Die Tram lauert überall
Eine
Eventlesung mit und von Markus Heitz zu seinem Buch »Des Teufels
Gebetbuch« in der Bahnhofsbuchhandlung LUDWIG.
Wer
denkt, er sei eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn
überpünktlich da, hat sich geschnitten. Bereits jetzt ist der
Nebenraum der Bahnhofsbuchhandlung LUDWIG sehr gut gefüllt und der
Strom der Interessenten reißt nicht ab. Doch jahrelanges Tetris
spielen trägt dazu bei, dass am Ende alle einen Platz finden. Der
Hauptakteur des Abends, Herr Heitz, ist eine viertel Stunde vor
Beginn da, lässt es jedoch ruhig angehen mit dem Beginn. Es soll
schließlich ein gemütlicher Abend in geselliger Runde werden. Sehr
gesellig, wie ein Blick in die Runde verrät.
Das
Publikum besteht überwiegend aus dunkel gekleideten Gestalten und
hat sich damit ganz intuitiv dem Kleidungsstil des Autoren angepasst.
Umso mehr fallen einige etwas reifere, aber noch rüstige Damen auf.
Nicht unbedingt das Klientel, das man hier erwartet aber nun gut.
Augenscheinlich haben sie tatsächlich Interesse, was durchaus
verwundert; Heitz' Fanclub ist anscheinend sehr breit aufgestellt.
Das
Wasserglas droht eine der berüchtigten Wasserglaslesungen an. Doch
Heitz ist ein alter Hase und weiß so etwas durch seine geübte
Rhetorik und den einen oder anderen guten Witz aufzulockern. Zudem
hat er wortwörtlich ein Ass im Ärmel. An diesem Abend soll es nicht
nur in seinem neuesten Roman um Kartenspiele gehen, es wird
tatsächlich gezockt. Eine kreative Abwechslung zum trögen Trott
einer Autorenlesung.
»Des
Teufels Gebetbuch«, der Titel des Romans klingt schon sehr …
verheißungsvoll. Als dem Publikum dann auch noch angedroht wird,
dass hier tatsächlich an diesem Abend gezockt wird, sehen sich
wahrscheinlich schon einige mit der Pistole an die Wand gestellt,
darauf hoffend, dass das Magazin leer ist. Doch Heitz gibt
Entwarnung: Wir spielen harmlos. Die Reihen der Leser auszudünnen,
findet auch er nicht so prickelnd.
Eben
weil Heitz zusammen mit seinem Verlag sich eine kreative Lösung für
das immer gleiche Schema A einer Lesung ausdachten, beginnt der Abend
mit dem Organisatorischen. Charmant, wie nur Heitz es verpacken kann,
fällt auch spontan die Lesung selbst darunter.
Vielleicht
ein Spontanidee, vielleicht schon länger vorhanden, kündigt Herr
Heitz außerdem an, dass an dieser Stelle wohl in Zukunft, wenn nicht
gerade Karten gespielt werden, ein Heitz-Bingo stehen soll. Denn auch
die alten Hasen im Publikum wissen: Herr Heitz bringt gerne einmal
einige Witze auf jeder seiner Lesungen. So hatte er beispielsweise
in jungen Jahren überlegt, ob er denn nicht einen soliden Beruf
ergreifen solle. Und »Bestatter haben ja auch nachwachsend
Rohstoffe«. Makaberer Humor passt in eine Runde wie diese immer sehr
gut. So erfahren wir außerdem: »Die Tram lauert überall.« Und
sorgt wahrscheinlich somit auch für die konstante Sicherung des
Bestatterberufs, welcher, so suggerieren es uns die Worte Herrn
Heitz', in Leipzig besonders lukrativ sein muss. Der Tram sei's
gedankt.
Der
Autor bietet seinen Zuhörern ein unterhaltsames Abendprogramm, das
immer wieder aufgelockert wird von insgesamt drei vorgetragenen
Szenen aus seinem neuen Buch. Dabei witzelt er nicht nur, sondern
erzählt auch einiges über den Entstehungsprozess des Romans und zur
Geschichte des Kartenspiels.
»Ach
komm, machste mal was ohne Leipzig«, sinniert er dabei, nachdem er
ansprach, dass er seine Romane gern einmal in der Bachstadt spielen
lässt. Ein empörtes »Ohhhhh!« erhebt sich aus den Reihen des
Publikums. Um den Lokalstolz der Leipziger zu bedienen, revidiert
Heitz sogleich: »Aber es stellte sich heraus: Kannste vergessen.«
Denn wie wir an diesem Abend lernten, war Leipzig zu Goethes Zeiten
eines der Zentren der Kartenmacher. Markus Heitz kommt von Leipzig
einfach nicht los.
Insgesamt
bot der Abend sehr angenehme Abwechslung. Nach der Lesung gab es eine
kleine Fragerunde, danach stand die Signierstunde an, und während
ich diese Zeilen tippe, sind die zehn Gewinner (ob sie so glücklich
sind oder nicht, bleibt offen) der Losrunde gerade am Zocken. Für
einen von ihnen wird es am 1. April nach Baden Baden gehen, wo er
gegen die Gewinner der Zockrunden anderer Lesungen antreten wird.
Doch wie das ausgehen wird, und dieses Heitz-Bingo hätten sicher
alle alte Hasen gewusst, »kann ich aus dramaturgischen Gründen hier
nicht verraten, aber dazu gibt es Hinweise im Buch.«
Die
Veranstaltung: Markus Heitz liest aus Des Teufels
Gebetbuch, Bahnhofsbuchhandlung LUDWIG, 22.3.2017, 19.00 Uhr
Das
Buch: Markus Heitz:
Des Teufels Gebetbuch. Knaur HC, München 2017, 672 Seiten, 16,99
Euro, E-Book 14,99 Euro
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