Sigrid Kraft lässt ihren neuen Roman »In einem fernen Land« von ihrem
Verleger Tobias Fahnauer verlesen.
Es gibt da diesen Effekt bei
Unfällen, wo alle anfangen zu glotzen, und dann schlimmstenfalls noch mehr
Unfälle gebaut werden. Inwiefern hier Folgeunfälle gebaut wurden und wenn ja,
wie diese aussehen, bleibt offen, aber ein Unfall war es. Die Autorin Sigrid
Kraft hatte es sich doch sehr leicht gemacht, als sie wieder einmal den Fauxpas
vom vergangenen Jahr wiederholte und sich wieder auf die faule Haut legte,
statt selbst ihren Roman zu verlesen. Stattdessen musste ihr Verleger Tobias
Fahnauer in die Bresche springen und ihre Arbeit tun. Warum? Das weiß keiner.
Ich erinnere mich aber an einen Facebook-Post der Autorin von vor über einem Jahr,
in dem sie meinte, dass eine männliche Stimme besser zu ihren Figuren passen
würde. Wie schon vor einem Jahr frage ich mich auch dieses Mal: Und was machen
denn Hörbuchsprecherinnen, wenn sie männliche Rollen sprechen? Oder umgekehrt?
Aber Frau Kraft weiß da natürlich voll Bescheid! Wehe, jemand sagt etwas
anderes!
Die Besucher der Lesung werden
jedenfalls an dieser Stelle über diese Kuriosität im Unklaren gelassen.
Überhaupt werden sie über vieles im Unklaren gelassen. Wer die Autorin ist, was
sie macht, was sie schreibt, worum es in ihren Büchern geht, wer ihre
Charaktere sind, warum ich mir das antue, wieso sich sowas verkauft, warum
dieselben Fehler des Vorjahres wieder haargenau wiederholt werden, warum kein
Lerneffekt eintritt. »Friss oder stirb!«, lautet die Devise. Ardeen ist
natürlich so toll, dass die Leute allein durch ihre Anwesenheit dazu motiviert
werden, das Buch sofort zu kaufen! Nee, irgendwie nicht. Irgendwie riecht die
Bemme in meiner Tasche da wesentlich ansprechender. Essen wäre jetzt nicht
schlecht …
Der Trailer soll schon alles
richten, scheint es. Nach drei lieblosen Einleitungsworten wird der Beamer
angeschmissen und der Trailer flimmert über die Leinwand. Praktischerweise ist selbiger
auch online einsehbar, sodass ich ihn hier präsentieren kann:
Während des Trailers bleiben
tatsächlich einige Leute stehen und sehen zu. Die meisten davon verschwinden
jedoch alsbald wieder, nachdem das Spektakel vorbei ist. Ich kann es ihnen
nicht verdenken. Ich meine: Klappentexte kann ich auch animieren, wenn ich mich
in die Technik des Animierens ein bisschen eingearbeitet habe. Das ist jetzt nicht
wirklich beeindruckend und sagt mir immer noch nichts über das Buch. Und das
hier war sogar noch weniger als ein Klappentext. Aussage: Nicht vorhanden.
Dafür ein wunderschöner Schönheitsfehler. Ja, da steht wirklich: »… was davor
geschah … und … was davor geschah«. Zusammen mit diesem nervigen Gejaule sagt
mir der Trailer genau eines: Ich will dieses Buch ganz bestimmt nicht kaufen.
Und eine Aussage darüber hinaus existiert schlicht nicht.
Das mit den Wiederholungen
scheint aber wohl wirklich ein typisches Mittel des Buches zu sein, so gesehen
vermittelt der Trailer also doch eine Aussage, die diese Bezeichnung verdient.
Ich habe es leider nicht mit aufgenommen (s.u.), aber es folgt in der Lesung tatsächlich
eine Textpassage, die besagt »Was wenige Minuten zuvor geschah« und dann exakt
dieselben Sätze noch einmal wiederholt, die vor dieser Passage gelesen wurden.
Da Herr Fahnauer sich da ausnahmsweise einmal nicht verhaspelte, scheint es
tatsächlich so im Buch zu stehen.
Zum einen ist dieses »Was zuvor
geschah« genauso abscheulich wie »Rückblende Anfang« und »Rückblende Ende« und
zum anderen: Merkt man es nicht, wenn man ganze Sätze einfach mal direkt hintereinander
copypastet? Herrgott! Dieses Lektorat gehört gefeuert! Zwischenüberschriften
wirken immer so, als sei der Autor nicht in der Lage, oder zu faul, oder beides,
sich einen Satz mehr aus den Fingern zu saugen und elegant dazu überzuleiten,
was in der ferneren Vergangenheit oder drei Minuten zuvor passiert ist.
Die Bemme in meiner Tasche duftet
immer verführerischer, die Leere in meinem Magen nach einem langen Messetag
meldet sich. Mate wäre jetzt auch nicht schlecht, denke ich mir. Intravenös am
besten. Dann bleibe ich vielleicht auch während der Lesung wach. Denn es ist
wirklich eine Zumutung, Herrn Fahnauer zuzuhören. Er liest unmotiviert, mit
einem starken Dialekt und verliest sich andauernd. Es ist einfach nicht mehr
feierlich. Bevor ich hier noch verhungere oder entschlafe, zücke ich jedoch
mein Handy und mache ein kleines Video, um das Ganze in Bild und Ton
festzuhalten.
Oh, schau! Ein Ciri-Cosplay da
hinten beim Pommesstand! Es gibt eindeutig zu wenige Witcher-Cosplays auf
dieser Messe. Was? Prinz Raiden macht irgendwelche tollen Sachen? Hätte ich
zuhören sollen? Tut mir leid. Wobei, eigentlich nicht. Vielleicht sollte ich
eine Wette beginnen, ob das nächstes Jahr, wenn Frau Kraft wieder dabei ist,
erneut so mies wird. Zücken da wirklich Leute ihre Geldbörsen, um sich das Buch
zu kaufen? Nein, macht das nicht!
Jetzt hat sich Ciri ‘ne große
Portion Pommes gekauft. Mein Magen knurrt. Ach, was soll’s. Darauf erst mal ‘ne
Fettbemme! Sonst werd‘ ich noch unleidlicher. Demonstrativ packe ich also mein
Essen aus und fange an zu essen. Wahrscheinlich wird die Wette langweilig, weil
alle dasselbe tippen. Bis zum nächsten Jahr …
Die Veranstaltung: Tobias Fahnauer liest aus In einem
fernen Land, Moderation: Sigrid Kraft, Messegelände, 26.3.2017, 14.30 Uhr
Das Buch: Sigrid Kraft: In einem fernen Land. Fahnauer
Verlag, Dresden 2017, 362 Seiten, 15,00 Euro, E-Book 7,99 Euro
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