Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Freitag, 17. März 2017

Rezension: Inferno (Robert Langdon #4) von Dan Brown

Dan Brown ist immer wieder für einen Bestseller gut. Mit »Inferno« legt er seinen vierten Robert Langdon Roman vor. Erneut verschlägt es den Harvard Professor für Symbolismus in die weite Welt, um Rätsel zu entschlüsseln und die Menschheit zu retten.

Langdon erwacht ohne Erinnerung an die letzten sechsunddreißig Stunden in einem italienischen Krankenhaus. Das einzige, das er weiß, ist, dass jemand einen Assassinen auf ihn angesetzt hat und nur die junge Doktorin Sienna Brooks an seiner Seite steht. Zusammen folgen sie einer Spurt aus Symbolen durch Venedig und Florenz, die sich stets mit Dantes Göttlicher Komödie befassen. Schon bald wird ihnen klar: Jemand hat hier eine Spur aus Brotkrumen ausgelegt, die sie zu ihrem tödlichen Ziel führen: eine Seuche, entwickelt von einem wahnsinnigen Genie, um die Menschheit zu dezimieren und das Problem der Überbevölkerung abzuwenden. Nun liegt es an Robert, dieses grausame Schicksal von der Menschheit abzuwenden.


Brown ist nicht immer nur für einen Beststeller gut, sondern auch stets für Spannung pur. Wobei »Inferno« nicht unbedingt der Pageturner war, wie ich zum Beispiel »Illuminati« in Erinnerung habe. »Inferno« konnte mich dafür auf Dauer nicht genug fesseln. Dennoch: Langdons Abenteuer war wieder einmal spannend. Sicher, irgendwie ist es doch immer dasselbe: Langdon stolpert als Professor eines Orchideenfachs in irgendeine große Sache, muss irgendwelche Zeichen entschlüsseln und damit die Menschheit retten. Dass die Langdon-Romane immer nach demselben Grundschema ablaufen, muss allerdings nicht unbedingt schlecht sein.

Der Einstieg in diesen Roman ist wirklich genial. Langdon wacht ohne Erinnerung an die letzten Stunden auf, hat keine Idee, wie er in ein italienisches Krankenhaus kam und sieht quasi sofort in den Lauf einer Pistole. Von Anfang an geht es also rasant zur Sache! Je weiter man den Roman liest, desto mehr wird klar, dass Brown nicht am Beginn der Handlung einsteigt, sondern mittendrin. Langdon war innerhalb der letzten sechsunddreißig Stunden an diesen Fall gerufen worden, was er durch seine Kopfverletzung jedoch vergessen hat, sodass er mit dem obligatorischen Entschlüsseln der Symbole quasi wieder bei Null anfängt und zudem auch noch herausfinden muss, was hier eigentlich vor sich geht und wer Freund und wer Feind ist.

So ein Buch braucht in der Regel, so lange der Autor nicht ein absolut genialer Schreiber ist, einen Antagonisten. Den hat »Inferno« rein theoretisch. Der Kniff ist: Selbiger ist noch vor Beginn der Handlung gestorben. Ich finde das sehr gewagt und doch geschickt umgesetzt von Dan Brown, da Langdon nicht gegen den Antagonisten sondern gegen die Auswirkungen von dessen Handeln antritt. Und ganz so einfach ist das mit dem Antagonisten zudem auch nicht. Eher ist es eine moralische Frage, ob Zobrist, der Schöpfer der Seuche, wirklich der Böse ist oder ob er nicht doch Recht haben könnte.

Das Thema des Buches ist die Überbevölkerung und die Probleme, die das für uns in naher Zukunft mit sich bringen wird. Die Statistiken, die Brown anführt, sind real, die Mathematik sagt uns mögliche Szenarien sehr eindeutig voraus. Überbevölkerung ist nicht von der Hand zu weisen, ebenso nicht, dass eine Lösung dafür gefunden werden muss.

Im Buch wird in diesem Zusammenhang eine sehr interessante Frage gestellt, die ich an meine Leser weiterreichen möchte: Man stelle sich vor, man müsste nur einen Knopf drücken, und die Hälfte der Menschheit wird ausgelöscht. Wen es trifft, ist wahllos, es können sogar Freunde und Verwandte dabei sein, sogar man selbst. Drückt man diesen Knopf jedoch nicht, wird die Menschheit in hundert Jahren aussterben. Würdest du den Knopf drücken?

»Inferno« ist sehr catchy geschrieben und man kann sich die Geschichte wirklich hervorragend auf Leinwand vorstellen; ich werde mir tatsächlich die Tage auch den Film noch ansehen. Dadurch liest sich das Buch allerdings auch sehr eingängig. Brown macht das durchaus clever. Seine Sprache ist nicht die Anspruchsvolle, das Thema jedoch schon. Gleichzeitig hat er aber ein Thema gewählt, von dem wir alle betroffen sein werden und das schon heute immer wieder medial durchgekaut wird. Er macht ein brisantes Thema damit einem breiten Publikum schmackhaft: jene, die platte Action haben wollen, und jene, die einen tiefsinnieren Roman erwarten, werden gleichsam etwas hieran finden können.

Dass die Langdon-Roman doch immer irgendwie gleich aufgebaut sind, und Browns catchy Schreibweise haben mich teils doch ein wenig gestört. Auf der anderen Seite hat das Thema beim Lesen in meinem Umfeld doch immer wieder einige sehr spannende Diskussionen ausgelöst, was ich dem Buch sehr hoch anrechne; es ist immer wieder schön, wenn ein Roman zu interessanten Diskussionen anregt.


Das Nachfolgende enthält Spoiler des Endes!
Losgelöst von der Rezension möchte ich noch einmal auf die Auflösung des Romans eingehen und meine eigenen Gedanken dazu besteuern. Brown hat es während des Romans so geschickt gesteuert, dass man als Leser davon ausging, dass die Seuche wirklich in 50% der Fälle tödlich ist, also etwas ist, das aufgehalten werden muss. Ich hätte daher den Knopf zum Beispiel nicht gedrückt. Am Ende kam jedoch heraus, dass Zobrist eine geschickt designte Seuche entwickelte, die mittels beliebiger Auswahl die Hälfte der Menschheit sterilisiert, indem sie den genetischen Code umschreibt. Zudem vererbt sich die Unfruchtbarkeit zu einem bestimmten Prozentsatz. Im Vergleich zur Alternative durch eine Seuche ähnlich der Pest, Ebola oder HIV ist das wirklich eine humanere Lösung.

Zobrist nimmt damit den Menschen den freien Willen, selbst über ihren Nachwuchs zu bestimmen. Er hatte es im Geheimen tun müssen, da die WHO und Regierungen ihm nie ein offenes Ohr geschenkt hatten, sondern ihn als Bioterroristen abtaten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sein Handeln, sobald es öffentlich wird, einen gigantischen Aufschrei der Empörung rund um die Erde hervorrufen wird.

Ehrlich gesagt war ich im ersten Moment auch empört, als ich mir vorstellte, was ich wohl machen würde, wäre dieses Szenario real und würde vielleicht sogar mich betreffen. Bei genauerem Nachdenken ist es jedoch vielleicht nicht die abwegigste Lösung des Problems. Schlauere Leute als ich haben vielleicht andere und bessere Lösungen, aber vergleichen wir es zum Beispiel mal mit dem Einkaufen.

Ich kann nicht einfach so in einen Laden gehen und mir eine Mango nehmen (ich liebe Mangos!), ohne dafür zu bezahlen, weil ich gerade kein Geld habe. Ich muss die Mittel, Geld, besitzen, um das Recht auf den Besitz dieser Mango zu erwerben. Klar. So ähnlich, kann man sagen, verhält es sich auch mit dem Nachwuchs zeugen. Kann ich wirklich so viele Kinder in die Welt setzen, wie ich will, ohne die Mittel dafür zur Verfügung stellen zu können? Mittel heißt in diesem Fall nicht Geld, sondern die Fähigkeit der Erde, dieses Kind auch ernähren zu können, ihm ein Heim und eine Arbeit bereitstellen zu können.

Da ich absolut keinen Kinderwunsch verspüre, würde Zobrists Seuche für mich keine Veränderung bedeuten. Für Leute, die durchaus Kinder haben wollen, wäre das ein mitunter nicht geringer Einschnitt in ihr Leben, und ich könnte deren Empörung hervorragend nachvollziehen. Aber was ist denn, wenn einfach nicht die Mittel zur Verfügung stehen, um dieses Kind auch erhalten zu können? Es kann nicht jeder alles haben, was er will, und Menschen, die nie geboren waren, werden sich über diesen Umstand auch nicht beschweren können …

Welche Position man auch bezieht, das Buch regt auf jedenfalls zum Nachdenken an, und, wie bereits erwähnt, auch zu spannenden Diskussionen über das Thema! Ich bin gespannt, was die Zukunft diesbezüglich für uns bereit hält; und irgendwie hofft man ja doch auf eine bequemere Lösung als diese hier, die keine großen Veränderungen bedeutet (welch illusorische Wünsche …)
  

Autor: Dan Brown
Titel: Inferno
Original: Inferno
Sprache: Englisch
Reihe: Band 4
Seiten: 611
Originalpreis: 8,99$
Verlag: Anchor Books
Genre: Thriller
ISBN: 978-1-101-97379-0
Erscheinungsjahr: 2013

Weitere Rezensionen:
 - Andreas Hagemann

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