»Krieg. Krieg bleibt immer gleich.« Egal, ob man nun von
Fallout 3 spricht, von realen Kriegen wie dem Vietnamkrieg oder von
Zukunftsvisionen in Science-Fiction-Romanen: Irgendwie ist dieser Spruch doch
stets zutreffend. So oft und gern die USA und andere Nationen Krieg auch
verherrlichen, so bleibt seine Realität doch stets grausam und unbarmherzig. In
»Der ewige Krieg« verarbeitet Joe Haldeman seine Erlebnisse im Vietnamkrieg und
setzt, obwohl sein Protagonist viele Hundert Jahre in der Zukunft lebt, doch
ein zeitloses Denkmal gegen den Krieg.
William Mandella lebt in einer Welt, in der die geistige
Elite in einem kosmischen Krieg verpulvert wird. Jeder mit einem hohen IQ wird
in die Armee eingezogen und muss gegen die Alienrasse der Taurier kämpfen,
welche die Pionierzüge der Menschheit in neue Sternensysteme bedrohen. Dabei
sind nicht nur die Taurier eine tödliche Bedrohung, sondern auch die feindliche
Umgebung der extraterrestrischen Planeten. Und immer, wenn die Soldaten mit
Lichtgeschwindigkeit von Einsatzort zu Einsatzort reisen, vergehen auf der Erde
Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte. Wenn sie eines Tages wieder die Heimat
sehen dürfen, hat sich das Gesicht der Erde teils bis zur Unkenntlichkeit
verändert.
Ganz so sicher, wie ich Teile des Romans einordnen soll,
weiß ich ehrlich gesagt auch mit einigen Tagen Abstand nicht. Eines steht
jedoch fest: Er hat mich unheimlich fasziniert. Der Roman wurde in den
Siebzigern geschrieben, was man an einigen Stellen auch merkt. Beispielsweise
geht Haldeman von einer maximalen Population von neun Milliarden Menschen aus,
was heute als sehr optimistisch bis gar nicht erfüllbar gilt; Schätzungen gehen
eher von elf Milliarden aus. Gleichzeitig sind Aussagen zu Homo- und
Heterosexualität sowie Gruppensex, die immer wieder Thema sind, für die Zeit
der Entstehung sehr brisant, kann ich mir vorstellen.
Ganz so einig, wie ich dazu stehen soll, bin ich mir allerdings
nicht. Dass die Soldaten so locker mit Sex und Partnerschaft umgehen, finde ich
sehr passend. Sie sind tagtäglich mit dem Tod konfrontiert; durchschnittlich
erlebt ein Soldat in diesem Krieg einen halben Einsatz, ehe er auf
mannigfaltige Art und Weise den Tod findet, nicht selten sogar noch in der
Ausbildung. Da erscheint es eigentlich sehr sinnvoll, keine festen Beziehungen
einzugehen, aber dennoch nicht auf Sex für Entspannung und Ablenkung zu
verzichten.
Dann aber heißt es, dass die Regierungen der Zukunft
Homosexualität stark fördern, um der Überbevölkerung Herr zu werden. Es gäbe
natürlich einfachere Methoden wie Sterilisation oder Medikamente, aber nach
genauerem Nachdenken denke ich, dass das Szenario vielleicht doch passen
könnte, das Haldeman hier aufbaut. Solche Eingriffe in den Körper könnten viele
als zu großen Eingriff in ihre Privatsphäre ansehen.
Außerdem wird immer wieder Konditionierung angesprochen. Die
Soldaten sind auf bestimmte Reize konditioniert, die ihnen das Töten im
Kampfeinsatz erleichtern sollen. Gleichzeitig heißt es auch, dass die
Erdbevölkerung durch Propaganda darauf regelrecht konditioniert wird, Homosexualität
besser zu finden. Es wird sogar davon gesprochen, dass es bei der
Erdbevölkerung allgemein als guter Ton angesehen wird, seine Heterosexualität
heilen zu lassen, auch wenn diese nicht direkt verpönt ist und so etwas wie
Heterophobie nicht erwähnt wird. Das ist dennoch der Punkt, wo ich dann doch
etwas stutzig werde. Haldeman lässt es nicht unreflektiert stehen, sein
Protagonist wird mit dieser Entwicklung nämlich auch nicht warm und findet das
nicht unbedingt toll. Aber dennoch: Ist das nicht eigentlich fast dasselbe wie
heutige Homophobie nur in Grün?
Der Roman regt wirklich in vielen Punkten zum Nachdenken und
Reflektieren an, was wirklich klasse ist. Mandella kommt immer mal wieder auf
die Erde zurück. Dadurch erfährt der Leser, wie sich die Welt in der
Zwischenzeit entwickelt hat. Es ist total spannend, diese Entwicklung somit
ebenfalls zu verfolgen. Die Ereignisse spielen viele der Szenarien durch, von
denen man tatsächlich ausgeht, zum Beispiel globale Kriege um
Nahrungsknappheit. Daraus resultieren verschiedene Ereignisse, zum Beispiel die
Einführung einer neuen globalen Währung, die im Energiegehalt des Essens
gemessen wird, sowie einer neuen Mentalität und Gesellschaftsstruktur. Und so
weiter und so fort. Die Entwicklung der Erde baut logisch aufeinander auf,
immer, wenn Mandella wieder auf der Erde ist, hat sie sich entsprechend ihren
vorherigen Ausgangsbedingungen entwickelt.
Irgendwie total krass ist auch, dass quasi die gesamte
Wirtschaft der Erde nach und nach auf diesen aufgrund der Zeitdilatation über
1100 Jahre andauernden Krieg ausgerichtet ist. Dementsprechend lange plant auch
die Militärführung, nämlich in schlappen Jahrhunderten. Das ist für uns heute
irgendwie völlig unvorstellbar und dennoch schafft es Haldeman, das alles
plausibel wirken zu lassen. Man stellt sich beim Lesen immer wieder vor, wie es
wäre, auf der Erde in dieser oder jener Entwicklungsstufe zu leben. Ist man
hochbegabt, wird man in die Armee eingezogen, was quasi mit dem Tod
gleichzusetzen ist. Ist man das nicht, hat man dennoch keine guten Aussichten,
lange zu leben, da die Ressourcen knapp sind und jeder zwar das nötigste, aber kaum
jemand mehr als das hat. Morbid faszinierend, darüber nachzudenken.
Die ganze Zeit über bleibt natürlich die Frage nach dem
Kriegsanlas im Raum hängen. Alles begann damit, dass ein Raumkreuzer der
Menschen mit Pionieren an Bord verschwand. Wenig später kehrte eine beschädigte
Drohne heim, deren Daten zeigte, dass das Schiff von einer fremden Rasse
angegriffen wurde. Warum taten sie das? Wer sind sie? Und woher kommen sie?
Für Mandella selbst spielen diese Fragen keine Rolle. Er ist
ein pazifistisch veranlagter Soldat, der eigentlich nur überleben will, um
endlich die Armee verlassen zu können. Er ist insbesondere am Anfang in seiner
Ausbildung eher ein Teil eines Kollektivs, was sich auch in der Erzählweise
wiederspiegelt. Wir haben zwar einen personellen Ich-Erzähler, der aber dennoch
eher im Hintergrund bleibt und vordergründig berichtend wiedergibt. Eine
ungewöhnliche Erzählweise für diese Perspektive, aber es passt eigentlich sehr
gut dazu, vor allem, da es der Autor dennoch schafft, Mandella nicht blass
wirken zu lassen.
Ich wollte mehr Science-Fiction lesen. Das war eine meiner
ersten Empfehlungen, die ich erhalten habe, und ich kann diese Empfehlung nur
wärmstens weitergeben. Der Roman wird nicht zu Unrecht seit vielen Jahren so
gelobt und gilt als Meisterwerk.
Autor: Joe Haldeman
Titel: Der ewige Krieg
Original: The Forever War
Sprache: Deutsch
Reihe: Band 1
Seiten: 394
Originalpreis: 8,99€
Verlag: Heyne
Genre: Science-Fiction
ISBN: 978-3-453-31597-6
Erscheinungsjahr: 2010
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