Die Welt ist gierig und manchmal verschlingt sie ganze acht
Jahre, ehe die Lieblingsbuchreihe aus Jugendtagen eine Fortsetzung erhält. Denn
so lange dauerte es, bis Christoph Marzi sich erneut in die uralten Metropolen
wagte und »London« schrieb, ein neues Abenteuer mit Emily Laing.
Sonderbare Dinge geschehen. Plötzlich scheint jeder außer
Emily und ihre Freunde vergessen zu haben, dass die Millionenmetropole London
jemals existiert hat. Dann wird sie auch noch von zwei sonderbaren alten Damen
verschleppt und ein Mädchen kreuzt ihren Weg, das ein Geheimnis zu bergen
scheint. Und plötzlich wird Emily erneut von Wölfen gejagt und muss
herausfinden, was für sonderbare Dinge hier vor sich gehen. Denn sonst könnte
es sein, dass London tatsächlich dem Vergessen anheimfällt, und mit der Stadt
auch Emily selbst.
Dieses Buch ist pure Liebe. Schon allein, dass es mit den seit
damals geliebten Worten anfängt, war Nostalgie ohne Ende. Ich hatte ein klein
wenig Angst, »London« zu lesen, weil ich befürchtet hatte, dass sich zeigen
wird, dass die Reihe nach all der Zeit doch nicht so gut ist, wie ich sie in
Erinnerung hatte. Zum Glück verflüchtigten sich all meine Bedenken sehr
schnell. Christoph Marzi ist definitiv ein fantastischer Autor moderner
Märchen!
Das Buch ist ein Revival der Anfänge der Reihe, was dem
Ganzen ein Gefühl der Heimkehr in die geliebten uralten Metropolen verleiht.
Wir treffen alte Bekannte wieder und die Handlung hat gewisse Parallelen zum
ersten Teil »Lycidas«. Da schlägt natürlich das Fanherz höher (auch wenn meine
Reise durch die Uralten Metropolen mit »Somnia«, den vierten Teil, begonnen
hatte, der etwas losgelöst von den ersten drei steht). Gleichzeitig begegnen
wir auch hier wieder so vielem, was die Reihe ausgemacht hat. Vor allem Wittgensteins
grummelige Art und seine altbekannten Sprüche (»Fragen Sie nicht!«) auch aus
Emilys Mund begeisterten mich besonders.
Man kann dem Buch sehr gut folgen, wenn man, wie ich, die
anderen Bände das letzte Mal vor Jahren gelesen hat oder diese sogar noch nie
in Händen hielt. Marzi gibt viele Erklärungen, die auch Neulingen seine Welt
nahe bringen und ihnen keine Schwierigkeiten bereiten sollten, sich in seinem
Roman zu Recht zu finden. Für die, die bereits die anderen Bücher kennen, hat
er zahlreiche Anspielungen auf diese. Neulinge werden lediglich in Bezug auf
Maurice Micklewhite wohl böse gespoilert, was sich aber nicht vermeiden lies,
hätte Marzi nicht ganz auf ihn verzichtet. Mich persönlich freut es jedenfalls,
dass Maurice wieder mit dabei ist.
Es vergingen nicht nur für den Leser geschlagene acht Jahre,
bis wir endlich wieder in die uralten Metropolen abtauchen durften. Auch Emily
wurde in dieser Zeit älter. Sie steht nun auf eigenen Beinen, hat ein Leben und
ist erwachsen geworden. Da ich die Bücher das erste Mal im Teenager-Alter
gelesen habe, freute mich dieser Umstand besonders, da ich quasi mit Emily
älter geworden bin, was ein schöner Gedanke ist.
Stilistisch ist natürlich wieder einmal nichts zu meckern.
Marzi schafft es auf seine ganz eigene Art und Weise, selbst parataktische
Textabschnitte wunderbar auszuformulieren und eigentlich erst dadurch seinem
Text die typische Note zu geben. Darüber hinaus schreibt er trotz der
beachtlichen Länge des Romans von 700 Seiten eine sehr kurzweilige und spannend
erzählte Geschichte ohne Längen. Es fällt schwer, sich von den Seiten zu lösen,
da man unbedingt wissen will, wie es ausgeht. Denn wirklich vorausahnen kann
man nichts davon.
Einziger Wermutstropfen: Das Cover passt nicht zu den
Vorgängerteilen.
Alles in allem: Unbedingte Kaufempfehlung sowohl für Fans
der uralten Metropolen als auch solche, die noch nie etwas aus der Reihe
gelesen haben.
Daten
London, Die
uralten Metropolen 5: ISBN 978-3-453-31665-2, Heyne, 2016, 14,99€
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