er
meint daraufhin, dass der menschliche Körper bei optimalen Bedingungen und ohne
jegliche Intoxikation für 190 Jahre ausgelegt sei (ob das stimmt, sei einmal
dahingestellt; ich weiß es nicht), aber der Gedanke wird nicht weitergeführt:
Wie kann es sein, dass man mit Mitte dreißig einfach aufhört zu altern? Das
wurde leider nicht angesprochen. Außerdem wurde das optische Alter Oldmans ebenfalls
nie in Frage gestellt. Er gibt sich als Mitte dreißig, vor Vierzehntausend Jahren
jedoch galt man durch den hohen Stressfaktor damit schon als alt. Warum hat das
keine entsprechenden Spuren hinterlassen? Er erwähnt zwar, dass er keine Narben
bekommt, aber Alterungsprozess ist ja viel mehr als nur das.
Trotzdem: Es ist unheimlich spannend, dem Dialog zu folgen
und seine eigenen Überlegungen dazu zu machen. Außerdem kommen aus der Gesprächssituation
selbst die Charaktere immer noch sehr gut heraus. Ich persönlich mochte Dan,
den Anthropologen, am meisten, da er Johns Ausgangsfrage, was das mit einem Menschen
mache, nicht von Anfang an als Blödsinn abgetan hat, sondern die Runde dazu anregte,
das ganze doch einmal wissenschaftlich-theoretisch durchzuspielen, da das eine
spannende Frage sei. Ich mag seine rationale Art.
Gleichzeitig kann ich zum Beispiel auch Edith, die
Katholikin, verstehen, als John auf das Thema der Religion zu sprechen kam. Im
Laufe seines Lebens erlebte er viele Nationen und Kulturen auf- und wieder
untergehen. Logischerweise erlebte er damit auch die Zeit von Jesus Christus –
und hat an dieser Stelle ebenfalls eine kleine Überraschung parat.
Edith stellt seine Aussagen zur Religion in Frage, muss sich
aber selbst einer Glaubenskrise gegenüber sehen. Entsprechend reagiert sie
entsetzt und mit Ablehnung darauf. Auch der Psychologe Will, der erst am Vortag
seine Frau verloren hat, reagiert ablehnend auf Johns Geschichte und behauptet,
solch ein Mensch müsse eine Art Vampir sein, der anderen das Leben aussaugt. Er
bedroht John sogar mehrere Male, erst mit einem Revolver, dann mit einer
Zwangseinweisung in die Psychiatrie, so sehr wühlt ihn die Geschichte in
Verbindung mit dem Tod seiner Frau auf. Auch die anderen reagieren zunächst
eher abweisend, machen sich auch teils Sorge um Johns Seelenheil, und lassen
sich erst durch Dans Einwände allmählich auf die Geschichte ein.
Die Reaktionen auf Johns Aussagen sind also wirklich klasse
dargestellt und zeigen verschiedenste Versionen, wie ein Mensch auf so etwas
wohl reagieren würde. Rein von der technischen Seite her kann der Film nicht
überzeugen. Die Bildqualität ist eher mau und die schauspielerische Leistung
lässt ebenfalls zu wünschen übrig. Dafür ist die dezent gesetzte Musik sehr
passend. Vor allem aber trumpft der Film mit seinem Inhalt auf. Es macht
wirklich unheimlich viel Spaß, all das Gesagte selbst zu hinterfragen, sich
seine eigenen Gedanken zu machen und dann den Argumentationen der Protagonisten
zu folgen. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich auch einmal auf diesen Film
abseits des Mainstreams einzulassen!
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