Dan Brown ist immer wieder für einen Bestseller gut. Mit
»Inferno« legt er seinen vierten Robert Langdon Roman vor. Erneut verschlägt es
den Harvard Professor für Symbolismus in die weite Welt, um Rätsel zu
entschlüsseln und die Menschheit zu retten.
Langdon erwacht ohne Erinnerung an die letzten
sechsunddreißig Stunden in einem italienischen Krankenhaus. Das einzige, das er
weiß, ist, dass jemand einen Assassinen auf ihn angesetzt hat und nur die junge
Doktorin Sienna Brooks an seiner Seite steht. Zusammen folgen sie einer Spurt
aus Symbolen durch Venedig und Florenz, die sich stets mit Dantes Göttlicher
Komödie befassen. Schon bald wird ihnen klar: Jemand hat hier eine Spur aus
Brotkrumen ausgelegt, die sie zu ihrem tödlichen Ziel führen: eine Seuche,
entwickelt von einem wahnsinnigen Genie, um die Menschheit zu dezimieren und
das Problem der Überbevölkerung abzuwenden. Nun liegt es an Robert, dieses
grausame Schicksal von der Menschheit abzuwenden.
Brown ist nicht immer nur für einen Beststeller gut, sondern
auch stets für Spannung pur. Wobei »Inferno« nicht unbedingt der Pageturner
war, wie ich zum Beispiel »Illuminati« in Erinnerung habe. »Inferno« konnte
mich dafür auf Dauer nicht genug fesseln. Dennoch: Langdons Abenteuer war
wieder einmal spannend. Sicher, irgendwie ist es doch immer dasselbe: Langdon
stolpert als Professor eines Orchideenfachs in irgendeine große Sache, muss
irgendwelche Zeichen entschlüsseln und damit die Menschheit retten. Dass die
Langdon-Romane immer nach demselben Grundschema ablaufen, muss allerdings nicht
unbedingt schlecht sein.
Der Einstieg in diesen Roman ist wirklich genial. Langdon
wacht ohne Erinnerung an die letzten Stunden auf, hat keine Idee, wie er in ein
italienisches Krankenhaus kam und sieht quasi sofort in den Lauf einer Pistole.
Von Anfang an geht es also rasant zur Sache! Je weiter man den Roman liest,
desto mehr wird klar, dass Brown nicht am Beginn der Handlung einsteigt,
sondern mittendrin. Langdon war innerhalb der letzten sechsunddreißig Stunden
an diesen Fall gerufen worden, was er durch seine Kopfverletzung jedoch
vergessen hat, sodass er mit dem obligatorischen Entschlüsseln der Symbole
quasi wieder bei Null anfängt und zudem auch noch herausfinden muss, was hier
eigentlich vor sich geht und wer Freund und wer Feind ist.
So ein Buch braucht in der Regel, so lange der Autor nicht
ein absolut genialer Schreiber ist, einen Antagonisten. Den hat »Inferno« rein
theoretisch. Der Kniff ist: Selbiger ist noch vor Beginn der Handlung
gestorben. Ich finde das sehr gewagt und doch geschickt umgesetzt von Dan
Brown, da Langdon nicht gegen den Antagonisten sondern gegen die Auswirkungen
von dessen Handeln antritt. Und ganz so einfach ist das mit dem Antagonisten
zudem auch nicht. Eher ist es eine moralische Frage, ob Zobrist, der Schöpfer
der Seuche, wirklich der Böse ist oder ob er nicht doch Recht haben könnte.
Das Thema des Buches ist die Überbevölkerung und die
Probleme, die das für uns in naher Zukunft mit sich bringen wird. Die
Statistiken, die Brown anführt, sind real, die Mathematik sagt uns mögliche
Szenarien sehr eindeutig voraus. Überbevölkerung ist nicht von der Hand zu
weisen, ebenso nicht, dass eine Lösung dafür gefunden werden muss.
Im Buch wird in diesem Zusammenhang eine sehr interessante
Frage gestellt, die ich an meine Leser weiterreichen möchte: Man stelle sich
vor, man müsste nur einen Knopf drücken, und die Hälfte der Menschheit wird
ausgelöscht. Wen es trifft, ist wahllos, es können sogar Freunde und Verwandte
dabei sein, sogar man selbst. Drückt man diesen Knopf jedoch nicht, wird die
Menschheit in hundert Jahren aussterben. Würdest du den Knopf drücken?
»Inferno« ist sehr catchy geschrieben und man kann sich die
Geschichte wirklich hervorragend auf Leinwand vorstellen; ich werde mir
tatsächlich die Tage auch den Film noch ansehen. Dadurch liest sich das Buch
allerdings auch sehr eingängig. Brown macht das durchaus clever. Seine Sprache
ist nicht die Anspruchsvolle, das Thema jedoch schon. Gleichzeitig hat er aber
ein Thema gewählt, von dem wir alle betroffen sein werden und das schon heute
immer wieder medial durchgekaut wird. Er macht ein brisantes Thema damit einem
breiten Publikum schmackhaft: jene, die platte Action haben wollen, und jene,
die einen tiefsinnieren Roman erwarten, werden gleichsam etwas hieran finden
können.
Dass die Langdon-Roman doch immer irgendwie gleich aufgebaut
sind, und Browns catchy Schreibweise haben mich teils doch ein wenig gestört.
Auf der anderen Seite hat das Thema beim Lesen in meinem Umfeld doch immer
wieder einige sehr spannende Diskussionen ausgelöst, was ich dem Buch sehr hoch
anrechne; es ist immer wieder schön, wenn ein Roman zu interessanten
Diskussionen anregt.
Das Nachfolgende
enthält Spoiler des Endes!
Losgelöst von der Rezension möchte ich noch einmal auf die
Auflösung des Romans eingehen und meine eigenen Gedanken dazu besteuern. Brown
hat es während des Romans so geschickt gesteuert, dass man als Leser davon
ausging, dass die Seuche wirklich in 50% der Fälle tödlich ist, also etwas ist,
das aufgehalten werden muss. Ich hätte daher den Knopf zum Beispiel nicht
gedrückt. Am Ende kam jedoch heraus, dass Zobrist eine geschickt designte
Seuche entwickelte, die mittels beliebiger Auswahl die Hälfte der Menschheit
sterilisiert, indem sie den genetischen Code umschreibt. Zudem vererbt sich die
Unfruchtbarkeit zu einem bestimmten Prozentsatz. Im Vergleich zur Alternative
durch eine Seuche ähnlich der Pest, Ebola oder HIV ist das wirklich eine
humanere Lösung.
Zobrist nimmt damit den Menschen den freien Willen, selbst
über ihren Nachwuchs zu bestimmen. Er hatte es im Geheimen tun müssen, da die
WHO und Regierungen ihm nie ein offenes Ohr geschenkt hatten, sondern ihn als
Bioterroristen abtaten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sein Handeln,
sobald es öffentlich wird, einen gigantischen Aufschrei der Empörung rund um
die Erde hervorrufen wird.
Ehrlich gesagt war ich im ersten Moment auch empört, als ich
mir vorstellte, was ich wohl machen würde, wäre dieses Szenario real und würde
vielleicht sogar mich betreffen. Bei genauerem Nachdenken ist es jedoch
vielleicht nicht die abwegigste Lösung des Problems. Schlauere Leute als ich
haben vielleicht andere und bessere Lösungen, aber vergleichen wir es zum
Beispiel mal mit dem Einkaufen.
Ich kann nicht einfach so in einen Laden gehen und mir eine
Mango nehmen (ich liebe Mangos!), ohne dafür zu bezahlen, weil ich gerade kein
Geld habe. Ich muss die Mittel, Geld, besitzen, um das Recht auf den Besitz
dieser Mango zu erwerben. Klar. So ähnlich, kann man sagen, verhält es sich
auch mit dem Nachwuchs zeugen. Kann ich wirklich so viele Kinder in die Welt
setzen, wie ich will, ohne die Mittel dafür zur Verfügung stellen zu können?
Mittel heißt in diesem Fall nicht Geld, sondern die Fähigkeit der Erde, dieses
Kind auch ernähren zu können, ihm ein Heim und eine Arbeit bereitstellen zu
können.
Da ich absolut keinen Kinderwunsch verspüre, würde Zobrists
Seuche für mich keine Veränderung bedeuten. Für Leute, die durchaus Kinder
haben wollen, wäre das ein mitunter nicht geringer Einschnitt in ihr Leben, und
ich könnte deren Empörung hervorragend nachvollziehen. Aber was ist denn, wenn
einfach nicht die Mittel zur Verfügung stehen, um dieses Kind auch erhalten zu
können? Es kann nicht jeder alles haben, was er will, und Menschen, die nie
geboren waren, werden sich über diesen Umstand auch nicht beschweren können …
Welche Position man auch bezieht, das Buch regt auf
jedenfalls zum Nachdenken an, und, wie bereits erwähnt, auch zu spannenden
Diskussionen über das Thema! Ich bin gespannt, was die Zukunft diesbezüglich
für uns bereit hält; und irgendwie hofft man ja doch auf eine bequemere Lösung
als diese hier, die keine großen Veränderungen bedeutet (welch illusorische
Wünsche …)
Autor: Dan Brown
Titel: Inferno
Original: Inferno
Sprache: Englisch
Reihe: Band 4
Seiten: 611
Originalpreis: 8,99$
Verlag: Anchor Books
Genre: Thriller
ISBN: 978-1-101-97379-0
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