Ausflüge in ein anderes Genre sind für mich eher unüblich,
wenn auch nicht völlig ausgeschlossen. Meinen jüngsten Besuch ins Genre der
Jugendliteratur bar jeglicher phantastischer Elemente habe ich zugegebener
Maßen auch nicht ganz freiwillig unternommen, da ich dieses Buch für meine
Hausarbeit wählte. Ich schließe nicht aus, dass sich das in meinem Urteil
niederschlägt. Widmen wir uns nun also »Das Jahr, in dem sich Kurt Cobain das
Leben nahm«, dem Debütroman von Jessie Ann Foley aus dem Bastei Lübbe Imprint
One.
Ein Buch wie ein Grunge-Hit: wild, laut und gefühlvoll.
1993. Das ist das Jahr, in dem Nirvana ihr letztes Album ihr
letztes Album [sic] veröffentlichen. Und das Jahr, in dem Maggie von Chicago
nach Irland zieht. Maggie vermisst ihr Zuhause ebenso wie ihren chaotischen und
musikbegeisterten Onkel Kevin, Einzig seine Musiktipps sind Lichtblicke im
regenverhangenen Irland. Mit der Musik von Pearl Jam, den Smashing Pumpkins und
Nirvana ist alles Neue erträglich. Als Eoin auftaucht, der Junge mit dem unergründlichen
Lächeln, lässt ihr Heimweh langsam nach. Doch gerade, als die beiden sich
näherkommen, erreicht Maggie eine schreckliche Nachricht. Und auf einmal steht
sie vor der Frage, was wirklich wichtig ist im Leben ...
[Quelle: Klappentext, Verlag]
Die erste und zentrale Frage, die sich bei diesem Roman
stellt, ist die nach der Zielgruppe. Für wen ist dieses Buch denn nun
geschrieben? Stilistisch und thematisch richtet es sich ganz klar an junge
Leser, die etwa in Maggies Altersgruppe sind. Das Thema richtet sich jedoch an
Leute, die etwa Maggies Jahrgang sind, also um 1977 herum geboren. Der Roman
spielt kurz vor meiner Geburt, ich habe also absolut keinen Bezugspunkt zur
Popkultur Mitte der 90er. Habe ich nun entweder das Pech, genau zwischen den beiden
potenziellen Zielgruppen zu stehen, oder kann sich das Buch wirklich nicht
einig werden, wen es ansprechen will? Außerdem ist fraglich, ob heutige
Teenager überhaupt noch Zugang zur Musik der 90er haben, insbesondere zu
Nirvana. Sind die noch hipp und werden von Teenagern und jungen Erwachsenen
unschwärmt?
Der Roman liest sich entsprechend seiner Genremerkmale
leicht und flott von der Hand. Allerdings wirkt er häufig sehr unterkühlt. Maggies
Emotionen kommen kaum beim Leser an, so wirklich in Fahrt kommt das ganze erst
mit ihrer Wallfahrt zum Nirvana-Konzert in Rom. Ganz klar ist das Zunehmen an
Tempo und Emotionen ab diesem Punkt intendiert und kommt auch so heraus. Jedoch
war Maggie davor ganz sicher kein emotionsloser Zombie, ganz im Gegenteil! Sie
macht sogar ein ziemliches Auf und Ab der Emotionen durch. Lediglich am
Transport zum Leser scheitert es teils.
Negativ fallen die Markennamen auf, die immer wieder genannt
werden. Allgemeine Bezeichnungen hätten es auch getan. Auch der Klappentext ist
nicht unbedingt gelungen, da er eigentlich mehr oder weniger eine
Zusammenfassung des Romans ist, bei der ein, zwei Schlüsselbegriffe ausgelassen
wurden, um nicht alles zu verraten. Wirklich: Mehr passiert in diesem Buch
nicht, als im Klappentext steht. Der auf dem Buch hat zwar die Wiederholung
ausgelassen, fügt aber noch den Satz mit dem Konzert an, womit der Roman
vollends zusammengefasst wurde.
Wirklich emotional wird es erst am Ende des Romans, jedoch
im ausgesprochen negativen Sinne. Die letzten Kapitel machen wütend, wirklich
sehr wütend. Maggies Familie ist katholisch, außerdem geht sie auf eine katholische
Privatschule. Um auf dieser bleiben zu dürfen, muss sie versprechen, sich nicht
mehr mit Eoin zu treffen. Maggie überlegt kurz und sägt ihre nach ihrer eigenen
Aussage Liebe für’s Leben mal eben ab. Es ist einfach so ekelhaft von ihr.
Natürlich muss das Ganze aber ein ekelhaft kitschiges Ende
haben. Maggies Mutter will wieder zurück in die USA ziehen. Maggie passt das
ganz und gar nicht und protestiert, dass sie in Irland bleiben will, weil sie
sich in Eoin verliebt hat und ihre Mutter ihr das nicht nehmen darf. Im Epilog
erfahren wir dann, dass genau das passiert. Mutter zieht mit dem Rest der
Familie in die USA und Maggie bleibt mit Eoin in Irland, um mit ihm glücklich
bis an ihr Lebensende zusammen zu sein.
Normalerweise rede ich ungern so deutlich über Enden in
Rezensionen, um sie nicht zu spoilern. In diesem Fall macht mich diese
bodenlose Unlogik aber einfach so unglaublich wütend. Ich plane momentan selbst
einen Umzug, bin Student und suche Arbeit, um mir die Wohnung auch leisten zu
können. Es ist unglaublich stressig und mit zahllosen Hürden verbunden;
immerhin ist es die erste eigene Wohnung, der Schritt in die Selbstständigkeit.
Und dann lese ich hier, wie diese nervige sechzehnjährige (!) Göre, die noch
zur Schule geht (!), einmal kurz rumheult, und schon bekommt sie alles, was sie
will, ungeachtet der Tatsache, dass das hier noch einmal eine Größenortung mehr
ist als mein aktuelles Unterfangen. Es fühlt sich wie ein Hohnschlag ins
Gesicht an.
Nein, dieses Buch ist nicht gelungen. Die meiste Zeit
tröpfelt es so vor sich hin, ohne dem Leser die Möglichkeit zu geben, für die
Protagonistin irgendeine Form von Empathie zu empfinden. Der angenehme
Schreibstil ist eigentlich der einzige Pluspunkt an diesem Roman. Ansonsten
kann ich ihm herzlich wenig abgewinnen. Insbesondere der Schluss bleibt negativ
in Erinnerung.
Autor: Jessie Ann Foley
Titel: Das Jahr, in dem sich Kurt Cobain das Leben nahm
Original: Carnival at Bray
Sprache: Deutsch
Reihe: Nein
Seiten: 295
Originalpreis: 16,00€
Verlag: One
Genre: Jugendbuch
ISBN: 978-3-8466-0037-5
Erscheinungsjahr: 2016
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Die Kommentarfunktion auf dem Blog ist abgestellt, um Spam zu vermeiden, aber auch, weil ich all der relativierenden "Ja, aber ...!"-Kommentare müde wurde, die sich mehr und mehr häuften, besonders bei Posts, die keine reinen Rezensionen waren. Ihr könnt mich immer noch über Twitter erreichen.
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.